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ID0110801400

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    Deutscher Bundestag — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950 4057 108. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950. Geschäftliche Mitteilungen 4058D, 4107A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Diskonterhöhung der Bank deutscher Länder (Nr. 1591 der Drucksachen) 4058D Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . . 4059A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 4061B Kalbitzer (SPD) 4061D Scharnberg (CDU) 4063A Dr. Preusker (FDP) 4064C Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) betr. Entnazifizierung (Nrn. 13, 27, 97, 99, 482, 609, 1057, 1658 der Drucksachen) 4065A Dr. Hammer (FDP) 4065A Ewers (DP) 4065D von Thadden (DRP) 4066D Mehs (CDU) 4067B Dr. Brill (SPD): als Abgeordneter 4067C als Berichterstatter 4069B Gundelach (KPD) 4068A Dr. Oellers (FDP) 4068A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4068B Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 4068D Kunze (CDU) 4069C Frau Kalinke (DP) 4069D Jacobi (SPD) 4070B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Versorgung mit Zucker und Brot (Nr. 1697 der Drucksachen) 4072A Kriedemann (SPD), Antragsteller . 4072A, C Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau (Nr. 1676 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau (Nr. 1705 der Drucksachen) sowie in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Beschlagnahme von Wohnungen durch die Besatzungsmächte (Nr. 1539 der Drucksachen) und der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Wohnraum des sozialen Wohnungsbaues (Nr. 1552 der Drucksachen) . 4072D, 4077C Lücke (CDU), Interpellant und Antragsteller 4073A Dr. Reismann (Z), Antragsteller . . 4077D Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 4078D, 4087D Stierle (SPD) 4079D Wirths (FDP) 4082A Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 4083B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 4084A Huth (CDU) 4086A Hoecker (SPD) 4086D Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen für die schaffende, lernende und arbeitslose Jugend (Nr. 1535 der Drucksachen) . . . 4089A Gaul (FDP) 4089A Kohl (Stuttgart) (KPD) 4089B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Fink u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes und den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf zur Änderung des Heilpraktikergesetzes (Nrn. 1503, 796, 935 der Drucksachen) 4089C Pohle (SPD), Berichterstatter . . . 4089C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Verhandlungen wegen einer Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UN (Nr. 1583 der Druck- sachen) 4090D Frau Wessel (Z), Antragstellerin . 4090D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erhöhung von Unterstützungssätzen (Nr. 1434 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. einmalige Winterbeihilfe (Nr. 1470 der Drucksachen) 4093A Harig (KPD), Antragsteller 4093A Sabel (CDU) 4094A Pohle (SPD) 4094D Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit 4095D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Innerdeutscher Handelsvertrag (Nr. 1551 der Drucksachen) 4096B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 4096B Kohl (Stuttgart) (KPD) 4096C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 1620 der Drucksachen) 4096D Beratung des Antrags der Abg. Strauß u. Gen. betr. Einstellung der Demontage des Ofenhauses III bei den Aluminiumwerken in Töging/ Bayern (Nr. 1627 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Demontage des Hochofens V in Watenstedt-Salzgitter (Nr. 1704 der Drucksachen) sowie in Verbindung mit der Beratung des Ergänzungsantrags der Fraktion der SPD zu Drucksache Nr. 1704 betr. Demontage der 10 000-Tonnen-Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins 4096D, 4097A, C Kahn (CSU), Antragsteller 4097A Bielig (SPD), Antragsteller 4097B Keuning (SPD), Antragsteller . . . 4097D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 4098D Wönner (SPD) 4099B Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Maßnahmen für Kriegssachgeschädigte (Nr. 1648 der Drucksachen) 4100C Dr. Reismann (Z), Antragsteller 4100C, 4103B Dr. Decker (BP) 4101B Frau Nadig (SPD) 4101C Kunze (CDU) 4102A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4102B, 4103D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Bearbeitung von Schadensfällen von Besatzungsverdrängten (Nr. 1660 der Drucksachen) 4104C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 4104C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministreium der Finanzen . 4105B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 1611 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) (Nr. 1708 der Drucksachen) . . . . 4105D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 4105D Paul (Düsseldorf) (KPD) 4106D Beratung der Übersicht Nr. 12 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 30) 4107A Kahn (CSU) 4107A Beratung der Übersicht Nr. 13 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umruck Nr. 34) . . 4107C Anfrage Nr. 131 der Fraktion des Zentrums betr. Erhöhung der Mindestreservatsätze durch den Zentralbankrat (Nrn. 1538 und 1714 der Drucksachen) 4107C Rückblick auf das Jahr 1950 und Weihnachts- und Neujahrswünsche des Präsidenten Dr. Ehlers 4107C Nächste Sitzung 4107D Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Hellmut Kalbitzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Daß Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium diese Frage beantwortet, deutet wohl darauf hin, daß die Bundesregierung damit sagen will, diese Fragen der zentralen Wirtschaftspolitik seien von dem Finanzministerium zu bearbeiten, ein Punkt, mit dem sich dieses Hohe Haus in Zukunft auch noch bei der Frage der Koordinierung der Wirtschaftspolitik wird zu beschäftigen haben.
    Ich entnehme im übrigen den Ausführungen des Herrn Hartmann, daß die Bundesregierung sich also doch im Stande erklärt, über die Frage des Diskontsatzes von sich aus zu entscheiden, und in diesem Falle die Omnipotenz der Bank deutscher Länder nicht anerkennt.
    Nun zu der Frage der Diskonterhöhung und ihrer wirtschaftspolitischen Berechtigung selbst. Von Herrn Bertram ist schon — allerdings recht ausführlich — über die Konzeption in dieser Frage gesprochen worden. Lassen Sie mich nur einige politische Bemerkungen machen. Die deutsche Devisenklemme hat sowohl außenpolitische Ursachen, die nicht in der Kompetenz unserer Regierung liegen, als aber auch eigene deutsche Ursachen. Eine der wesentlichsten ist die, daß man im Frühjahr dieses Jahres daran ging, die deutschen Vor-


    (Kalbitzer)

    räte ganz wesentlich abzubauen — vor allem auf dem Agrarsektor —, offenbar mit dem Hintergedanken, damit die Preise für Agrarprodukte durch Knappheit im Inland wesentlich zu stützen.
    Als im Herbst dieses Jahres als Folge des Koreakonfliktes unsere Devisenwirtschaft in Schwierigkeiten kam, erinnerte man sich nur des klassischen Mittels der Diskonterhöhung zur Drosselung des Importes. Dieses klassische Mittel hat versagt und mußte versagen, weil die Voraussetzung eine Illusion war, die Voraussetzung nämlich, die Herr Professor Erhard macht, daß wir in einer sogenannten freien Marktwirtschaft lebten. Wir leben nicht in einer solchen, sondern sind — real gesehen — in dem Zustand einer völlig verzerrten Nachkriegswirtschaft, auf die die Lehrbuchsätze von der Importdrosselung durch Diskonterhöhung nicht anwendbar sind. Das Lehrbuch hat versagt, und die Importdrosselung ist nicht durch die Diskonterhöhung erreicht worden, sondern durch ganz andere Mittel, und zwar durch Mittel, die faktisch eine Außerkraftsetzung der Liberalisierung gebracht haben.
    Der augenblickliche Außenhandel ist in dem Teil, in dem man ihn als liberalisiert bezeichnet hat, heute nicht mehr als liberalisiert zu bezeichnen, sondern es ist eine Behördenwirtschaft, die durch keine Rechtsgrundlage gestützt und durch nichts zu kontrollieren ist. Die Folge davon ist, daß uns augenblicklich — sicher nicht mir allein, sondern auch anderen Herren dieses Hauses —Schreiben der Importwirtschaft zugehen, in denen die Importeure uns mitteilen, daß ihnen Importe abgelehnt werden, ohne daß dafür irgendeine Rechtsgrundlage oder wenigstens eine wirtschaftspolitische Konzeption zu entdecken ist. Es bleibt eine Frage, die nicht in diesem Augenblick, aber später zu klären ist, wer die Folgen solcher Importausfälle in Form der Entschädigung zu tragen haben wird. Ich glaube, wenn die Regierung sich hier nicht in der allernächsten Zeit zu klaren Rechtsgrundsätzen durchringt, so wird es zu Schadensersatzklagen in ganz erheblichem Maße kommen.
    Die Methode der Diskonterhöhung hat auf dem Sektor, auf dem sie etwas erreichen sollte, nämlich auf dem der Importdrosselung, nichts erreicht, wohl aber auf einem anderen — und das ist die Gefahr dieser Diskonterhöhung —, nämlich auf dem Sektor der Binnenkonjunktur. Die Importe werden heute nicht durch eine Verteuerung des Geldes gedrosselt, da sie in ihrem übertriebenen Ausmaße in dem, was man gerade abdrosseln will, durch spekulative Momente begründet sind. Spekulative Momente überspingen aber jede Diskonterhöhung. Wir müssen deshalb also augenblicklich der Gefahr entgegensehen, daß die Diskonterhöhung nicht an der Stelle wirksam wird, für die sie angeblich gedacht ist, nämlich auf dem Außenwirtschaftsmarkt, sondern daß sie wirksam wird in der Binnenwirtschaft, in der Drosselung der Konjunktur, insbesondere in der völligen Drosselung der inneren Bauwirtschaft und in der Drosselung aller derjenigen Wirtschaftsteile, die sich in Krisenzuständen bzw. — worauf ich besonders hinweisen möchte -- in Krisengebieten wie Norddeutschland und Ostbayern befinden; denn gerade Krisengebiete und Krisenindustrien sind natürlich gegen Diskonterhöhung viel verletzlicher als andere Wirtschaftszweige und -gebiete, in denen eine volle Blüte zu verzeichnen ist, so daß wir also hiermit binnenwirtschaftlich eine Verschärfung der Gegensätze erreichen und nicht das, was wir erreichen müßten.
    Dann zum nächsten Punkte, wie es zu dieser Diskonterhöhung eigentlich gekommen ist. Dazu muß ich sagen, daß man offiziell überhaupt nicht unterrichtet wurde. Selbst der vertrauliche Außenhandelsbeirat des Bundestages hat nicht die Möglichkeit gehabt, von dem Direktor der Bank deutscher Länder, Herrn Vocke, orientiert zu werden. Herr Vocke hat es ausdrücklich abgelehnt, zu einer vertraulichen Aussprache vor Mitgliedern des Bundestages zu erscheinen.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! bei der SPD.)

    Er hat sich da auf formalrechtliche Gründe zurückgezogen, die ihm formal nicht zu bestreiten sind, die aber de facto und realpolitisch gesehen eine Provokation dieses Hauses darstellen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Denn es erscheint mir unerläßlich, daß jemand, der faktisch wesentlichen Einfluß auf die deutsche Wirtschaftspolitik nimmt, auch verpflichtet ist, vor dem Parlament zu erscheinen und, wenn er glaubt, daß es vertrauliche Dinge sind, mindestens in vertraulicher Aussprache hier Rede und Antwort zu stehen. Was Herr Vocke hinterher getan hat, vor einigen Wirtschaftsleuten der Koalitionsparteien zu sprechen, ersetzt in keinem Fall seine Pflicht, vor dem Parlament bzw. einem Ausschuß des Parlaments im ganzen zu erscheinen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Daß er mit der Koalition einer Meinung war, muß ihm natürlich unterstellt werden. Von der Bank deutscher Länder hieß es bisher — von Herrn Hartmann sind wir eben offenbar eines anderen belehrt worden —, sie sei autonom in ihrer Entscheidung, sei also eine Schattenregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet, die von sich aus die weitesttragenden Entscheidungen fällen könne. Das kann natürlich nicht so weitergehen, und ein Notenbankgesetz ist außerordentlich dringend erforderlich. Ich befinde mich hier in angenehmer Gesellschaft mit Herrn Adenauer, der das ja auch anscheinend fordert, aber aus mir nicht bekannten Gründen doch nicht zu Realitäten durchgestoßen ist.
    Wie kam es zur Diskonterhöhung? Die Bank deutscher Länder hat eben nach der klassischen Methode unter illusionären Vorstellungen von der freien Marktwirtschaft diese Diskonterhöhung beschlossen, wobei man ihr allerdings zugute halten muß, daß sie zu diesem Mittel gegriffen hat, da das Wirtschaftsministerium von sich aus überhaupt nichts tat, um die Devisenkrise zu überwinden. Nun, Herr Erhard hat dieser Diskonterhöhung meines Wissens von sich aus zugestimmt. Herr Schäffer, für den ja wohl Herr Staatssekretär Hartmann eben sprach, hat dieser Diskonterhöhung allerdings widersprochen, und zwar meines Wissens mit der Begründung, daß er es nötig habe, billige Anleihen zu bekommen, und Herr Adenauer selber hat dem auch widersprochen, und zwar mit einem recht bemerkenswerten Argument, nämlich daß Herr Pferdmenges ihm von einer Diskonterhöhung abgeraten habe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Da Herr Pferdmenges Mitglied dieses Hauses ist, wäre es zweckmäßiger, er würde sich nicht nur als Dhrenflüsterer betätigen, sondern von der Tribüne dieses Hauses seine Meinung einmal offen vortragen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    damit man von denjenigen, die hier in Deutschland weitgehend die Wirtschaftspolitik machen oder
    zu machen versuchen, offen ihre Meinung hört und


    (Kalbitzer)

    damit man in offener Aussprache hier klären kann, was Sache ist.
    Zum Schluß möchte ich mich noch einmal ausdrücklich vor allem gegen die Methode verwahren, die Herr Vocke hier angewandt hat, nämlich nicht vor dem Ausschuß des Parlaments zu erscheinen und sich auf formalrechtliche Ablehnungsgründe zurückzuziehen. Ich meine, so etwas muß den Sinn einer parlamentarischen Demokratie abtöten, wenn jemand, der sich einerseits anmaßt, die Wirtschaftspolitik des Bundes wesentlich zu bestimmen, es andererseits nicht für nötig hält, sich offener Aussprache und offener Kritik zu stellen.
    Wir unterstützen den Antrag der Zentrumspartei, den Diskontsatz schnellstens wieder zu senken, da seine Erhöhung dort, wo sie Erfolg haben sollte, nämlich im Außenhandel, offenbar versagt und dort, wo sie sinnwidrig ist, nämlich in der Binnenwirtschaft, auf die Dauer verheerende Folgen haben muß. Ich bitte, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und unter Umständen auch dem Finanzausschuß zu überweisen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.

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    Rede von Hugo Scharnberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mittel, mit denen Geldmarktpolitik gemacht wird, sind, wie mir scheint, so umstritten und auch so schwierig, daß sie sich wenig für eine Diskussion hier im Plenum eignen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Herr Bertram hat an Hand seines Antrages einen Spaziergang durch die ganze Wirtschaftspolitik gemacht. Wenn auch die Geldpolitik einen entscheidenden Faktor für die Wirtschaftspolitik darstellt, so möchte ich ihm doch auf diesem Spaziergang nicht weiter folgen, sondern mich lediglich auf die Frage beschränken, die in dem vorliegenden Antrag zur Diskussion gestellt ist.
    Aufgabe einer Notenbank ist es, die in Umlauf befindliche Menge an Noten und Giralgeld den jeweiligen Bedürfnissen der Wirtschaft anzupassen. Dabei besteht die Aufgabe darin, einerseits das Auf und Nieder von Konjunktur und Depression abzuflachen und andererseits die Binnenkonjunktur derart zu regulieren, daß die Zahlungsbilanz in Ordnung bleibt. Die Mittel, die der Notenbank zu diesem Zweck zur Verfügung stehen, sind: Diskontpolitik, Mindestreserven, Kreditrestriktion und Offen-Markt-Politik. In welchem Umfange diese Mittel eingesetzt werden, ist ausschließlich der Ermessensentscheidung des Zentralbankrats überlassen, so daß weder die Regierung noch wir irgendeine Zuständigkeit auf diesem Gebiet haben. Unsere Aufgabe wird es zu gegebener Zeit sein, lediglich im Rahmen des Notenbankgesetzes, das uns ja demnächst vorgelegt wird, die Rahmenvorschriften festzulegen, nach denen die Notenbankpolitik erfolgt, und ich stimme mit Herrn Bertram darin vollkommen überein, daß dieser Gesetzentwurf über die Notenbank außerordentlich wichtig und dringlich ist. Wir werden bei der Gelegenheit dann auch die Frage zu behandeln haben, die hier angeschnitten ist, ob die Notenbank autonom oder abhängig sein soll, ob sie zentral oder dezentral gesteuert werden soll.
    Das im breiten Publikum am meisten bekannte Mittel der Geldmarktpolitik ist der Diskont; wird doch von ihm jeder, der einen Bankkredit genommen hat, irgendwie unmittelbar betroffen. Das bedeutet aber noch nicht, daß es das wirksamste Mittel ist. Die Wirkung der Diskontpolitik war früher, als wir und alle europäischen Länder noch eine freie Devisenwirtschaft hatten, so, daß bei einer Erhöhung des Diskontsatzes ausländisches Geld hereinströmte und bei einer Ermäßigung des Diskontsatzes der Strom umgekehrt ging. Das führte dann bei einer Erhöhung des Diskontsatzes jeweils zu der gewünschten Verflüssigung des Geldmarktes, während die Ermäßigung umgekehrt wirkte.
    Neben dieser Wirkung der Diskontpolitik tritt noch eine weitere Wirkung auf die inländischen Märkte ein, indem durch Verteuerung der Bankkredite das Durchhalten von Lägern vielfach unrentabel wird und die Unternehmer so gezwungen werden, ihre Läger derart zu verkleinern, daß sie keinen oder zumindest weniger Bankkredit in Anspruch zu nehmen brauchen.
    Die erstere Wirkung ist, solange die Devisenbewirtschaftung besteht, nicht vorhanden; sie ist aber die weitaus gewichtigere. Die Diskontpolitik hat heute — und darin will ich Herrn Bertram auch durchaus recht geben — nur noch eine recht begrenzte Auswirkung, und zwar deshalb, weil das System der Relativierung zu den ausländischen Diskontsätzen außer Funktion ist. Wir könnten deswegen auf dem Gebiet des Diskonts grundsätzlich ein völliges Eigenleben führen; denn die Höhe des Durchschnitts- oder Normalsatzes ist infolge der Unabhängigkeit von den ausländischen Geldmärkten geldpolitisch unwichtig geworden. Wichtig ist nur, um eine zu wild wachsende Konjunktur oder einen zu intensiven Import abzustoppen, mit dem Diskontsatz heraufzugehen oder in Zeiten der Depression oder wenn es die Zahlungsbilanz mit dem Ausland zuläßt, mit dem Diskontsatz unter den Normalsatz zu gehen.
    Unser Normalsatz war 4 %. Die Frage ist, ob man ihn nicht niedriger hätte bemessen können. Ich persönlich habe seit jeher den Standpunkt vertreten, daß man ruhig auf 3 % hätte gehen können; denn die unter so erschwerten Bedingungen arbeitende deutsche Wirtschaft sollte so billig wie möglich mit Kredit versorgt werden.

    (Abg. Kalbitzer: Sehr richtig!)

    Eine andere Frage aber ist es, ob die Erhöhung von 4 °/o auf 6 °/o richtig war oder nicht. Sie ist zunächst einmal im Rahmen einer Reihe von anderen kreditrestriktiven Maßnahmen zu sehen, die von der Notenbank getroffen sind; sie ist auch unter ihren psychologischen Auswirkungen zu betrachten. Als sich der Zentralbankrat zu den bekannten drastischen Maßnahmen, worunter auch die Diskonterhöhung fiel, entschloß, hat die deutsche Öffentlichkeit diese Maßnahmen zunächst durchweg oder überwiegend negativ kritisiert. Nachdem man durch das Bekanntwerden der Ziffern aus unserer Zahlungsbilanz und des Gutachtens der ausländischen Herren Jacobsson und Cairncross über die Entwicklung unserer Devisenlage unterrichtet wurde, ist die Kritik inzwischen meist verstummt. Heute wissen wir, daß wir vor der Alternative standen, entweder die Liberalisierung preiszugeben

    (Abg. Kalbitzer: Die haben wir preisgegeben, Herr Scharnberg!)

    — nein, wir haben sie nicht preisgegeben — oder
    durch drastische Maßnahmen ein übermäßiges Wu-


    (Scharnberg)

    ehern der Inlandskonjunktur abzustoppen; letzteres ist gewiß bedauerlich, - —

    (Abg. Kalbitzer: Bei über einer Million Arbeitsloser haben wir doch kein Überwuchern der Binnenkonjunktur, Herr Scharnberg! Über 1,3 Millionen Arbeitslose!)

    — Wir waren im besten Lauf im Rahmen der internationalen Hochkonjunktur. Es wäre sehr schön, wenn wir an der internationalen Hochkonjunktur noch mehr, als es geschieht, profitieren könnten; es sind uns aber durch unseren Geldbeutel, der nach dem verlorenen Krieg nun einmal klein ist, und durch den dadurch bedingten Devisenengpaß wie auch durch alle möglichen anderen Engpässe in unserer Wirtschaft Grenzen gezogen. Um sie einzuhalten, gibt es als gewissermaßen vorletztes Mittel nur die Einwirkung auf den Geldmarkt. Das letzte Mittel wäre Preisgabe der Liberalisierung; aber diese würde unendlichen Schaden für unsere Wirtschaft herbeiführen. Wie groß dieser Schaden wäre, erkennt man am deutlichsten, wenn man den Erfolg betrachtet, den uns die Liberalisierung gebracht hat. Innerhalb eines Jahres ist unser Außenhandel um 100 % gestiegen, andererseits ist das Außenhandelsdefizit wesentlich gesunken. Es ist klar, daß ein großer Teil dieses Erfolges wieder verloren gehen würde, wenn wir die Liberalisierung opfern.
    Der Herr Kollege Kalbitzer hat den Erfolg der Diskonterhöhung und, wie ich annehme, damit auch der übrigen kreditrestriktiven Maßnahmen bezweifelt.

    (Zuruf des Abg. Kalbitzer.)

    Ich glaube, daß man hierüber noch kein abschließendes Urteil fällen kann, Herr Kalbitzer. Tatsache ist, daß bei den Banken die Kreditzunahme, die seit Mitte August ja außerordentlich stark war, abgestoppt worden ist. Worauf diese Verminderung der Kreditzunahme zurückzuführen ist, ob auf Importkredite oder auf andere Kredite, wie Sie befürchten, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Darüber kann man ein Urteil erst fällen, wenn man sieht, wie sich die Devisenlage nunmehr entwickelt.
    Ich bin mir durchaus im klaren darüber, daß die Höhe des Diskontsatzes für weite Teile der Wirtschaft eine fast nicht mehr tragbare Belastung darstellt, und ich bin mir auch darüber im klaren, daß der Diskontsatz von 6 °/o nicht der Normalsatz werden darf, denn sonst treten die Auswirkungen auch auf dem Kapitalmarkt ein, die von den beiden Herren schon angedeutet worden sind. Wir müssen, sobald die Versorgung unserer Wirtschaft mit Devisen gesichert ist, mit dem Diskontsatz wieder heruntergehen; in diesem Sinne bin ich mit dem Antragsteller durchaus einer Meinung. Ich bin aber im übrigen der Auffassung, wie ich es zu Beginn meiner Ausführungen schon sagte, daß man diese Fragen nicht im Plenum bis in die letzten Einzelheiten behandeln kann; sie sind zu kompliziert und zu sehr auch Ermessensfragen. Deswegen würde ich eine Vertiefung der Diskussion im Ausschuß, wobei auch Vertreter der Bank deutscher Länder hinzugezogen werden können, begrüßen. Ich schlage daher im Gegensatz zu dem Antrag von Herrn Kalbitzer vor, daß dieser Antrag dem zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird.

    (Bravo! rechts.)