Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In 3 Minuten läßt sich das Thema eigentlich gar nicht ansprechen, geschweige denn behandeln. Aber die Geschäftsordnung muß gewahrt werden.
Der Antrag des Verkehrsausschusses ist sicherlich gut gemeint; aber er ist überhaupt nur erklärlich, wenn man weiß, daß er am grünen Tisch entstanden ist. Die erste Frage ist doch die, ob der Ruhrkohlenbergbau, die Zechen, die ja zum größten Teil oder wohl grundsätzlich in alliierter Kontrolle sind, überhaupt bereit sind, ein Drittel der Preisdifferenz zu tragen. Wenn sie heute bereit sein sollten, würden sie jedenfalls keinen Antrieb bekommen, den Kohlenmangel gerade in SchleswigHolstein zu beseitigen. Das Land kann nicht daran interessiert sein, daß der Lieferant durch Unterpreise einen Anreiz bekommt, es nach Möglichkeit nicht zu beliefern. Aus diesem Grunde ist der ganze Antrag des Ausschusses in der gegenwärtigen Zeit der Kohlenkrise — entschuldigen Sie das Wort! -
nicht zu verwirklichen.
Zur Sache jetzt! Die Bundesbahn — ich bedaure es sehr, daß sie unter der Aufsicht eines mir nahestehenden Parteifreundes steht — beruft sich darauf, daß sie nicht dazu da sei, um Ländern oder Provinzen oder Landesteilen zu helfen. Das ist mir ein ganz neuer Gesichtspunkt eines Unternehmens, das doch sozialisiert ist. Und das sagt die Bundesbahn in demselben Augenblick, in dem sie die Küstenkohlentarife, die seit 90 Jahren bestanden, zum 1. Oktober vorigen Jahres zunächst aufheben wollte, als sie zu genau dem gleichen Zeitpunkt für die Zementindustrie des Ruhrbeckens, das ja bekanntlich besonders hoch im Ansehen bei der Bundesregierung steht, den Ausnahmetarif 4 S 2 einführte, übrigens mit der uns da oben im Norden geradezu peinlich anmutenden Begründung, das sei nichts Neues, das habe es schon in den Jahren zwischen 1926 und 1941 gegeben.
In den letzten 20 Jahren hat dieser Tarif also eine kurze Zeit bestanden, und schon wird er im Interesse einer einzelnen Industrie wieder eingeführt. Was einem Industriezweig, der Zementindustrie im Ruhrbecken, billig ist, sollte bei der Bundesbahn aber einem ganzen Lande selbstverständlich gewährt werden.
Ich muß ehrlich sagen, es erscheint unbegreiflich, daß man dafür offenbar kein Verständnis hat, wie mein Herr Vorredner schon sagte, daß die Standortfrage in Schleswig-Holstein für alle Industrien von der Frage der Kohlenbasis ausging. Solange wir im Bereich der englichen Kohle lagen, so lange war die Bundesbahn zu jedem Entgegenkommen bereit. In dem Moment aber, wo uns diese normale, in der freien Wirtschaft allein mögliche Basis der englischen Kohle entzogen ist und deutsche Stellen daher keine Konkurrenz mehr befürchten, in demselben Moment verliert plötzlich die Bundesbahn, die doch aus den Importen selbst keine Einnahme hat, jedes Interesse und verweist auf den Bund. Ich meine, wenn wir schon eine sozialisierte Bundesbahn haben, dann hat sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, bei ihrer Tarifpolitik auf bestehende wohlerworbene Rechte zu achten und nicht einseitig zu fragen, ob sie dadurch, wie sie meint, unbeweisbarerweise 8 Millionen Mark verliert; denn was die Selbstkosten eines solchen Riesenunternehmens anlangt, so wissen wir ja alle: das steht dahin.
Nun ist die Sache so: mit dieser Ausnahmeaufhebung können sich die Industrien und Wirtschaftskreise, die unmittelbar an Wasserwegen des Küstenverkehrs liegen, also insbesondere das ganze Gebiet der Unterelbe, vielleicht abfinden. Dagegen kann es nicht das Binnenland Schleswig-Holsteins, und keineswegs können es die Ostseegebiete; denn dorthin gelangt ein Seetransport ohne Umschlag nicht und kann infolgedessen auch ein Küstentarif nicht gelten. Was ein Umschlag von Kohle an Materialverlust, an Fracht und sonstigen Kosten bedeutet, weiß jeder. Es ist völlig undenkbar, bei der Belieferung Schleswig-Holsteins mit Hausbrandkohle Küstenfrachten anzuwenden. Aus dem Grunde liegen die Dinge insbesondere für Schleswig-Holstein intrikat. Man sollte das Gebiet nördlich der Elbe hier im Bund nicht abschreiben und sollte peinlichst verhindern, daß man dort oben das Gefühl kriegt: wir sind ja ein kaum mehr geduldetes Mitglied des Bundes.
Ich möchte mir den Antrag erlauben, den Antrag Drucksache Nr. 72 zu ergänzen. Ich möchte ihn als weniger weitgehenden Antrag einreichen, so daß also in zweiter Linie darüber abzustimmen wäre.
Es heißt in dem Antrag Drucksache Nr. 72 am Schluß, daß die Tarife mit Wirkung vom 1. Oktober rückgängig gemacht werden sollen. Ich beantrage, dies durch die Worte zu ersetzen „mit sofortiger Wirkung rückgängig zu machen, soweit es sich um Transporte in das Land Schleswig-Holstein handelt."
Ich will mit diesem Ergänzungsantrag sagen: die allgemeine tarifpolitische Frage interessiert uns Schleswig-Holsteiner im Augenblick nicht, sondern für uns ist wichtig, was jeder einsehen muß, der guten Willens ist, daß man eine auf heranzuschaffender Kohle basierende Industrie nicht dadurch völlig konkurrenzunfähig machen kann, daß man den Tarif, der seit 90 Jahren besteht, von heute auf morgen mit einem Federstrich im wesentlichen aufhebt. Alle Ersatztarife helfen da nichts, sondern bedeuten eine mehr oder weniger empfindliche und nach Auffassung der Wirtschaftskreise, der Handelskammern, tatsächlich nicht erträgliche Verteuerung der Lebenshaltung.
Ich stelle also diesen Antrag auf Änderung der Worte in der letzten Zeile und bitte darum, diesen Antrag nicht etwa als Änderungsantrag vorwegzubehandeln, sondern über ihn als den weniger weitgehenden Antrag "zuletzt abstimmen zu lassen.