Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers bezüglich der Vereinbarkeit des von mir vorgelegten Gesetzentwurfs mit dem Grundgesetz nicht. Ich habe die Möglichkeit, mich insofern auch auf die Beratungen im Parlamentarischen Rat zu bereifen, als ich selbst an den Beratungen dieses Artikels im Parlamentarischen Rat teilgenommen habe und die Wahl des zweiten Satzes des Abs. 1 „Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden" auch beinhalten sollte, daß zwar keine grundsätzliche Beschränkung der Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte vorgenommen werden sollte, daß wir aber im Hinblick auf die Verhältnisse, unter denen wir im allgemeinen leben und unter denen ganz bestimmte Berufszweige zu leben gezwungen sind, durchaus die Möglichkeit ins Auge fassen mußten, daß wir zu einer vorübergehenden Beschränkung der Zulassung als Anwalt, als Arzt oder in einem sonstigen freien Beruf kommen.
Ich vermag auch nicht einzusehen, Herr Bundesjustizminister, inwieweit nun insofern eine Differenziertheit möglich sein sollte zwischen der Regelung in der britischen Zone und der Regelung in den Ländern der amerikanischen Zone, als man es auf das Territorialitätsprinzip abstellt, wenn jemand als Anwalt zugelassen werden will. Damit wird auch eine Beschränkung der Ausübung des betreffenden Berufes vorgenommen. Ob das aus der Frage der Bejahung oder Verneinung des Bedürfnisses heraus geschieht oder aus der Frage, wo der Betreffende geboren ist, ist dann gleichgültig, wenn es sich um die Frage handelt, ob eine Bestimmung gegen Art. 12 des Grundgesetzes insoweit überhaupt verstößt. Ich vermag diesen Unterschied im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 12 nicht einzusehen. Ich gebe zu, daß man über die Frage, ob die Bestimmungen, die insoweit in den einzelnen Anwaltsordnungen enthalten sind, mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind oder nicht, verschiedener Meinung sein kann.
Aus diesem Grunde halte ich es für nützlich, daß man die Angelegenheit im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht berät, und ich bin der Auffassung, daß es auch möglich sein wird, bei den Beratungen zu einer allgemein befriedigenden Lösung zu kommen, vor allen Dingen dann, wenn wir die Gewißheit haben, daß die Bundesrechtsanwaltsordnung nicht erst in einem halben Jahr, Herr Bundesjustizminister, sondern sehr viel früher hier verabschiedet werden kann. Ich bitte deswegen, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Beratung und Beschlußfassung zu überweisen. Ich glaube, daß wir dann auch die Gesichtspunkte berücksichtigen können, die Sie heute hier vorgetragen haben.