Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich, nachdem wir uns im Ausschuß in tagelangen Beratungen über gemeinsame Vorschläge einig geworden waren, nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht in der heutigen Diskussion und nicht zuletzt durch die Ausführungen der Kollegin Kalinke
hier ein Eindruck entstanden wäre, der gerade angesichts der bevorstehenden Weihnacht einer Richtigstellung bedarf. Man sollte doch mit der Zitierung von Weihnachtsglocken und christlicher Grundhaltung ein wenig vorsichtig sein
bei einem Kapitel, das gerade angesichts der derzeitigen politischen Hintergründe und der Erscheinungen, die unter anderem auch der Augsburger Prozeß
wieder deutlich macht, als eine Gefahr für unseren gesamten politischen Kredit erscheint.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß mancher in unserem Volk darüber bedrückt sein wird, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, in dem die Bereitschaft zu einer abschließenden Regelung besteht, hier solche Töne angeschlagen werden, wie es heute geschehen ist,
und daß ein Eindruck erweckt wird, als wenn wir es nötig hätten, uns hier hinzustellen und uns zu ereifern
und Meinungsverschiedenheiten — so hoffe ich — vorzutäuschen, die der Sache nicht würdig sind, um die es geht. Wir haben seit Monaten,
ja, seit Jahren das Gefühl, als wenn man in der Verteidigung selbst einer nazistischen Grundhaltung und in der Verkennung der auch heute noch bestehenden Gefahren, die von seiten einer ganzen Reihe von Naziaktivisten bestehen, doch ein wenig zu weit ginge. Wenn Sie mit Recht gegen einen Schematismus protestieren, den auch wir ablehnen
— und wir haben alle aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt —, vergessen Sie doch bitte nicht — und es tut not, von dieser Tribüne aus darauf hinzuweisen —, daß immer noch Verbrecher im Lande herumlaufen, die sich weder einer Entnazifizierung gestellt haben, noch bereit sind, wirklich Buße zu tun und in sich zu gehen.
— Frau Kalinke, in der Zelle von Landsberg kniet jeden Tag mit Gebeten auf den Lippen einer der größten Mörder, die es jemals in der deutschen Geschichte gegeben hat, Herr Oswald Pohl, der mit vollem Recht wegen seiner Verbrechen und wegen der Verantwortung, die für diese Verbrechen trägt, zum Tode verurteilt worden ist. Dieser Mann hat plötzlich mit den Lippen Christus wiedergefunden. Und wenn Sie mit ihm sprechen würden - ich habe Berichte über sein Verhalten -, würden Sie
angerührt sein von einem solchen Maß von angeblicher Reue. Wenn Sie auf der anderen Seite wüßten, wie er als Chef des SS-Verwaltungshauptamtes beim SS-Reichssicherheitshauptamt mit einer Kaltblütigkeit ohnegleichen Todesurteile über Zehntausende verhängt hat, wenn Sie wüßten, in welchem Umfange dieser Mann für die scheußlichen Verbrechen verantwortlich ist, die in den Lagern begangen worden sind
— ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie ihn schützen —, dann würden Sie ein wenig vorsichtig sein in der auch hier wieder generalisierenden Einstellung für Leute, die durch die Entnazifizierung getroffen worden sind oder nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich, Frau Kollegin Kalinke, würden auch wir Wert darauf legen, daß wir Frieden hier bei uns haben, auch im Innern. Aber ich weiß nicht, ob es dem Frieden und dem von Ihnen als einer Friedensvertreterin hier geäußerten Geist entspricht, wenn Sie im Berliner Wahlkampf die Sozialdemokraten in der bei Ihnen beliebten klaren Ausdrucksweise als eine „rote Meute" bezeichnet haben,
Wir finden, solche Termini sollten Ihnen ferne liegen! Wir finden auch, daß die Deutsche Partei in Berlin mindestens bei einer Wahlversammlung nicht den Ton an den Tag gelegt hat, der notwendig wäre,
um nach sachlichen Gesichtspunkten den Wahlkampf zu bestreiten.
Ich will abschließend nur eines sagen. Der Ausschuß hat sich die Mühe gemacht, einen Vorschlag zu unterbreiten, der die allgemeine Zustimmung fand. Wir sollten jetzt nicht an einzelnen Formulierungen herummäkeln, sondern sollten uns darüber klar sein, daß dieser Vorschlag nach innen und außen geeignet erscheint, eine politische Manifestation des Bundestages zu sein, der wir zustimmen müssen.