Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem manchmal schreienden Gegensatz zu den Zuständen in den Wohnungen größerer deutscher Familien und zu den Zuständen, in denen sich die Unterkünfte unserer Ausgebombten, Evakuierten und Flüchtlinge befinden, steht die Belegung der Wohnungen durch Angehörige der alliierten Besatzungsmächte. Deswegen erscheint es dringend erforderlich, daß die Bundesregierung dieses Problem einmal mit der zentralen Stelle bespricht. Es sind erschütternde Berichte, die einem über diese Dinge zugehen, auf der einen Seite über die Notlage, in der sich unsere Landsleute befinden, auf der anderen Seite darüber, daß es der Besatzung trotz eines anerkennenswerten Bestrebens bisher nicht gelungen ist, die Belegung
so einzurichten, wie es der in Deutschland nun einmal existierenden Notlage einigermaßen entspricht.
Ich will aus der großen Zahl der mir zugegangenen Unterlagen nur wenige Beispiele hervorheben. Da teilt man mir z. B. mit, daß in Neheim ein Mann, ein Frau und ein Kind elf Räume haben, und zwar in Neheim, das über die große Ausweitung der Besatzungsansprüche auf Wohnraum besonders klagt. Noch einige weitere Beispiele: Neun Räume für einen Mann, eine Frau und zwei Kinder, dreizehn Räume für Mann, Frau und ein Kind, vierzehn Räume für Mann, Frau und ein Kind, fünfzehn Räume für zwei Personen, zehn Räume für drei Personen usw., ganz abgesehen von der großen Zahl der Räume, und zwar Wohnräume, die praktisch leerstehen.
Dasselbe gilt für das Gewerbe. Auch der Rotelierverband beklagt sich darüber, und zwar zusammen mit dem Verband der Besatzungsgeschädigten, der sagt, daß es insgesamt 3,6 Millionen aus ihren Wohnungen Vertriebene, also Besatzungsgeschädigte, in den deutschen Ländern gibt. Dem müßte man einmal gegenüberstellen, wie wenig Personen in diesen Räumen wohnen. Er weist auch darauf hin, daß die Räume für gesellige Zwecke wie Messen und Unterhaltungslokale nur zu etwa 20 °/o ausgenutzt worden sind.
Gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint es nun erforderlich, daß sich die Bundesregierung dieser Angelegenheit annimmt, und zwar deswegen, weil die neu nach Deutschland hereinkommenden Truppen natürlich neue Bedürfnisse an Wohnraum und an Raum für Unterhaltungslokale haben. Es werden also in diesem Zusammenhang neue Räume zur Verfügung gestellt werden. Wahrscheinlich wird es aber nicht so schnell möglich sein, den dafür erforderlichen Wohnraum zu schaffen; es muß also bereits vorhandener Wohnraum abgegeben werden. Deswegen kann das nur in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden geschehen. Insbesondere muß die Durchführung solcher Maßnahmen durch deutsche Behörden erfolgen, nicht nur, weil diese mit unseren Landsleuten in anderer Weise umgehen — es sind eben Landsleute —, sondern weil sie vor allem eine bessere Kenntnis der Bedürfnisse unserer Landsleute und auch eine bessere Kenntnis der Zugriffsmöglichkeiten haben. Es darf nicht wieder vorkommen, wie es in der ersten Zeit der Besatzung geschehen ist, daß binnen weniger Stunden — 1, 2, 3 Stunden — große Häuser geräumt werden müssen und daß alle, die sie verlassen müssen, alles einschließlich der notwendigsten Einrichtungsgegenstände darin zurücklassen müssen. Es sind damals Härten vorgekommen, die durchaus vermeidbar sind und die sicherlich vermieden werden, wenn die deutschen Behörden miteingeschaltet werden.
Bei dieser Gelegenheit sei auch daran erinnert, daß zwar ab und zu die Besatzungsbehörden Anläufe genommen haben, die Belegungsdichte zu kontrollieren und zu überwachen. Abgesehen davon, daß natürlich jede Dienststelle dazu neigt, anzuzeigen, daß sie nicht zuviel übrig hat — das würde Deutschen genau so gehen —, erscheint es aber auch notwendig, daß die Kontrolle in regelmäßigen Abständen erfolgt; denn die Belegungsdichte verändert sich ja laufend. Es kann sein, daß ein Haus, das zeitweilig leerstand, nach einigen Monaten wieder benutzt wurde. Es ist aber
häufiger der Fall, daß ein vorübergehend sehr stark belegtes Wohnhaus einige Zeit benutzt wurde und dann auf unabsehbare Zeit völlig unkontrolliert fast oder ganz leersteht.
Zu diesen leerstehenden Häusern noch ein Wort. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die sowohl den Besatzungsbehörden als auch den Deutschen, namentlich der Bundesregierung, ans Herz gelegt wird. Es sind mir zahlreiche Fälle bekannt, namentlich aus Osnabrück, in welchen die Wohnungen, die monatelang leerstehen, während für ein ganzes Haus 150 DM Miete bezahlt wird, mit einem Vielfachen davon durch fremde Kräfte bewacht werden. Und wie glücklich würden die Eigentümer — oder auch die Mieter, je nachdem, wer früher die Wohnung benutzt hat — sein, wenn sie selber diese Wohnung betreuen dürften. Da bekommt man für ein ganzes Haus mit Einrichtung, sagen wir einmal, 150 DM monatlich an Miete, und da werden 3-, 4-, 5- und 600 DM für Bewachungskosten für dieses Haus im Monat ausgegeben. Das geht gleichzeitig auch auf Besatzungsetat. Es läßt sich hier gewaltig sparen. Die Betroffenen würden es gern umsonst tun. Sie wären natürlich bereit, wieder auszuziehen und die Wohnung zu räumen, wenn diese wieder in Anspruch genommen werden müßte. Diese Kosten erscheinen uns jedenfalls nicht notwendig. Das ist einer der vielen Punkte aus dem Kapitel: ,,Vermeidbare Härten im Zusammenleben mit der Besatzung". Gerade im Zeichen der gegenwärtigen Forderungen, die man auf dem Gebiete des internationalen Zusammenlebens an uns zu stellen sich anschickt, und unter der dauernden Versicherung der Gleichberechtigung möchten wir diese Frage von neuem durch die Bundesregierung in der geeigneten Form aufgerollt sehen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Zentrumsantrag Nr. 1539 der Drucksachen die Zustimmung zu geben.