Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 22. September dieses Jahres in der 88. Sitzung in diesem Hause über Demontage gesprochen wurde, bestand allgemein die Hoffnung, daß damit überhaupt letztmalig über diese Maßnahmen gesprochen worden wäre. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Wir sehen an den beiden eben vorgetragenen Beispielen, daß weiter in unverständlicher Weise demontiert wird.
Der Antrag, der von uns jetzt eingebracht wird, hat folgenden Wortlaut:
Ergänzungsantrag der Fraktion der SPD zu Drucksache 1704 betr. Demontage der 10 000-
Tonnen-Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins, Dortmund:
Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich mit der Hohen Kommission Verhandlungen aufzunehmen, um zu erreichen, daß der Abtransport wichtigster Teile der demontierten Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins, Dortmund, sofort eingestellt wird und mit dem Aufbau der Presse begonnen werden kann.
Wer die Zeitungen verfolgt hat, konnte gestern feststellen, daß ein bedeutender Teil der westdeut-
schen Presse meldete, daß im englischen Unterhaus Abgeordnete auf den Widersinn der beabsichtigten Durchführung der Demontage bei dem Dortmund-Hoerder-Hüttenverein hingewiesen haben.
Was hat es mit dieser Presse für eine Bewandtnis? Sie wurde erbaut in den Jahren um 1930. Die Presse hat solche Ausmaße, daß verschiedene Teile im Werk selbst angefertigt werden mußten, weil ein Eisenbahntransport unmöglich war. So ist insbesondere, da die Herstellung des Querhauptes, des Verbindungsstückes der Säulen, eine große Rolle spielt, auch dieses Haupt im Werk hergestellt worden. Die Presse war ursprünglich für einen Druck von 10 000 t vorgesehen. Während des Krieges bekam das Querhaupt einen Riß, so daß nach der Instandsetzung die Presse nur noch für einen Druck von zirka 7000 t verwendet werden kann. Erzeugt wurden auf der Presse schwere Kurbelwellen, vor allen Dingen Schiffswellen - und bei der Ankündigung des erweiterten Schiffsbaues für die Bundesrepublik wird auch das wieder eine bedeutende Rolle spielen —, weiter schwere Schmiedestücke für den Preßmaschinenbau und andere wichtige Preßteile. Festgestellt werden kann auch, daß auf dieser Presse kein Kriegsmaterial hergestellt wurde. Eigenartig ist, daß die zu dieser großen Presse gehörende Bearbeitungswerkstatt nicht der Demontage unterfiel, so daß nun diese besonders großen Maschinen nicht voll ausgelastet sind. Das ist mehr als kurios.
Der Stand der Demontage ist augenblicklich der, daß ein kleiner Teil der demontierten Stücke bereits nach England transportiert worden ist. Die wichtigsten Teile sind aber noch im Werk, u. a. das Querhaupt und auch die Grundplatten. Ich sagte eben schon, daß das Querhaupt — und für die Grundplatten trifft dasselbe zu - nicht per Eisenbahn zu transportieren ist. Sie haben so große Ausmaße, daß der ganze Eisenbahntransport lahmgelegt werden müßte. Man hat nun einen Landtransport erwogen. Dabei wird man viele Umwege machen müssen, um nach Essen zu kommen und dort das Querhaupt in ein Schiff zu laden. Aber auch dieser Landtransport ist noch mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden. Man muß u. a. Brückenverstärkungen vornehmen. So hat jetzt eine Dortmunder Firma schon den Auftrag, eine Brücke zu verstärken, die an sich nur eine Tragfähigkeit von 25 t hat. Das Querhaupt selber wiegt jedoch 130 t. Dieser Landtransport wird durch belebteste Straßen geleitet werden. Es ist zu erwarten, daß die Bevölkerung bei Bekanntwerden darüber durchaus beunruhigt sein wird.
Die Presse hat neben der Gesamtindustrie natürlich auch für das Werk eine besondere Bedeutung. Die Lage der Gesamtindustrie wird dadurch erschwert, daß heute Aufträge für schwere Schmiedestücke Lieferzeiten von 12 bis 24 Monaten haben und somit ein sehr starker Engpaß für Arbeiten dieser Art vorhanden ist. Würde die Presse im Werk wieder montiert werden, so würde das ganze zirka ein halbes Jahr in Anspruch nehmen und dann dieser Engpaß schnellstens beseitigt sein. Eine Aufstellung der Presse in England würde jedoch zirka eineinhalb bis zwei Jahre benötigen, da ja die umfangreichen, kaum vorstellbaren Fundamente und sonstigen Anlagen erst angefertigt werden müßten. Für das Werk hat diese Presse insofern eine besondere Bedeutung, als es augenblicklich praktisch nur auf einem Bein produziert, wie man sagen könnte, nämlich nur von den Walzwerkerzeugnissen besteht. Die Ergänzung war die Verarbeitung in der Schmiedewerkstatt. Es ist in der Belegschaft nun eine starke Beunruhigung eingetreten, und zwar einmal eben aus der Sicht des Werkes. Wenn das Werk nicht voll ausgelastet ist, wird immer wegen der Sicherheit der Arbeitsplätze Unruhe sein, weil ein sehr starker Kampf um die Wirtschaftlichkeit des Werkes geführt werden muß. E's herrscht aber auch insofern Unruhe in der Belegschaft, als durch diese Maßnahmen nicht das Vertrauen gefördert wird, das nötig wäre, um die Bemühungen für ein einiges, gemeinsam aufzubauendes Europa zu unterstützen.
Das zu unserem Antrag. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß das Haus diesem Antrag wie auch den beiden vorher zitierten einmütig zustimmt, um so der Regierung in den Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren die genügende Rückendeckung zu geben.
Allgemein möchte ich noch sagen, daß im Vordergrund aller offiziellen Betrachtungen heute die Schaffung eines materiell starken Europas steht. Daneben erleben wir inoffiziell, daß von begeisterter Jugend Grenzpfähle verbrannt werden. Damit werden Kräfte sichtbar, die für den Weg nach Europa von großer Bedeutung sind. Maßnahmen der heute hier besprochenen Art sind aber nicht dazu angetan, diese bedeutenden Kräfte zu stärken. Darum rufen wir den Besatzungsmächten zu: Macht endlich Schluß mit allen Demontagen und Abtransporten von demontierten Werkteilen! Gebt den Wiederaufbau frei, und ihr werdet dieses Europa in den Herzen und Hirnen verankern! Auch das ist eine Realität.