Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Verordnung über die Erstreckung von Recht der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf dem Gebiet der Wertpapierbereinigung und des Kapitalverkehrs vom 12. Mai 1950 auf die Länder der französischen Besatzungszone liegt Ihnen heute der Entwurf des Ersten Ergänzungsgesetzes zum Wertpapierbereinigungsgesetz zur Beratung vor. Diesen Anlaß möchte ich benutzen, Sie kurz über den derzeitigen Stand der Wertpapierbereinigung zu unterrichten, deren Verlauf in erster Linie wegen ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung, aber auch deshalb von Interesse ist, weil hier sowohl in tatsächlicher als in rechtlicher Hinsicht Neuland betreten wird. Ich darf daran erinnern, daß die Wertpapierbereinigung das durch die Kriegs-und Nachkriegsereignisse empfindlich in Mitleidenschaft gezogene Wertpapierwesen wieder ordnen un insbesondere dazu führen soll, daß rechtmäßigen
Wertpapiereigentümern, denen durch die Schließung der Banken in der Ostzone und in Ost-Berlin die Verfügung über ihre Wertpapiere entzogen worden ist, neue Urkunden über ihre Rechte in die Hand gegeben werden, so daß sie über ihr Wertpapiervermögen wieder verfügen können.
Der große Umfang der Arbeit, die zur Erreichung dieses Zieles geleistet werden muß, wird bezüglich des rein technischen Verfahrens der Ausstellung und Ausgabe der neuen Einzelurkunden gut veranschaulicht, wenn man sich vor Augen hält, daß diese technischen Vorgänge letzten Endes eine Wiederholung aller bisherigen WertpapierEmissionen westdeutscher und westberliner Emittenten bedeuten. Dazu kommt aber noch die eingehende Prüfung aller geltend gemachten Ansprüche. Diese Arbeiten sind nach Sachverständigenschätzungen einschließlich der in Berlin zu bereinigenden Wertpapiere für Werte mit einem Reichsmark-Nennbetrag von rund 40 Milliarden zu leisten; davon entfallen etwa 27 Milliarden auf Aktien, deren Wert durch das Umstellungsgesetz nicht berührt worden ist, der Rest auf Schuldverschreibungen. Die Gesamtstückzahl der zu bereinigenden Wertpapiere läßt sich wegen der verschiedenen Stückelung der einzelnen Wertpapierarten auch schätzungsweise schwer angeben; aber schon bei Zugrundelegung eines sicherlich zu hoch angenommenen Durchschnittsbetrages von 1000 RM käme man zu einer Zahl von 40 Millionen Stück.
Die Mehrzahl dieser Wertpapiere ist für die Berechtigten nicht greifbar, weil die großen Bestände des Giro-Sammeldepots überwiegend in Ost-Berlin verwaltet wurden und auch sehr erhebliche Streifband-Depots dort lagerten. Hieraus ergaben sich gleichzeitig besondere rechtliche Schwierigkeiten, weil diese Wertpapiere, obwohl sie die in ihnen verbrieften Rechte verkörpern und nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werden können, für kraftlos erklärt werden mußten.
Es ist erfreulich, daß alle sich aus diesen Umständen und der Neuartigkeit dieses Gebietes ergebenden Schwierigkeiten bisher bewältigt werden konnten und die Wertpapierbereinigung so fortschreitet, wie es im Gesetz vorgezeichnet ist.
Hiernach beginnt das Wertpapier-Bereinigungsverfahren für die einzelnen Wertpapierarten mit einer Feststellung der zuständigen Kammer für Wertpapierbereinigung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bereinigung gegeben sind. Diese gerichtlichen Feststellungen sind inzwischen für rund 5500 verschiedene Wertpapierarten getroffen worden, so daß dieser Teil des Verfahrens als im wesentlichen abgeschlossen bezeichnet werden kann.
Das gleiche gilt für den zweiten Abschnitt der Wertpapierbereinigung, das Anmeldeverfahren. Wer Anspruch auf Eigentum oder Miteigentum an Wertpapieren einer zu bereinigenden Wertpapierart erhebt, muß sich einer Prüfung seines Rechts unterziehen. Inhaber effektiv vorhandener Stücke können die Ausstellung einer Lieferbarkeitsbescheinigung nach den „Richtlinien für die Bescheinigung der Lieferbarkeit von Wertpapieren" oder den entsprechenden Bestimmungen der Länder der französischen Besatzungszone beantragen und scheiden mit der Ausstellung der Lieferbarkeitsbescheinigung für das Prüfungsverfahren nach dem Wertpapierbereinigungsgesetz aus. Alle anderen Wertpapierbesitzer müssen ihre Rechte innerhalb einer Frist von sechs Monaten durch Vermittlung einer Anmeldestelle — im Bundesgebiet sind dies
sämtliche Kreditinstitute — anmelden. Befürchtungen, daß sich die Anmeldefrist, die im Interesse einer schnellen Abwicklung der Wertpapierbereinigung verhältnismäßig kurz bemessen worden ist, als unzureichend erweisen könnte, haben sich als unbegründet erwiesen; auch das Anmeldeverfahren ist planmäßig verlaufen und abgeschlossen.
Im Augenblick befindet sich die Wertpapierbereinigung in ihrem dritten Abschnitt, dem Prüfungsverfahren, vor dem Höhepunkt. Es handelt sich jetzt darum, daß die Entscheidungen über die Anmeldungen von den hierfür vorgesehenen Stellen möglichst schnell, aber doch der Sach- und Rechtslage entsprechend gefällt werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Anmeldungen erwartungsgemäß im allgemeinen den Betrag der Sammelurkunde nicht übersteigen, so daß in aller Regel also keine Kürzungen der anerkannten Rechte zu erwarten sein werden. In einzelnen Fällen haben sich zwar zunächst Überanmeldungen ergeben. Hier wird jedoch den Fehlerquellen nachgegangen, und das bisherige Ergebnis läßt hoffen, daß durch weitere Feststellungen irrtümlicher und unredlicher Anmeldungen auch diese Überanmeldungen beseitigt werden können.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf wird zunächst die schon in der amtlichen Begründung zum Wertpapierbereinigungsgesetz angekündigte Einbeziehung der Wertpapiere solcher Aussteller, die ihren Sitz nach Inkrafttreten des Gesetzes in das Bundesgebiet verlegt haben, vollzogen.
In den §§ 3 und 4 ist zur Entlastung der Kammern für Wertpapierbereinigung die Entscheidungsbefugnis der Prüfstellen erweitert worden, soweit dies ohne Gefährdung des Prüfungsverfahrens geschehen konnte. Nach den zur Zeit geltenden Vorschriften müßten den Kammern für Wertpapierbereinigung im Bundesgebiet etwa 1 Million bis 1,2 Millionen Anmeldungen von den Prüfstellen zur Entscheidung vorgelegt werden. Selbst unter der Voraussetzung, daß die Zahl der Kammern im Bundesgebiet auf 50 erhöht wird, würden durchschnittlich immer noch über 20 000 Anmeldungen von jeder Kammer zu bearbeiten sein, was zu einer unerwünschten Verzögerung des Prüfungsverfahrens führen müßte. Die vorgeschlagene Erweiterung der Zuständigkeit der Prüfstellen wird demgegenüber eine Entlastung deß. Kammern von schätzungsweise 25 bis 30 % des Anfalls bringen und der Beschleunigung des Verfahrens dienen.
Im § 6 wird die in § 30 Abs. 3 des Gesetzes angekündigte Neuregelung der Entschädigung der Kammerbeisitzer durchgeführt. Dies muß jetzt geschehen, da die Beisitzer zur Durchführung des Prüfungsverfahrens für die Dauer von etwa zwei Jahren ihre Arbeitskraft fast ausschließlich ihrem Amt widmen müssen, und unter diesen Umständen geeignetes Personal sich gegen die bisher geringe Aufwandsentschädigung von höchstens 3 DM täglich nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen läßt.
Erwähnt seien noch die §§ 2 und 9, in denen die geltenden Bestimmungen den besonderen Verhältnissen in einigen ausländischen Staaten angepaßt werden. Die übrigen Bestimmungen sind rein technischer Art. Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen hier über eine, wie es klingt, trockene Materie berichtet, aber über eine Materie, die sehr Arbeit macht und höchste volkswirtschaftliche Bedeutung hat.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, auch solchen trockenen Materien seine Aufmerksamkeit zu widmen, wenn sie für die gesamte deutsche Wirtschaft von einer Bedeutung sind wie dieses Gesetz.