Rede von
Hellmut
Kalbitzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Daß Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium diese Frage beantwortet, deutet wohl darauf hin, daß die Bundesregierung damit sagen will, diese Fragen der zentralen Wirtschaftspolitik seien von dem Finanzministerium zu bearbeiten, ein Punkt, mit dem sich dieses Hohe Haus in Zukunft auch noch bei der Frage der Koordinierung der Wirtschaftspolitik wird zu beschäftigen haben.
Ich entnehme im übrigen den Ausführungen des Herrn Hartmann, daß die Bundesregierung sich also doch im Stande erklärt, über die Frage des Diskontsatzes von sich aus zu entscheiden, und in diesem Falle die Omnipotenz der Bank deutscher Länder nicht anerkennt.
Nun zu der Frage der Diskonterhöhung und ihrer wirtschaftspolitischen Berechtigung selbst. Von Herrn Bertram ist schon — allerdings recht ausführlich — über die Konzeption in dieser Frage gesprochen worden. Lassen Sie mich nur einige politische Bemerkungen machen. Die deutsche Devisenklemme hat sowohl außenpolitische Ursachen, die nicht in der Kompetenz unserer Regierung liegen, als aber auch eigene deutsche Ursachen. Eine der wesentlichsten ist die, daß man im Frühjahr dieses Jahres daran ging, die deutschen Vor-
räte ganz wesentlich abzubauen — vor allem auf dem Agrarsektor —, offenbar mit dem Hintergedanken, damit die Preise für Agrarprodukte durch Knappheit im Inland wesentlich zu stützen.
Als im Herbst dieses Jahres als Folge des Koreakonfliktes unsere Devisenwirtschaft in Schwierigkeiten kam, erinnerte man sich nur des klassischen Mittels der Diskonterhöhung zur Drosselung des Importes. Dieses klassische Mittel hat versagt und mußte versagen, weil die Voraussetzung eine Illusion war, die Voraussetzung nämlich, die Herr Professor Erhard macht, daß wir in einer sogenannten freien Marktwirtschaft lebten. Wir leben nicht in einer solchen, sondern sind — real gesehen — in dem Zustand einer völlig verzerrten Nachkriegswirtschaft, auf die die Lehrbuchsätze von der Importdrosselung durch Diskonterhöhung nicht anwendbar sind. Das Lehrbuch hat versagt, und die Importdrosselung ist nicht durch die Diskonterhöhung erreicht worden, sondern durch ganz andere Mittel, und zwar durch Mittel, die faktisch eine Außerkraftsetzung der Liberalisierung gebracht haben.
Der augenblickliche Außenhandel ist in dem Teil, in dem man ihn als liberalisiert bezeichnet hat, heute nicht mehr als liberalisiert zu bezeichnen, sondern es ist eine Behördenwirtschaft, die durch keine Rechtsgrundlage gestützt und durch nichts zu kontrollieren ist. Die Folge davon ist, daß uns augenblicklich — sicher nicht mir allein, sondern auch anderen Herren dieses Hauses —Schreiben der Importwirtschaft zugehen, in denen die Importeure uns mitteilen, daß ihnen Importe abgelehnt werden, ohne daß dafür irgendeine Rechtsgrundlage oder wenigstens eine wirtschaftspolitische Konzeption zu entdecken ist. Es bleibt eine Frage, die nicht in diesem Augenblick, aber später zu klären ist, wer die Folgen solcher Importausfälle in Form der Entschädigung zu tragen haben wird. Ich glaube, wenn die Regierung sich hier nicht in der allernächsten Zeit zu klaren Rechtsgrundsätzen durchringt, so wird es zu Schadensersatzklagen in ganz erheblichem Maße kommen.
Die Methode der Diskonterhöhung hat auf dem Sektor, auf dem sie etwas erreichen sollte, nämlich auf dem der Importdrosselung, nichts erreicht, wohl aber auf einem anderen — und das ist die Gefahr dieser Diskonterhöhung —, nämlich auf dem Sektor der Binnenkonjunktur. Die Importe werden heute nicht durch eine Verteuerung des Geldes gedrosselt, da sie in ihrem übertriebenen Ausmaße in dem, was man gerade abdrosseln will, durch spekulative Momente begründet sind. Spekulative Momente überspingen aber jede Diskonterhöhung. Wir müssen deshalb also augenblicklich der Gefahr entgegensehen, daß die Diskonterhöhung nicht an der Stelle wirksam wird, für die sie angeblich gedacht ist, nämlich auf dem Außenwirtschaftsmarkt, sondern daß sie wirksam wird in der Binnenwirtschaft, in der Drosselung der Konjunktur, insbesondere in der völligen Drosselung der inneren Bauwirtschaft und in der Drosselung aller derjenigen Wirtschaftsteile, die sich in Krisenzuständen bzw. — worauf ich besonders hinweisen möchte -- in Krisengebieten wie Norddeutschland und Ostbayern befinden; denn gerade Krisengebiete und Krisenindustrien sind natürlich gegen Diskonterhöhung viel verletzlicher als andere Wirtschaftszweige und -gebiete, in denen eine volle Blüte zu verzeichnen ist, so daß wir also hiermit binnenwirtschaftlich eine Verschärfung der Gegensätze erreichen und nicht das, was wir erreichen müßten.
Dann zum nächsten Punkte, wie es zu dieser Diskonterhöhung eigentlich gekommen ist. Dazu muß ich sagen, daß man offiziell überhaupt nicht unterrichtet wurde. Selbst der vertrauliche Außenhandelsbeirat des Bundestages hat nicht die Möglichkeit gehabt, von dem Direktor der Bank deutscher Länder, Herrn Vocke, orientiert zu werden. Herr Vocke hat es ausdrücklich abgelehnt, zu einer vertraulichen Aussprache vor Mitgliedern des Bundestages zu erscheinen.
Er hat sich da auf formalrechtliche Gründe zurückgezogen, die ihm formal nicht zu bestreiten sind, die aber de facto und realpolitisch gesehen eine Provokation dieses Hauses darstellen.
Denn es erscheint mir unerläßlich, daß jemand, der faktisch wesentlichen Einfluß auf die deutsche Wirtschaftspolitik nimmt, auch verpflichtet ist, vor dem Parlament zu erscheinen und, wenn er glaubt, daß es vertrauliche Dinge sind, mindestens in vertraulicher Aussprache hier Rede und Antwort zu stehen. Was Herr Vocke hinterher getan hat, vor einigen Wirtschaftsleuten der Koalitionsparteien zu sprechen, ersetzt in keinem Fall seine Pflicht, vor dem Parlament bzw. einem Ausschuß des Parlaments im ganzen zu erscheinen.
Daß er mit der Koalition einer Meinung war, muß ihm natürlich unterstellt werden. Von der Bank deutscher Länder hieß es bisher — von Herrn Hartmann sind wir eben offenbar eines anderen belehrt worden —, sie sei autonom in ihrer Entscheidung, sei also eine Schattenregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet, die von sich aus die weitesttragenden Entscheidungen fällen könne. Das kann natürlich nicht so weitergehen, und ein Notenbankgesetz ist außerordentlich dringend erforderlich. Ich befinde mich hier in angenehmer Gesellschaft mit Herrn Adenauer, der das ja auch anscheinend fordert, aber aus mir nicht bekannten Gründen doch nicht zu Realitäten durchgestoßen ist.
Wie kam es zur Diskonterhöhung? Die Bank deutscher Länder hat eben nach der klassischen Methode unter illusionären Vorstellungen von der freien Marktwirtschaft diese Diskonterhöhung beschlossen, wobei man ihr allerdings zugute halten muß, daß sie zu diesem Mittel gegriffen hat, da das Wirtschaftsministerium von sich aus überhaupt nichts tat, um die Devisenkrise zu überwinden. Nun, Herr Erhard hat dieser Diskonterhöhung meines Wissens von sich aus zugestimmt. Herr Schäffer, für den ja wohl Herr Staatssekretär Hartmann eben sprach, hat dieser Diskonterhöhung allerdings widersprochen, und zwar meines Wissens mit der Begründung, daß er es nötig habe, billige Anleihen zu bekommen, und Herr Adenauer selber hat dem auch widersprochen, und zwar mit einem recht bemerkenswerten Argument, nämlich daß Herr Pferdmenges ihm von einer Diskonterhöhung abgeraten habe.
Da Herr Pferdmenges Mitglied dieses Hauses ist, wäre es zweckmäßiger, er würde sich nicht nur als Dhrenflüsterer betätigen, sondern von der Tribüne dieses Hauses seine Meinung einmal offen vortragen,
damit man von denjenigen, die hier in Deutschland weitgehend die Wirtschaftspolitik machen oder
zu machen versuchen, offen ihre Meinung hört und
damit man in offener Aussprache hier klären kann, was Sache ist.
Zum Schluß möchte ich mich noch einmal ausdrücklich vor allem gegen die Methode verwahren, die Herr Vocke hier angewandt hat, nämlich nicht vor dem Ausschuß des Parlaments zu erscheinen und sich auf formalrechtliche Ablehnungsgründe zurückzuziehen. Ich meine, so etwas muß den Sinn einer parlamentarischen Demokratie abtöten, wenn jemand, der sich einerseits anmaßt, die Wirtschaftspolitik des Bundes wesentlich zu bestimmen, es andererseits nicht für nötig hält, sich offener Aussprache und offener Kritik zu stellen.
Wir unterstützen den Antrag der Zentrumspartei, den Diskontsatz schnellstens wieder zu senken, da seine Erhöhung dort, wo sie Erfolg haben sollte, nämlich im Außenhandel, offenbar versagt und dort, wo sie sinnwidrig ist, nämlich in der Binnenwirtschaft, auf die Dauer verheerende Folgen haben muß. Ich bitte, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und unter Umständen auch dem Finanzausschuß zu überweisen.