Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige Sätze zu diesen unseren Anträgen. Es handelt sich bei diesen Anträgen um die Erhöhung der Unterstützung für die Arbeitslosen, und es handelt sich um die Erhöhung der Unterstützung für die Fürsorgeempfänger. Diese Anträge sind gestellt worden, weil die Preispolitik dieser Regierung sie notwendig gemacht hat. Es vergeht hier fast keine einzige Sitzung, in der nicht das Plenum zu der Preiserhöhung Stellung nimmt; es vergeht fast keine einzige Sitzung hier in diesem Hause, in der nicht irgendeine Fraktion zu den dauernden Preissteigerungen Stellung nimmt. Es vergeht aber auch fast keine einzige Sitzung, in der dann nicht von Regierungsseite die Frage der Preissteigerung bagatellisiert wird. Das halten wir nicht für richtig. Man sollte sich einmal draußen bei den Hausfrauen befragen, was sie von dieser Preissteigerung halten, die gerade in der letzten Zeit ungeheure Formen angenommen hat. Allein im Monat November sind die Preise für die Dinge des täglichen Bedarfs, für die Dinge, die der Arbeitslose nun einmal für seine Familie kaufen muß, damit er leben kann, die der Fürsorgeempfänger haben muß, wenn er nicht physisch zugrunde gehen will, um ca. 20 % gestiegen. In einem einzigen Monat! Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß in dem Monat November die Fleischpreise von 4,12 DM pro Kilo auf 4,80 DM pro Kilo gestiegen sind, die Preise für Schmalz von 3,20 auf 4,— DM. Ich habe in der Presse gelesen, daß in der Stadt Hamburg der Preis für Schmalz sogar auf 4,60 DM gestiegen ist. Dabei müssen wir doch sehen, daß gerade in dem Gebiet Hamburg eine große Anzahl von Arbeitslosen vorhanden ist. Ungeheuer sind auch die Preissteigerungen für alle anderen Dinge, die man braucht, urn leben zu können, ganz abgesehen von den Preissteigerungen für Textilien. Wenn man in den Winter hineingeht, weiß man doch, daß allerlei Anschaffungen zu machen sind. Auch der Arbeitslose und Fürsorgeempfänger kann auf die Dauer nicht ohne den Erwerb von einigen Textilien für seine Kinder, und sei es auch nur ein Paar Strümpfe, auskommen.
Dabei sehen wir, daß die Preissteigerungen noch lange nicht das Ende erreicht haben. Es wird schon wieder davon gesprochen, daß die Altbaumieten um 20 % erhöht werden. Es wird davon gesprochen, daß Gas und Strom teurer werden. Es wird davon gesprochen, daß Zucker teurer wird. Alle Dinge des täglichen Bedarfs werden teurer. Die Kohle- und Eisenpreiserhöhung, die in der vergangenen Woche hier beschlossen worden ist, wird ihre Auswirkungen auch auf die anderen Preise haben. Wir stehen da einer Preissteigerung
gegenüber, die zur physischen Vernichtung eines großen Teiles unseres Volkes und in erster Linie der Fürsorgeempfänger und der Arbeitslosenunterstützungsempfänger führt. Das müssen wir sehen.
Es besteht keine Aussicht auf eine Senkung der Preise. Im Gegenteil! Die Hauptgemeinschaft des Einzelhandels hat, wie ich neulich gelesen habe, bereits angekündigt, daß neue Preiserhöhungen zu erwarten seien. Der Präsident des Gesamtverbandes für den Groß- und Außenhandel hat erklärt, er sehe keine Möglichkeit, die steigenden Weltmarktpreise in den Handelsspannen aufzufangen. Das sind nette Aussichten für die Menschen mit kleinen Einkommen. Wenn man auf diesem Gebiet des öfteren mit der Erklärung kommt, die Korea-Krise sei daran schuld, dann darf ich vielleicht darauf hinweisen: Wenn durch die Korea-Krise die Preise jetzt schon so ungeheuer anziehen, was soll es denn erst bei der Fortsetzung der Politik hier in Europa und in der übrigen Welt geben, die zum Kriege führt? Was soll es denn da erst mit den Preisen geben?
Dabei kann man, wenn man mit offenen Augen durch die Straßen geht, nicht an dem Elend der Schulkinder, deren Eltern das Unglück haben, arbeitslos zu sein, oder die keinen Vater haben, vorbeisehen. Wenn man in einer Gegend wohnt, in der Arbeiter wohnen, dort zum Fenster hinausschaut und sieht, wie die Kinder morgens zur Schule gehen, wie sie bei dem Patschwetter der letzten Tage mit unzulänglichen Schuhen durch diesen Patsch waten und sich Krankheiten holen, dann tut einem das Herz im Leibe weh. Wenn man sieht, wie die Eltern sich Abend für Abend hinsetzen und aus alten Wolldecken — oder was weiß ich — irgendein Mäntelchen oder ein Kleidungsstück fabrizieren, damit die Kinder nicht frieren, dann tut einem das Herz im Leibe weh. An der Not dieses Teils unserer Bevölkerung dürfen wir nicht vorbeisehen. Dieses Elend ist hauptsächlich in den Gebieten groß, die von der Arbeitslosigkeit am meisten betroffen wurden. In der vergangenen Woche stand hier die Notlage im Gebiet des Bayerischen Waldes zur Debatte. Es ist dem Hause bekannt, daß ein ungeheuer großes Notlagegebiet im Raum Watenstedt-Salzgitter besteht. Das gleiche gilt für Hamburg und Wilhelmshaven, wo es viele Arbeitslose gibt. Die Arbeitslosenziffern steigen noch dauernd. Das Elend, das da erst kommen wird, muß man sich vorstellen. Hinzu kommt der große Kreis der Sozialrentner und der Fürsorgeempfänger. Wenn man an die alten Leute denkt, wenn man manchmal sieht, wie so ein altes Mütterchen mit einer zerrissenen Einkaufstasche irgendwo im Laden steht und ihre Pfennige zusammensucht, weil sie kaum noch soviel hat, daß sie sich das Konsumbrot erwerben kann, dann wird es einem ganz anders.
Wir können deshalb auch in diesem Hause nicht an den Anträgen vorbeigehen, die hier von unserer Fraktion gestellt worden sind. Gehen Sie hinaus in die Wohnungen der Arbeitslosen, gehen Sie hinaus in die Wohnungen der alten Leute, de mit kümmerlichen Renten ihr Leben fristen! Gehen Sie hinaus und sehen Sie sich das an! Ich will nicht darauf hinweisen, daß nicht alle Menschen Diätenempfänger sein können. Aber wir sollten von unserer Lage nicht auf die Lage derer schließen, die große Not leiden. Wenn wir eine andere Wirtschaftspolitik betrieben, wenn wir eine.
Wirtschaftspolitik betrieben, die darauf hinausliefe, daß wir alle Menschen beschäftigen könnten, wenn wir eine Wirtschaftspolitik betrieben, die darauf hinausliefe, daß auch der Ost-West-Handel in Fluß käme, dann hätten wir nicht diese ungeheuer große Anzahl von Arbeitslosen. Dann hätten wir auch nicht diese Elendszustände in den Gebieten an der sogenannten Grenze oder dem Eisernen Vorhang.
Ich bitte deshalb, daß das Haus unserem Antrag auf Erhöhung nicht nur der Arbeitslosenunterstützung, sondern auch der Fürsorgeunterstützung nachkommt. Diesem unserem Antrage kann sich nach meiner Meinung keiner verschließen. Es kann sich nach meiner Meinung keiner diesem unserem Antrage entgegenstellen, wenn er überhaupt noch einen Funken von sozialem Gefühl hat.