Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für mich natürlich etwas mißlich, zur Einführung der Gesetzesvorlage etwas zu sagen, nachdem ich erst heute vormittag von dem durch den Herrn Abgeordneten Nöll von der Nahmer behandelten Zwischenfall erfuhr, daß Sie nämlich das eigentliche Abkommen zu einem großen Teil nicht in der Hand haben. Ich will gleichwohl versuchen, in aller Kürze zu der Gesetzesvorlage zu sprechen.
Das Gesetz, das von Ihnen verabschiedet werden soll und das den Zutritt der Bundesrepublik zu dem Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion beantragt, ist nur ein konsequenter Schritt auf dem Wege zur europäischen Integration, wie er zuerst mit dem Marshallplan, wie er mit der allmählichen Auflockerung des Warenverkehrs, mit der Beseitigung der dem Warenverkehr entgegenstehenden administrativen Hindernisse beschritten wurde. Insofern handelt es sich tatsächlich nicht nur um ein Politikum schlechthin, sondern um eine wesentliche wirtschaftliche Maßnahme.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Tatsache macht uns nicht blind davor, daß diese Maßnahme ebenfalls nur ein Transitorium sein kann; denn sie soll ja nur in bescheidenem Maße jenen unglückseligen Zustand beenden, der nun schon sehr viele Jahre hindurch fast ohne Unterbrechung so verhängnisvoll das Wirtschaftsleben der Völker vergiftet: es ist der Zustand der fortgesetzten Veränderung von Währungswerten; es ist der Zustand, daß die europäischen und die Weltwährungen untereinander nicht austauschbar sind. Solange das aber nicht der Fall ist, kann nicht die Rede von einem geordneten und vor allen Dingen auch nicht von einem gesicherten Warenverkehr sein.
Hier bringt dieses Abkommen durch seinen Ihnen allen bekannten Inhalt den Versuch einer weitgehenden Hilfe. Aber dahinter bleiben die großen Fragen noch immer ungeklärt, vor allem die große Frage, ob die verschiedenen Währungen der miteinander im Wirtschaftsverkehr stehenden Länder ihren festen Wert, ihre gleiche Abrechnungsgrundlage behalten werden oder nicht. Denn die großen Krisen der letzten 20 Jahre sind ja fast alle unter anderem durch die Tatsache ausgelöst worden, daß jedes Land eine völlig autonome Währungspolitik betrieb. Ich brauche Sie nur an den September 1949 zu erinnern, um auf die hier ruhenden Gefahren sehr aufmerksam zu machen.
Aber immerhin: wenn auch Deutschland sich aus Überzeugung zur europäischen Integration auf wirtschaftlichem und hoffentlich auch auf politischem Gebiete entschlossen hat, dann ist der Beitritt zu diesem Abkommen nur ein konsequenter Schritt. Denn dahinter soll ja alles das folgen und wird zum Wohle der Völker folgen müssen, was sich zunächst einmal unter dem schlichten Wort „Zollfrage" verbirgt und was dann hinterher vielleicht auch in einer echten Währungsunion zum Abschluß kommen müßte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das zur allgemeinen Bedeutung dieses Gesetzes! Ich habe zu begründen, warum wir die Ratifikation durch das Parlament für notwendig halten. In der Ihnen vorliegenden Begründung des Gesetzentwurf es, Seite 3 der Drucksache Nr. 1655, Überschrift „Artikel I", ist dies zum Ausdruck gebracht. Das Abkommen beeinflußt die handelspolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu allen Teilnehmerländern der Union. Infolgedessen ist es nach unserer Auffassung gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes der Ratifizierung durch den Bundestag bedürftig. Im Ausschuß wird ausführlich über den von der Norm abweichenden Inhalt des Art. 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs zu sprechen sein, in dem gesagt wird, daß das Gesetz mit dem Tage der Unterzeichnung des Protokolls, also mit dem 19. September 1950, in Kraft tritt. Ich darf mir hier zu dieser wichtigen Einzelfrage wohl nicht mehr als einen Hinweis gestatten.
Aber vielleicht wird zu der allgemeinen Frage neben der Begründung ihrer Bedeutung etwas anderes gefragt werden müssen: nämlich ob sich die
Bundesregierung im Sommer dieses Jahres über jene Lage klar war, die ihren Niederschlag in den Ihnen bekannten Schwierigkeiten der Devisenbilanz gefunden hat, wie sie im September/Oktober dieses Jahres ganz deutlich zu Tage traten. Hierzu möchte ich auf den Wortlaut der Erklärung hinweisen, die ich als Vertreter der Bundesrepublik im Exekutivrat der OEEC am 7. Juli 1950 abgegeben habe. Wir haben dort auch begründet, weshalb wir es gleichwohl für richtig halten, an diesem Abkommen teilzunehmen, und wir haben es allerdings nicht unterlassen, auf alle die Bedenken hinzuweisen, die wir haben und die wir auch sehr deutlich aussprechen mußten.
Es ist weiter von manchen Stellen in den letzten Monaten die Frage laut geworden, warum es nicht möglich gewesen sei, wenn man schon Mitglied dieser Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit ist, auch tatsächlich zu einer europäischen Währung zu gelangen.
Die europäische Währung muß — das ist wohl auch die Ansicht des überwiegenden Teiles dieses Hauses — eines Tages das Endziel sein. Aber — ich habe eben schon die Frage der Zölle angeschnitten — ich muß auf jene Verhältnisse hinweisen, die nach der schrittweisen Beseitigung der Zölle eintreten werden, auf jenen ganz grundsätzlichen Strukturwandel sehr vieler Nationalwirtschaften und auf die Überwindung dieser Zustände, die sicher Voraussetzung für eine stabile und einheitliche Arbeit einer solchen Währungsunion sind.
Jedenfalls haben wir die Vorteile des sofortigen Beitritts, der sich ja an sich auch aus unserer Mitgliedschaft in der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit ergab, für groß genug gegenüber irgendwelchen Bedenken gehalten.
Diese Vorteile bestanden zunächst einmal darin, daß Deutschland noch stärker als bisher in dieser europäischen Organisation mit gleichem Recht in Erscheinung trat, nachdem es schon nicht nur Mitglied der Organisation, sondern auch in seinem Vertreter Mitglied des Exekutivrates der Organisation war. Es war für uns auch sehr wesentlich, daß im Direktorium dieser Zahlungsunion ein Deutscher als Mitglied sitzt.
Dann haben wir aber neben diesen politischen Argumenten die wirtschaftlichen nicht für weniger durchschlagskräftig gehalten. Es ist doch zunächst einmal ein echter Beweis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, daß es sich hier um Operationen handelt, bei denen die Gemeinschaft der beteiligten europäischen Länder denen, die es notwendig haben, Kredite gibt. Das ist ein Fortschritt des wirtschaftlichen Denkens, wie wir ihn vor zwei Jahren sicher noch nicht hätten erhoffen dürfen.
Dazu kommt noch ein weiteres. Es wird endlich nicht mehr auf die Dauer unsinnig eingekauft werden müssen, wie das beim Bilateralismus der Fall war, wo man einkaufte, um sich zu seinem Guthaben zu verhelfen. Man hat jetzt wieder die größere Möglichkeit der freien Auswahl des Lieferlandes, weil man nicht von vornherein auf die zweiseitige Abrechnung mit den Ländern angewiesen ist. Das bedeutet aber erfreulicherweise auch ein Anwachsen des Wettbewerbs, und dieses Anwachsen des Wettbewerbs bedeutet ferner, wenn nicht von verbrecherischer Hand irgendwo anders weltpolitische Krisen entfesselt werden, einen Druck auf die Preise.
Schließlich durften wir gerade im Rahmen dieses Abkommens für uns als ein Positivum buchen, daß innerhalb dieser Organisation eine geordnete und langfristige Abdeckung früher einmal entstandener Verpflichtungen gewährleistet ist. Es darf auch nicht vergessen werden, daß wir durch die Teilnahme an dieser Zahlungsunion auch der Marshallplanhilfe teilhaftig werden, die neben der Individualhilfe an die einzelnen Länder durch Beibringung des Kapitals dieser Union an Europa geht.
Dagegen kann man natürlich darauf hinweisen, daß auf die einzelnen Handelspartner nicht mehr der starke Druck ausgeübt würde, sich durch Warenbezüge sein Guthaben zu verschaffen, wie er bei zweiseitigen Abmachungen bestand. Man könnte also befürchten, der Export ginge in dem einen oder anderen Falle zurück. Aber die von mir aufgezeigten Vorteile sind sicherlich größer.
Es ist richtig, daß sich alle 19 Teilnehmerländer gemäß diesem Abkommen gewisser Rechte auf eigene Bestimmung aller Wirtschaftsvorgänge berauben. Ich darf aber darauf hinweisen, daß nicht Deutschland allein das tut, sondern alle Teilnehmerländer. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich in diesem Abkommen einen erneuten Fortschritt auf dem Wege zur europäischen Einheit sehen.
Meine Damen und Herren, das ist kurz zusammengefaßt, was ich zu dem Grundsätzlichen sagen möchte, zu den Fragen, wie sie im großen Raume durch das Nachdenken über dieses Abkommen und seine Beratung aufgeworfen werden. Ich bitte Sie, uns in den zuständigen Ausschüssen dazu zu verhelfen, daß wir recht bald die Ratifikation mitteilen können, damit wir, auf einer festen Rechtsgrundlage stehend, mit dem Ziele mitarbeiten, das hier Begonnene im Sinne einer Verbesserung und Vertiefung eines Werkes fortzusetzen, das bisher das einzig solide ist, um Europa allmählich wirtschaftlich zusammenzubringen.