Rede von
Gustav
Gundelach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Seit Bestehen des Bundestages stand die Frage der Behebung des Elends in den sogenannten Notstandsgebieten von Westdeutschland hier im Bundestag wiederholt zur Beratung. Aber ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß etwas Entscheidendes zur Behebung der sehr großen Not in diesen Gebieten, mit denen wir uns wiederholt beschäftigt haben, bis zum heutigen Tage nicht getan worden ist. Ich bestreite nicht, daß der Versuch unternommen wurde, gewisse Mittel zur Verfügung zu stellen, aber eine Überprüfung in diesen Notstandsgebieten ergibt, daß die Erwerbslosigkeit, genau so wie in Wilhelmshaven, nicht gesunken, sondern fast überall trotz dieser Hilfe noch angewachsen ist.
Ich brauche nur zu erinnern an die Lage in Schleswig-Holstein, an das Gebiet Watenstedt-Salzgitter, mit dem wir uns wiederholt beschäftigt haben. Ich darf erinnern an die Verhältnisse des Bayerischen Waldes, zu denen hier vor kurzem Stellung genommen worden ist.
Heute beschäftigen wir uns erneut mit dem Notstandsgebiet Wilhelmshaven. Auch hier sind — das muß jeder, der offenen Auges ist, zugeben — keinerlei Voraussetzung für eine baldige Beseitigung der großen Not der Bewohnerschaft von Wilhelmshaven und Umgebung gegeben. In Wilhelmshaven selbst gibt es über 12 000 Arbeitslose, und mit der Umgebung von Wilhelmshaven zusammen sind es annähernd 18 000 Arbeitlose. Dort gibt es eine sehr große Zahl von qualifizierten Arbeitskräften des Schiffbaus. Es gibt Ingenieure, Techniker und sehr qualifizierte Metallarbeiter sowie Angehörige anderer Berufe, die mit dem Schiffbau aufs engste verbunden sind. Es handelt sich um jene qualifizierten Arbeitskräfte, die früher jahrelang auf der dortigen Marinewerft beschäftigt waren. Es ist bereits von dem Herrn Kollegen Cramer zum Ausdruck gebracht worden, daß die Anlagen der ehemaligen Marinewerft demontiert und zum Teil zerstört worden sind. Auf Anordnung der Besatzungsmacht darf in Wilhelmshaven bis zum heutigen Tage auch keinerlei Schiffbau mehr betrieben werden. Wir sagen: Bleiben die Besatzungsmächte weiter auf diesem Standpunkt stehen, dann kann un- serer Meinung nach — und das muß jeder zugeben, der die Dinge kennt — Wilhelmshaven niemals wieder gesunden. Die Stadt- und Hafenanlagen von Wilhelshaven sind so gestaltet, daß Wilhelmshaven wieder Schiffbau treiben muß. Selbstverständlich sind wir der Meinung, daß es sich nur um den Bau von Handelsschiffen, Passagierschiffen, Küstenfahrzeugen usw. handeln sollte.
Der Versuch, andere Industrien in Wilhelmshaven aufzubauen, hat nur zu einem Teilerfolg geführt. Nach den Berichten aus Wilhelmshaven sind in diesen neu angesiedelten Betrieben überwiegend Frauen beschäftigt. Aber gerade die qualifizierten Techniker, Ingenieure und Metallarbeiter haben noch wenig Arbeitsmöglichkeiten gefunden; sie sind zu einem großen Teil, wie schon erwähnt worden ist, seit drei und vier Jahren arbeitslos und haben keinerlei Aussicht, bei einem Weiterbestehen dieses Zustandes dort jemals wieder Arbeit zu finden.
Der vorliegende Bericht des Haushaltsausschusses besagt, wenn man ihn genauer beurteilt, gar nichts. Damit ist der Bevölkerung Wilhelmshavens in keiner Weise gedient. Er enthält nichts Positives, um der Bevölkerung Wilhelmshavens eine Linderung der Not in der allernächsten Zeit und für die Zukunft zu bringen.
Eine teilweise Besserung wäre nach unserer Meinung zu erreichen, wenn die Bestrebungen interessierter Wirtschaftskreise der Stadt Wilhelmshaven den Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik auszubauen, in jeder Weise unterstützt würden. Nach Informationen, die vorliegen, sind hier sehr reale Möglichkeiten gegeben, zumindest einen Teil der Not abzustellen.
Trotzdem bringe ich zum Schluß nochmals zum Ausdruck: Wilhelmshaven braucht wieder einen entsprechenden Schiffbau, damit die in Wilhelmshaven ansässigen qualifizierten Arbeitskräfte für die Zukunft wieder eine sichere Existenz haben. Das aber hat zur Voraussetzung, daß das heute noch bestehende Verbot eines Schiffbaus in jeder Form, des Schiffbaus für den eigenen Handel und für den Export, völlig aufgehoben wird. Wenn diese Bestimmungen beseitigt werden und wenn dann seitens der verantwortlichen Stellen die für den Aufbau einer neuen Schiffswerft notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, . dann wird damit der Bevölkerung Wilhelmshavens am besten gedient sein.