Rede von
Gustav
Herbig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 1508 enthält den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1950, dem der Bundesrat bereits seine Zustimmung gegeben und zu dem er Änderungen und Zusätze in Vorschlag gebracht hat. Die Angelegenheit ist nicht weltbewegend und hat auch für das Finanzministerium bestimmt nicht die große Bedeutung wie viele andere ähnliche Vorlagen. Es ist erfreulich, festzustellen, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einmütig die Beschlüsse faßte, die Ihnen vorliegen, und daß auch der Vertreter des Bundesfinanzministeriums diesen Beschlüssen beipflichtete. Im Wesen decken sich die Beschlüsse des Ausschusses mit den Vorschlägen des Bundesrats und werden damit den berechtigten Forderungen der Tabakkleinpflanzer gerecht. Angesichts der Einmütigkeit in den Auffassungen im Bundesrat und im Bundestagsausschuß für Finanz- und Steuerfragen und der Zustimmung des Bundesfinanzministeriums zu den Ergänzungen und Änderungen kann ich mich bei der Begründung auf das Notwendigste beschränken.
Unter Tabakkleinpflanzern sind, zum Unterschied von den gewerblichen Tabakpflanzern, jene zu verstehen, die höchstens 200 Pflanzen und diese nur für den eigenen Bedarf anbauen. Es handelt sich dabei ausschließlich um kleine Leute, Arbeitsunfähige, Rentner, Flüchtlinge, Kriegsbeschädigte und dergleichen, die mit ihren kargen Mitteln sehr haushälterisch umgehen müssen. Für sie bedeuten die Ersparnisse, die sie aus dem selbst angebauten Tabak ziehen, sehr viel.
Daß die Zahl der Tabakkleinpflanzer in Kriegszeiten sehr hoch ist und abfällt, sobald diese Zeiten vorüber sind und Tabak wieder in genügender Menge zu haben ist, ist nur natürlich. Die Legion der Kleinpflanzer ging während des Krieges in die Millionen — vielleicht erinnert sich auch so mancher der verehrten Anwesenden an seine Tabakpflanzervergangenheit — und betrug noch im Erntejahr 1948/49 1 373 433 Personen. Doch die Behauptung des Bundesfinanzministers, daß ihre Zahl im Erntejahr 1949/50 auf 11488, also auf kaum 1 % im Vergleich zum vorhergehenden Jahre, gesunken wäre, muß widerlegt werden; denn diese Zahl wurde von einem einzigen der mehr als 20 lohnverarbeitenden Betriebe bei weitem übertroffen. Auch die unter dem Einfluß der einwandfreien Angaben der Gemeinschaft der Tabakkleinpflanzer vom Bundesfinanzministerium verbesserten Zahlen, die von 23 589 Kleinpflanzern sprechen, stellen nur einen Teil der wirklichen Menge vor. Ermittelt wurde die Zahl durch die bei den Hauptzollämtern bis zum 20. Juli 1950 eingegangenen Meldungen. Berücksichtigt man aber, daß der Aufforderung zur Meldung des Pflanzenbestandes die Bekanntmachung der Oberfinanzpräsidenten vorausging, wonach im Jahre 1950 nur noch 100 Pflanzen steuerfrei sein sollen, und weiter, daß eine Lohnverarbeitung für diesen selbstgepflanzten Tabak in Zukunft wegfallen werde, so hat diese Bekanntmachung einen großen Einfluß auf die Meldungen ausgeübt. Die Kleinpflanzer waren mit Berechtigung über die neuen Verfügungen zuhöchst erbittert und verzichteten lieber auf die dubiosen Vorteile, die ihnen aus der Anmeldung erfließen sollten.
Ja, meinen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß es ganz eigentümlich berührt, wenn man jetzt den Kleinpflanzern jedes Entgegenkommen versagt, wo sie noch vor wenigen Jahren animiert wurden, zur Steuerung der Tabaknot soviel Tabak wie möglich für den Eigenverbrauch anzubauen, um damit den Markt zu entlasten? Und wo bleibt vor allem, meine Damen und Herren, das Verständnis für die Not des kleinen Mannes — um den allein handelt es sich hier —, dessen Kampf um das Dasein sich in Anbetracht der ständig steigenden Preise immer schwieriger gestaltet?
Nachprüfungen haben ergeben, daß die Zahl der Kleinpflanzer noch immer höher ist als 100 000, daß aber die überwiegende Mehrheit von ihnen weniger als 100 Pflanzen — das ist also das steuerfreie Minimum — anbaut. Wenn die Banderolensteuer von 2 DM je Kilogramm nach Angaben des Bundesfinanzministeriums den Betrag von 724 510 DM erbrachte und wenn man die Ernte von 100 Pflanzen mit 6 Kilogramm berechnet, ergibt das allein schon eine Zahl von 60 000 Pflanzern. Auf Grund von Unterlagen der Lohnverarbeitungsbetriebe entfallen aber auf jeden Kleinpflanzer im Durchschnitt nur 60 Pflanzen, mithin nur 3,6 Kilogramm Rohtabak, was allein schon auf eine Zahl mehr als 100 000 Kleinpflanzern schließen läßt.
Die statistischen Unterlagen des Bundesfinanzministeriums stimmen also nicht; und wenn sie stimmten, stellten sie kein Argument dar, den Kleinpflanzern plötzlich so unfreundlich zu begegnen. Insbesondere mutet es sonderbar an, wenn das Bundesfinanzministerium sich in dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1508 bereit erklärt, die Steuervergünstigungen für die Kleinpflanzer auch im Erntejahr 1950 zu gewähren, aber zugleich die Fermentierung des Rohtabaks in Lohnverarbeitungsbetrieben untersagt. Ja, man gibt den Kleinpflanzern einen amtlichen Leitfaden für die Hausfermentierung in die Hand. Was soll damit gewonnen werden? Die amtlich gemeldete und kontrollierbare Rohtabakernte soll der fachmännischen Veredelung entzogen werden, wodurch eine große Zahl von Verarbeitungsbetrieben um die Beschäftigung und der Bund um die Banderolensteuer kommt. Es ist erwiesen, daß z. B. im größten Veredelungsbetrieb nicht weniger als 150 Beschäftigte von dem Verbot betroffen würden.
Unbeachtet lasse ich dabei die Frage, ob überhaupt eine Berechtigung besteht, den Lohnverarbeitungsbetrieben die Veredelung des Kleinpflanzer-Rohtabaks zu verbieten. Nach den Gutachten bedeutender Universitätsprofessoren besteht diese Berechtigung nicht. Es wäre sogar noch zu untersuchen, ob ein solches Verbot nicht in Widerspruch zu Art. 19 des Grundgesetzes steht. Gegen den Vorwurf des Bundesfinanzministeriums, bei den Lohnverarbeitungsbetrieben seien Unregelmäßigkeiten bei der Verarbeitung und beim Umtausch von Kleinpflanzer-Rohtabak festgestellt worden, verwahren sich die Beschuldigten mit Recht auf das entschiedenste. Unregelmäßigkeiten kommen überall und zu allen Zeiten vor. Davon sind auch staatliche Behörden nicht ausgenommen. Es geht nur noch um den Umfang. Die Andeutung, daß es sich bei dem abgelieferten Tabak um schwarze Bestände handele, ist durch nichts erhärtet und hat bereits den einmütigen Protest der Beschäftigten in den angezogenen Betrieben ausgelöst. Die Behauptung steht auch im Widerspruch zu der auch vom Bundesfinanzministerium zugegebenen Tatsache, daß kein Gramm Rohtabak in die Fabriken aufgenommen wird, ohne registriert worden zu sein. Der gewichtigste Grund, der gegen die unfachmännische Fermentierung des Rohtabaks im Hause spricht, ist der, daß damit dem Raucher solchen Tabaks schwere gesundheitliche Schäden zugefügt werden, die umso bedeutender und verheerender sind, als es sich um ein langsam wirkendes Gift handelt. Was würden aber erst jene, die die fachmännische Fermentierung des Kleinpflanzertabaks verunmöglichen wollen, dazu sagen, wenn ihre Geruchsnerven, so wie anno dazumal, von den höchst unangenehmen Gerüchen mangelhaft fermentierten Tabaks belästigt würden? Eine
Probevorführung hier im Bundeshaus würde meine Befürchtung erhärten und wahrscheinlich die meisten Gegner bekehren. Auch der finanzielle Effekt beim Wegfall der bisherigen Steuervergünstigungen für Tabakkleinpflanzer wäre unwesentlich und stünde in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Schäden.
Es ist aber natürlich, daß man sich gewissen Einwendungen und Forderungen des Bundesfinanzministeriums nicht verschließen konnte. In dem vom Bundesrat empfohlenen, Ihnen vorliegenden eingeschobenen § 2 a wurde die Einschränkung aufgenommen, daß der zur Lohnverarbeitung abgelieferte Kleinpflanzertabak nur in Rauchtabak Feinschnitt und Pfeifentabak — umgetauscht werden kann. Da noch im vorigen Jahr von den mehr als 1 373 000 Kleinpflanzern der Rohtabak in Zigaretten nur zu einem Vierundsechzigstel umgetauscht wurde — d. h. daß von 164 000 kg abgeliefertem Rohtabak nur 1 000 000 Zigaretten gleich 1000 kg verlangt wurden —, hat der Finanzausschuß auf Ersuchen des Bundesfinanzministeriums in seine Beschlüsse aufgenommen, vom Umtausch in Zigaretten Abstand zu nehmen. Dem Bundesfinanzministerium wird dadurch der Neudruck von Banderolen und die gesonderte Verrechnung erspart. Zum Trost der Zigarettenraucher unter den Kleintabakspflanzern kann aber gesagt werden, daß die Durchführungsbestimmungen des Bundesfinanzministeriums nach den uns gemachten Zusicherungen keineswegs schwere Drohungen gegen die Veredelungsbetriebe enthalten werden, sondern daß ein leidenschaftlicher Zigarettenraucher statt des Feinschnitts auch Zigaretten soll eintauschen können.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt Ihnen, den vorliegenden Gesetzentwurf mit den folgenden Änderungen anzunehmen, wobei man natürlich kleine Schönheitsfehler mit in Kauf nehmen muß. Das Gesetz würde also nach unseren Vorschlägen lauten:
§§ 1 und 2 des Gesetzes bleiben unverändert. Es soll ein § 2 a eingeschaltet werden:
Die Lohnverarbeitung von Kleinpflanzertabak zu Rauchtabak und der Umtausch in Rauchtabak bei angemeldeten Herstellern oder bei von Herstellern beauftragten, zollamtlich angemeldeten Sammelstellen ist zugelassen. Der im Lohn hergestellte oder eingetauschte Rauchtabak wird zu ermäßigten Kleinverkaufspreisen und ermäßigten Steuersätzen abgegeben. Die näheren Durchführungsverordnungen erläßt der Bundesminister der Finanzen.
Der § 3 soll eine kleine Änderung erfahren: Der Tabakpflanzer hat, auch wenn er weniger als 100 Pflanzen angebaut hat, binnen zwei Wochen nach Verkündung des Gesetzes das im Erntejahr 1950 bebaute Grundstück und die Zahl der von ihm gesetzten Pflanzen bei dem Bürgermeister der Gemeinde anzumelden, in deren Gebiet er seinen Wohnsitz hat.
Der § 4 bleibt unverändert. — § 5 spricht über die Steueraufsicht:
Der Tabakpflanzer unterliegt der Steueraufsicht. Insbesondere hat er den mit der Wahrnehmung der Steueraufsicht betrauten Personen den Zutritt zu seinem Besitz zu gestatten. § 195 der Reichsabgabenordnung gilt entsprechend.
Die §§ 6 bis 9 bleiben nach unseren Vorschlägen unverändert.
Meine Damen und Herren, da der Gesetzentwurf vom Bundesrat mit kleinen Änderungen und vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einstimmig gutgeheißen wurde, da weiter das Gesetz zum Kehraus des Jahres 1950 gehört und eine bescheidene Weihnachtsgabe an die 100 000 Kleinpflanzer vorstellt, bitte ich Sie, dem Entwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung Ihre Zustimmung zu geben.