Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in der Frage der Organisation auch die Leistungen für die Rentenempfänger enthalten wären, dann könnten wir uns über die zweckmäßigste Organisationsform mit Recht streiten. Ich bedaure sehr, daß man sich über die Frage, ob zentrale Organisationsform oder dezentrale Organisationsform bei der Rentenversicherung noch unterhält. So gut wie mein Vorredner behauptet, daß die zentrale Organisationsform in der Angestelltenversicherung sich in der Vergangenheit bewährt hat, so gut kann ich behaupten und an Hand der statistischen Unterlagen beweisen, daß sich die dezentrale Organisationsform bei der Arbeiterrentenversicherung, der Invalidenversicherung bewährt hat. Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß es zweckmäßiger ist, wenn man in dieser Frage dezentralisiert. Das hat in der Vergangenheit das Jahr 1945 bewiesen. Die Landesversicherungsanstalten für die Invalidenversicherungen haben über den 8. Mai hinaus ohne Unterbrechungen innerhalb des westdeutschen Gebietes die Renten weiterzahlen können. Die Reichsanstalt für Angestelltenversicherung war nicht mehr da. Die Mittel waren in Berlin blockiert. Es waren die Landesversicherungsanstalten der Arbeiter — das möchte ich doch hier in aller Deutlichkeit betonen, und ich bin stolz darauf, daß sie es gemacht haben —, die damals die Mittel zur Verfügung gestellt haben, bis die Länder intakt waren und bis sich alles Weitere entwickelt hatte. Deshalb heiße ich es nicht gut, wenn man jetzt bei der Frage, ob wieder eine neue Anstalt für die Angestelltenversicherung in Funktion treten soll, eine gewisse Tendenz gegen die Landesversicherungsanstalten entwickelt, wie dies unzweifelhaft in dieser Drucksache Nr. 1609 Ziffer 5 durch die Fragen zum Ausdruck kommt und wie dies viel deutlicher und in sehr bedauerlicher Form durch die Ausführungen der Frau Kalinke hier geschehen ist.
Hier in Ziffer 1 heißt es: die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unverzüglich wieder geschäftsfähig zu machen. Ich kenne noch keine Bundesanstalt, ich kenne nur die Reichsanstalt, und ich stimme der Frau Kalinke zu, wenn sie sagt, die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte bestehe de jure noch. Eine Bundesanstalt ist noch von keinem Organ des Bundes beschlossen worden. Es ist auch sehr eingehend zu überlegen, ob das klug wäre. Denn in der Ostzone sind Tausende von Ren-
tenempfängern, die gegenüber der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte auf Grund jahrelanger Beitragsleistungen berechtigte Ansprüche haben; es sind Tausende von Angestellten, die jahrelang Mitglieder waren und die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, eines Tages Renten aus der Angestelltenversicherung, auf die sie einen Anspruch haben, zu bekommen. Gründen Sie jetzt eine Bundesanstalt an Stelle der auch nach Ihrer Ansicht de jure noch bestehenden Reichsanstalt für Angestelltenversicherung, dann gefährden Sie meiner Ansicht nach mancherlei. — Ich möchte Ihnen jedenfalls empfehlen, sich das eingehend zu überlegen. — Meine Fraktion wird dies im Interesse aller Angestellten nicht tun.
Zu der weiteren Frage: „die Verwaltung der Restanstalt in Berlin zu erweitern". Eine Restanstalt in Berlin ist mir auch nicht bekannt. In Berlin ist der Sitz der Reichsanstalt für Angestelltenversicherung. Dort sind etwa 300 Angestellte oder Beamte noch beschäftigt; dort wird das Gros dieser Beamten und Angestellten von den Landesversicherungsanstalten, die treuhänderisch die Aufgaben für die Angestelltenversicherung für ihren Bezirk seit 1945 mustergültig und vorbildlich durchführen, bezahlt.
Nun hat sich Frau Kalinke — darüber habe ich mich gefreut — für die Interessen des Betriebsrates bzw. der Angestellten und der Gewerkschaften eingesetzt und sie hier zur Sprache gebracht. Es ist richtig: der Treuhänder muß — das wissen Sie alle, meine Herren, besonders die Herren, die zu den Arbeitgebern zählen oder sonstwie dahin tendieren — eben wie ein ordentlicher Kaufmann die Geschäfte wahrnehmen. In diesem Falle war der Verband der Rentenversicherungsträger Arbeitgeber. Da haben wir doch alle unsere Erfahrungen. Das sind eben so die Tendenzen und Praktiken der Arbeitgeber schlechthin.
Zu Ziffer 3: „den Ort zu bestimmen, an dem die Selbstverwaltungsorgane der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zusammentreten sollen". Da bin ich der Meinung, daß, nachdem im § 10 als Selbstverwaltungsorgane ein Vorstand und eine Vertreterversammlung für die gesamte Angestelltenversicherung gebildet und in diesem § 10 des Selbstverwaltungsgesetzes festgelegt wurde, daß auch eine Geschäftsführung gebildet wird, der Sitz derselben dort ist, wo der Sitz der Reichsanstalt für Angestellte ist, also in Berlin. Warum also die Ziffer 3?
Nun kommt Ziffer 4: die Vermögensverwaltung der Sozialversicherungsträger durch den von der Militärregierung bestellten Treuhänder und die Abberufung desselben. Herr Bundesarbeitsminister Storch hat sich sehr stark gemacht und das ist mir nicht neu —, daß er an Stelle des Treuhänders eingesetzt werden will, daß die Bundesregierung — vertreten durch sein Ministerium, durch seine Beamten — an diese Stelle treten soll. Ich bin der Meinung, wir müssen — die Gewerkschaften haben das schon vor über einem Jahr gefordert gegenüber den Militärregierungen, der Hohen Kommission, verlangen, daß der Treuhänder abberufen wird. Ich bin der Meinung, daß die Verwaltung schon längst hätte in deutsche Hände übergehen müssen. Ich bin weiter der Meinung, daß, nachdem jetzt das Gesetz über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung im Bundestag verabschiedet wurde, die Organe der Selbstverwaltung, die Sie in § 10 mitbeschlossen haben, — der Vorstand die Vertreterversammlung —, daß die
Organe der Angestelltenversicherung, der Berufsgenossenschaften oder der Krankenkassen und was sonst in Frage kommt, die Geschäfte zu übernehmen haben und ergo auch die Mittel übertragen erhalten müssen. Und da die Dinge jetzt so weit gediehen sind, sehe ich keinen Grund mehr, daß nun noch der Bundesarbeitsminister an die Stelle des Treuhänders tritt, dort noch einige Beamte hinschickt und derartiges mehr. Das können die Organe der Selbstverwaltung, die die entsprechenden Fachleute in den Trägern haben, meiner Ansicht nach ebensogut, vielleicht noch besser.
Und nun zu den Ziffern 5 und 6. In Ziffer 6 heißt es: das Vermögen der früheren Reichsanstalt für Angestellte an Grundstücken, Hypotheken usw. sicherzustellen. Ich habe schon durch Zwischenruf den Herrn Bundesarbeitsminister darauf hingewiesen, und ich weiß von den Präsidenten des Verbandes der Rentenversicherungsträger, daß alle Werte in der Bundesrepublik schon jahrelang erfaßt sind und entsprechend den Verpflichtungen des Darlehensnehmers Hypothekenzinsen usw. gezahlt werden und daß die Mittel; die hier eingehen, genau so wie die Beiträge für die Angestelltenversicherung vollständig von den Mitteln für die Invalidenversicherung der Arbeiter getrennt werden. Die Sicherstellung ist im Gebiet der Bundesrepublik nach den Zusicherungen, die uns die Präsidenten der Landesversicherungsanstalten und die uns der Präsident der Träger der Rentenversicherung gegeben haben, erfolgt. Mit dem ganzen Antrag scheint man den Eindruck erwecken zu wollen, als wenn Großes versäumt worden wäre, als wenn die Angestellten benachteiligt worden wären. Nach meiner Überzeugung und Kenntnis der Dinge trifft dies nicht zu, sondern die Rechte der Angestellten und Arbeiter in beiden Versicherungszweigen wurden gewahrt.
Nun hat Frau Kalinke behauptet, daß ihr Antrag bzw. der Antrag ihrer Fraktion in Drucksache Nr. 44 noch der Erledigung harren würde. Dieser Antrag, verehrte Frau Kalinke, ist bereits durch die Drucksache Nr. 1354 zum Gesetz über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung erledigt. Da heißt es — und Sie haben es mit beschlossen, und ich kann nicht annehmen, daß Sie es vergessen haben sollten —:
2. Die Anträge der Fraktion der Deutschen Partei betreffend die Reichsanstalt für Angestellte und die Rentenversicherungsanstalten — Nr. 44 der Drucksachen — für erledigt zu erklären.