Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Paul zur Begründung des Antrags der Fraktion der KPD, Ziffer 8 der Tagesordnung.
Paul (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Lücke hat bei der Begründung des Antrags der CDU schon auf die ungeheure Notlage auf dem Wohnungsmarkt hingewiesen. Diese Notlage vor allem der ärmeren Bevölkerung wird durch die Praktiken verschlimmert, die in den verschiedenen Gemeinden und Ländern bei der Zuteilung von Wohnungen auf Grund des Wohnungsbaugesetzes angewandt werden. In zahlreichen Städten und Gemeinden fordert man für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln erstellt werden, von den Wohnungsuchenden erhebliche verlorene Baukostenzuschüsse oder sehr beträchtliche Mietvorauszahlungen. Selbst die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften machen hiervon keine Ausnahme.
— Nein, ich habe dafür einige Beweise, die das
mit aller Deutlichkeit zeigen. Das Wohnungsbaugesetz gibt im § 22 solchen Bauherren dazu in
einem gewissen Maße auch die Möglichkeit. Es
wird dort nämlich gesagt, daß man, wenn man
einen erheblichen Beitrag zur Erstellung einer
Wohnung leistet, einen vorrangigen Anspruch auf diese Wohnung hat. Dieser Paragraph im Wohnungsbaugesetz wird jetzt weidlich ausgenützt. So ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die arme Bevölkerung, die Kinderreichen, die Arbeitslosen, die Kriegsbeschädigten sehr schwer zu Wohnungen kommen. In erster Linie erhalten diejenigen Wohnungen, die eben über ein bestimmtes Vermögen verfügen oder die, soweit sie über gesunde Glieder verfügen, Selbsthilfe leisten können. Es gibt aber zahlreiche Männer — ich denke an die Kriegsbeschädigten —, die einfach keine zusätzliche Arbeit leisten können, die also den geforderten angemessenen Beitrag zur Erstellung einer Wohnung nicht durch ihrer Hände Arbeit leisten können. Aber diese Menschen — die Alten, die kinderreichen Familien. diejenigen, die nicht über Vermögen verfügen müssen ebenfalls vordringlich in den Genuß von Wohnungen kommen, die im Rahmen des Wohnungsbaugesetzes mit öffentlichen Mitteln erstellt werden.
Sehr oft wird die Forderung nach einem verlorenen Baukostenzuschuß oder nach beträchtlichen Mietvorauszahlungen mit dem Fehlen ausreichenden Kapitals begründet. Ich möchte das an einem Beispiel demonstrieren. Ein Bauherr, der 20 % Eigenkapital aufgebracht hat, kann sich um die Bereitstellung der 1. Hypothek bemühen. Als 1. Hypothek wird im allgemeinen eine Belastung von 30-35 % der Bausumme gegeben. Wenn ein Bauherr somit die Finanzierung gesichert hat, kann er den Antrag auf Gewährung eines Landesbaudarlehens stellen, das in der Regel wiederum 30-35 % der Bausumme ausmacht. Im günstigsten Fall, also bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten, wobei die Beschaffung der 1. Hypothek heute aber noch sehr fragwürdig ist, hat er somit rund 85-90 % des erforderlichen Kapitals; 10 bis 15% aber versucht er jetzt durch verlorene Baukostenzuschüsse oder durch langfristige Mietvorauszahlungen einzutreiben.
Wir sind der Meinung, daß ein solcher Zustand nicht tragbar ist. Diejenigen, die über bestimmte Mittel verfügen, sollen selbstverständlich veranlaßt werden, diese Mittel im Wohnungsbau einzusetzen. Es gibt aber auch Hunderttausende von Menschen, die diese Mittel einfach nicht haben, und für diese Menschen soll doch in erster Linie gebaut werden. Sie haben doch während des Krieges alles verloren; sie haben durch die Währungsreform, den Währungsschnitt auch ihren letzten Spargroschen eingebüßt, und durch die ungeheure Teuerung und die anziehenden Preise sind sie, soweit sie Werktätige sind, kaum noch in der Lage, zusätzliche Ersparnisse zu machen. Diese Entwicklung beweist der Rückgang der Spareinlagen in den letzten Monaten. Daraus ergeben sich dann wieder jene Schwierigkeiten in der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
Wir sind der Meinung, soweit Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues gebaut werden, sollte man vom Bund oder von den Ländern aus dafür eintreten, daß die Finanzierung für die bedürftigen Menschen sichergestellt wird. Wir sind weiter der Meinung, daß man die Lücken oder die Dehnungsmöglichkeiten, die im Wohnungsbaugesetz vorhanden sind, beseitigen und auf das richtige Maß zurückführen muß.
Wir haben deswegen in der Drucksache Nr. 1552 vorgeschlagen, daß die Bundesregierung beauftragt wird, den Länderregierungen zu empfehlen
und sie anzuhalten, bei der Bereitstellung von Mitteln zur Durchführung des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues darauf zu achten, daß mindestens 70 % des mit diesen Mitteln erstellten Wohnraums zur freien Verfügung der Wohnungsämter stehen und daß für diese Wohnungen keinerlei Baukostenzuschüsse oder Mietvorauszahlungen gefordert oder angenommen werden dürfen.
Ich bin mir selbstverständlich vollkommen darüber im klaren, daß wir mit Strafandrohungen und mit Verwaltungsmaßnahmen allein diesem Problem nicht begegnen können. Deswegen gilt es zu erwägen, ob man nicht weitere zusätzliche unverzinsliche Mittel für Wohnungen für Kinderreiche, für Flüchtlinge und sonstige hilfsbedürftige Menschen zur Verfügung stellen kann, um die Lücke zwischen den aufzubringenden und den noch fehlenden Geldern zu schließen. Der Wohnungsbau wird immer schwieriger werden. Wir haben durch die bestimmten Maßnahmen, die in der Richtung der Vorbereitung eines Krieges gehen, anziehende Preise auf allen Gebieten. Diese führen auch zur Verteuerung des Wohnungsbaus. Ich denke nur an die Zunahme der Zementpreise, an die Zunahme der Preise für Blei, für Messing, für Bronze usw. Ich denke nicht zuletzt auch an die hier von der Mehrheit des Hauses beschlossene Erhöhung der Stahl- und Kohlenpreise, die sich wiederum auf dem Gebiet des Wohnungsbaus auswirken werden. Deswegen müssen auch von seiten des Bundes und der Länder erhöhte Anstrengungen gemacht werden, um für unsere wirklich bedürftigen Kreise in erster Linie die erforderlichen Wohnungen zu schaffen, und zwar solche Wohnungen, in denen man auch menschenwürdig leben kann. Wir wenden uns deshalb gegen die Versuche, solche ehemaligen Leybaracken und ähnliche Wohnungen dieser Art wieder aufrichten zu wollen. Wir wandten uns in den Jahren 1945 und 1946 im Ruhrgebiet gegen die Errichtung von Nissenhütten, von denen der britische Kommissar — d. h. damals der Landeskommissar — der Auffassung war, daß sie geeignete Wohnungen für unsere Bergleute seien. Wir haben uns damals dagegen gewandt und uns dadurch der schärfsten Kritik der Besatzungsmacht ausgesetzt.
Ich möchte Sie im Interesse der Förderung des Wohnungsbaues für die bedürftige Bevölkerung bitten, unserem Antrag zustimmen zu wollen.