Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der rechtlichen Beurteilung ist es angesichts des Inhaltes des Grundgesetzes bedauerlicherweise zumindest höchst zweifelhaft, ob der Bund für den Abschluß dieser Angelegenheit zuständig ist. Jedenfalls kann man der Argumentation derjenigen, die auf dem Standpunkt stehen, daß diese Zuständigkeit ganz offenbar nicht gegeben ist, nichts absolut Überzeugendes entgegensetzen, außer daß der Natur der Sache nach. weil das Nazitum das Totalitärste und Zentralisierteste war, was es gab, seine Folgen auch nur totalitär und zentralisiert aufgehoben werden können. Da außer diesem allgemeinen Gesichtspunkt rechtlich kaum etwas vorzubringen ist, muß sieh der Bundestag in dieser Angelegenheit, die Deutsche aller Regionen, Länder und Schichten angeht, mit Empfehlungen begnügen.
Daß meiner Partei, die im Interesse des Aufbaus einer neuen und hoffentlich besseren Demokratie
diese ganze Entnazifizierungssache von Anfang an für einen Bruch des Systems gehalten hat, die Vorschläge nicht weit genug gehen, daß wir es lieber sähen, wenn diejenigen der FDP angenommen würden, bedarf keiner näheren Ausführungen. Wir sind nur der Meinung, daß die Dinge jetzt mittlerweile so lange hinausgezögert sind, daß es wichtig ist, daß überhaupt etwas geschieht, daß es unwichtig ist, was im einzelnen hier empfohlen wird.
Nur in einem Punkt bittet meine Fraktion um Ihre geschätzteste Aufmerksamkeit; ein Punkt, der meines Erachtens vergessen ist, was nicht wunder nehmen kann, da sowohl der Herr Ausschußvorstzende, der jetzige Ministerpräsident Zinn, als auch der Berichterstatter, Herr Professor Dr. Brill, beide aus der amerikanischen Zone stammen. Meine Fraktion stammt ausschließlich aus der britischen Zone. Zu Ziffer II des Beschlusses. wo es sich um die strafrechtliche Abwicklung der Dinge handelt, wo insbesondere mit Recht herausgestellt wird, daß durch diese Beschlüsse niemals der einzelne Verbrecher geschützt werden soll. darf ich bemerken. daß dort leider das Wesentlichste aus unserer Zone übersehen ist. Es handelt sich um die Verfahren der sogenannten Spruchgerichte, unter denen sich ein Mitbürger der französischen und amerikanischen Zone überhaupt nichts vorstellen kann, die aber bei uns seit etwa 1947 -- ich muß es so ausdrücken -- ihr Unwesen getrieben haben. Es handelt sich dabei um die Durchführung des ersten großen Generalurteils aus Nürnberg, in dem bekanntlich, was bisher im Strafrecht neu war, ganze Organisationen für verbrecherisch erklärt wurden, wobei dann dem Einzelverfahren vorbehalten blieb, diese Konsequenz des Urteils zu ziehen. Sie ist in den anderen Zonen im Rahmen des hier unter I behandelten Entnazifizierungsverfahrens gezogen, indem man dort die Gelegenheit hatte, Internierungshaft zu bestimmen, was es in der britischen Zone nicht gab; sondern in der britischen Zone haben diejenigen, die diesen Organisationen angehörten, nun jedenfalls zwei Verfahren zu durchlaufen. Einmal erledigte sich vor den Spruchgerichten die Frage: Gehörtest du in Kenntnis des verbrecherischen Charakters einer Organisation an? Dann kam das Entnazifizierungsverfahren. Drittens kam, wenn sie persönlich eines Verbrechens verdächtig waren, außerdem ein zweites Strafverfahren wegen dieses Verbrechens. Eine Justizmethode, die jedenfalls mit dem „ne bis in idem" nichts zu tun hat, d. h. mit dem Grundsatz, nicht zweimal in derselben Sache ein Verfahren gegen denselben Täter anzustrengen, sondern eine Justizmethode. die eben die Rechtslage der britischen Zone völlig von der der anderen Zonen abhebt. Gerade wenn wir hier Rechtsgleichheit herbeiführen wollen, ist das sehr wesentlich.
Nun wird im ersten Satz von Teil II des Beschlusses des Ausschusses folgendes gesagt:
Die Beendigung der Entnazifizierung soll die Periode der schematischen Bewertung ganzer Personengruppen wegen ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen oder Einrichtungen der nationalsozialistischen Herrschaft abschließen.
Ich kann dazu nur sagen: Bravo, das ist in der Tat der Zweck!
- Lassen Sie doch die Unterbrechung. ich kann
darauf nicht eingehen. Lassen Sie mich sagen, was
ich sagen will und sagen Sie, was Sie sagen wollen.
Fragen kann ich in der kurzen Redezeit nicht beantworten.
Der verlesene Satz hat unseren vollen Beifall. Wir bitten Sie nun, diese unglückseligen Opfer der Spruchgerichte, die in den Srafrechtsabschnitt über Kollektivjustiz hierhingehören, nicht ganz zu vergessen und daher diesem ersten Satz von II: „Die Beendigung der Entnazifizierung soll .... abschließen" den folgenden Satz mit einem Komma anzuhängen:
sich insbesondere auch auf Personen beziehen, die in der früheren britischen Zone durch die Spruchgerichte allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer im Nürnberger Urteil als verbrecherisch bezeichneten Organisation mit Strafe belegt wurden.
Wir bitten Sie, diesen mit Komma anzuschließenden letzten Halbsatz dem ersten Satz anzuschließen. Die Frage des Rechtes dieser Personen ist doppelgesichtig. Einmal steht das Gnadenrecht natürlich den Ländern der britischen Zone zu. Aber nun sind das nach dem Recht der britischen Zone strafbare Handlungen gewesen, die ins Strafregister eingetragen werden. Sie würden den Mann zeitlebens belasten. Das gibt es sonst im ganzen Entnazifizierungsrecht nicht. Die Löschung im Strafregister herbeizuführen, wäre wohl Sache des Bundes. Heute handelt es sich aber nur darum. daß wir vom Bundestag erklären, wir wollen auch mit diesen Spruchgerichtsverfahren nichts mehr zu tun haben, weil sie ein unmittelbarer Ausdruck des Entnazifizierungsverfahrens, dieses Mal in rein strafrechtlicher Form, waren. Ich hoffe. daß die Abgeordneten, die nicht der britischen Zone angehören, diese etwas komplizierten Dinge verstanden haben. Wir bitten Sie also, in II den von mir verlesenen letzten Halbsatz dem ersten Satz anzuschließen.