Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte hat nicht nur die objektiven Schwierigkeiten aufgezeigt, die das Problem Umsiedlung mit sich bringt; die Debatte zeigt ja auch die subjektiven Widerstände, mit denen wir zu rechnen haben, sei es in den Ländern oder sei es bei Personen, die bestimmte Parteien repräsentieren. Ohne Zweifel muß man feststellen, daß heute die rechtlichen und die psychologischen Voraussetzungen für eine raschere Umsiedlung schlechter und schlimmer sind, als sie im Jahre 1946 oder 1947 waren. Die psychologischen Voraussetzungen kann man schwerlich ändern; aber, Herr Minister Lukaschek, man kann die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, und sei es auch durch eine Verfassungsänderung, die eine rasche und umgreifende Umsiedlung ermöglicht; und das muß geschehen.
Ich glaube daher, daß folgender Weg beschritten werden muß. Der Gesetzesantrag meiner Freunde, der SPD-Fraktion, soll dem federführenden Ausschuß, und zwar dem Ausschuß für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen, übergeben werden, da der Gesetzentwurf natürlich einer gründlichen Durcharbeitung bedarf. Dieser Antrag soll dann weiter dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zugeleitet werden. Wenn der Heimatvertriebenenausschuß, Herr Minister Lukaschek, ein verfassungsrechtliches Gutachten braucht, so kann er es sich ja einholen. Aber ich würde Wert darauf legen, daß man den kürzesten und raschesten Weg beschreitet und nichts getan wird, was geeignet sein könnte — auch unbewußt —, die Gesetzesvorlage in ihrer Verabschiedung zu verzögern.
Nun gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen, die ich im Namen meiner Freunde, besonders aber als Heimatvertriebener, machen möchte. Hier wurden heute Äußerungen getan, die zeigen, daß das Problem der Heimatvertriebenen ein Spiegel ist, aus dem sich die charakterliche, sittliche und soziale Haltung des einzelnen widerspiegelt.
Ich möchte mich hier nicht mit den Ausweichmöglichkeiten beschäftigen, die auch der Herr Staatsrat. Dr. Seelos angedeutet hat. Natürlich, das Heimatvertriebenenproblem in seiner Auswirkung und in seinen Ursachen ist nicht loszulösen von der moralischen und materiellen Mitverantwortung der Alliierten. Aber, Herr Staatsrat Seelos, es bleibt doch primär die Frage der Gesamthaftung der ganzen deutschen Nation für den Hitlerismus und für den verlorenen Krieg.
— Nein, eben nicht! Sie wollen immer in der Art, die alliierte Hilfe herabzuflehen, der eigenen Verpflichtung ausweichen.
— Ihr Kollege Baumgartner hat heute Formen und Normen entwickelt, von denen ich glaube, daß sie sehr gefährlich sind.
Wenn wir auch nicht Urbayern sind, Herr Abgeordneter Baumgartner, so beherrschen wir, glaube ich, doch auch als Zugewanderte die deutsche Sprache.
Ich habe Sie vollkommen klar verstanden, und meine Freunde verstehen Sie auch, und ich möchte sagen: das, was Sie hier geäußert haben, ist gefährlich. Es ist nicht nur gefährlich in der Richtung,
daß man mit solchen Äußerungen die Probleme verschüttet, sondern Sie haben sich ja, Herr Abgeordneter Baumgartner, mit dieser Behauptung, nämlich mit der Behauptung, daß es mit dem Begriff eines Kulturlandes unvereinbar ist, wenn man Fremden gleiche bürgerliche Rechte gibt, —
Diese Fremden sind Deutsche, und Sie äußern solche Worte angesichts eines unendlichen Berges von Leid, Elend und eines Leichenberges.
Das ist das Schwierige und das Gefährliche. Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter Baumgartner, Sie entfernen sich mit diesen Worten nicht nur von Ihrem christlichen Gewissen, mit dem Sie im bayerischen Wahlkampf hausieren gingen,
Sie begeben sich mit diesen Worten in eine Atmosphäre des Bürgerkrieges in Bayern; das ist der Zustand, den Sie heraufbeschwören.
— Das ist keine Verdrehung. Das ist der Tatbestand, den wir aus Ihren Worten ableiten.
— Herr Abgeordneter Baumgartner, es sind ja nicht nur Ihre heutigen Worte. Ich gehöre zu den aufmerksamen Lesern — es ist nicht immer ein Genuß — der „Bayerischen Landeszeitung",
und ich sehe den Geist, der in dieser Zeitung, in Ihrem Organ, entwickelt wird, und ich kenne Ihre Absichten, die darauf hinauslaufen, ein Ausnahmegesetz für die Heimatvertriebenen zu schaffen.
— Ich spreche zur Sache. Ist es richtig oder ist es nicht richtig, daß Sie ein eigenes Staatsbürgergesetz im Auge haben?
Die Bayernpartei — das gehört zur Sache, und ich wiederhole es noch einmal — will ein Ausnahmegesetz, einen Ausnahmezustand für die Heimatvertriebenen schaffen. Daher frage ich, Herr Abgeordneter Baumgartner: Wer gibt Ihnen die Legitimation, so zu sprechen?
Sie haben nicht die formale
und — das bestreite ich auch — die andere Legitimation. Das bayerische Volk ist nämlich besser als Dr. Baumgartner und die Aumers und die Aretins.
Das ist die Wahrheit.
Daher möchte ich sagen: s o kann man es nicht machen.
— Nein, nein, Sie haben diesen Ton begonnen! (Abg. Dr. Baumgartner: Das ist eine Hetze! — Weitere Zurufe von der BP. Sie Hetzer! — Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten. — Erneute Zurufe von der BP: Unverschämte
Hetze! — Gegenrufe links.)
— Sie haben den Ton begonnen, nicht ich!
Ich glaube, ich befinde mich in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit des deutschen Volkes und dieses Hauses, wenn ich so etwas ausspreche.
So können die Dinge nicht gelöst werden.
Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrage zuzustimmen und den Antrag dem Ausschuß für Heimatvertriebene und dem für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen.