Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Greve hat die Rechtslage zutreffend dargestellt. Die Länder haben nach 1945 die frühere Rechtsanwaltsordnung verschiedentlich geändert. Die Rechtsentwicklung ist auseinandergelaufen. Zur Bereinigung ist nun der Bund zuständig; sie unterliegt der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes. Die Rechtsanwaltsordnung wird schon seit Monaten bei mir behandelt. Wir haben die Beratungen der Kommission der vereinigten Anwaltskammervorstände abwarten müssen. Das Ergebnis liegt uns jetzt vor. Wir besprechen es mit den Länderjustizministern. Aber es wird wahrscheinlich eine geraume Zeit, vielleicht doch noch ein halbes Jahr vergehen, bis die neue Rechtsanwaltsordnung in Kraft treten kann.
Nun ist durch einen Initiativantrag seitens verschiedener Abgeordneten dieses Hohen Hauses angeregt worden, Fristen, die auf Grund der Rechtsanwaltsordnungen der Länder laufen, aber abzulaufen drohen, bis auf weiteres zu verlängern. Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Fristen, die da die Zulässigkeit einer Abkürzung der Probezeit des Anwaltsassessors oder die Möglichkeit, neben einem öffentlichen Amt auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufrechtzuerhalten, betreffen. Es geht lediglich um eine konkrete Bestimmung, und das müssen Sie wissen: um die Frage, ob eine Bestimmung der britischen Zone, die in Artikel VII der Verordnung zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone vom 10. März 1949 enthalten ist, aufrechterhalten werden soll und verfassungsrechtlich aufrechterhalten werden kann, wonach die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von der Bejahung des Bedürfnisses abhängt. Nach dieser Bestimmung kann die Zulassung versagt werden, wenn nach dem Ermessen der Justizverwaltung die Zulassung weiterer Rechtsanwälte bei dem im Antrag bezeichneten Gericht einer geordneten Rechtspflege nicht dienlich ist. Das bedeutet also praktisch, daß durch die Justizverwaltung die Zulassung von Anwälten versagt werden kann, wenn das Bedürfnis nach der Meinung der Justizverwaltung nicht gegeben ist.
Rechtsfrage: Steht diese Bestimmung mit unserem Grundgesetz in Einklang? Art. 12 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, daß alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen und daß die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden kann. Das ist ein schwieriges Problem. Rechtslehre und Rechtsprechung sind verschiedener Meinung. Ich kann Ihnen nur sagen, was meine Meinung ist. Ich halte den numerus clausus mit unserem Grundgesetz für unvereinbar. Also ich halte es für unmöglich, jetzt durch ein Gesetz festzulegen, daß die Ausübung des Anwaltsberufes nicht nur von den sonstigen Voraussetzungen, besonders der Ablegung der beiden Examina, sondern auch von der Bejahung des Bedürfnisses durch die Justizverwaltung abhängt.
Als wir das Grundgesetz beschlossen, haben wir
auf jeden Fall den Art. 12 so ausgelegt, daß eine
solche Beschränkung ausgeschlossen sein soll. Deswegen bin ich im Gegensatz zu Herrn Kollegen Dr. Greve der Ansicht, daß Sie diese Frage zu prüfen haben. Wenn Sie mit mir die Frage verneinen, wenn Sie mit mir der Meinung sind, daß der numerus clausus mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, dann ist die Verlängerung der Frist, die dieser Initiativantrag verlangt, nicht möglich.
Nun kommt eine etwas prekäre Situation zustande. Die Rechtslage ist in der amerikanischen und französischen Zone anders als in der britischen Zone. In den beiden ersten Zonen hat man im Grundsatz das Heimatprinzip durchgeführt, d. h. diejenigen Bewerber, die ihre Examina in den Ländern dieser Zonen abgelegt haben, und die echten Flüchtlinge, die dort eingewiesen sind, haben den Anspruch auf Zulassung. Man kann die Frage aufwerfen, ob auch hier ein Widerspruch zu dem nachträglich geschaffenen Grundgesetz vorliegt. Ich glaube. das verneinen zu können. Nun würde eine merkwürdige Situation eintreten. In der britischen Zone würde, wenn die Frist nicht verlängert wird, freie Bahn gegeben sein, alle Bewerber, die in der französisch und amerikanisch besetzten Zone nicht zugelassen sind, könnten sich natürlich auf die Länder der britischen Zone stürzen. Deswegen meine Anregung, daß wir vielleicht dahin einig werden, daß wir die Regelung der amerikanisch und der französisch besetzten Zone auf die britische Zone übertragen, bis die neue Rechtsanwaltsordnung Platz greift. Ich glaube, das wäre die gerechte Lösung, die auch im Rahmen des Grundgesetzes liegt. Deswegen möchte ich von mir aus einen Antrag stellen. den ich zu verlesen die Erlaubnis erbitte. Ich würde den Antrag steilen, an Stelle des Entwurfs der Drucksache Nr. 1615 dem nachfolgenden Entwurf zuzustimmen:
§ 1
In die Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone vom 10. März 1949 wird folgende Vorschrift als neuer § 16 a eingefügt:
Abs. 1. Die Zulassung kann versagt werden, wenn der Antragsteller die Fähigkeit zum Richteramt nach dem 8. Mai 1945 nicht im Geltungsbereich dieser Rechtsanwaltsordnung erlangt hat.
Abs. 2. Die Zulassung kann ferner versagt
werden, wenn der Antragsteller die Fähigkeit
zum Richteramt vor dem 8. Mai 1945 erlangt,
den Vorbereitungsdienst jedoch zu dem überwiegenden Teil nicht in dem Bezirk eines
Oberlandesgerichts abgeleistet hat, das im
Geltungsbei eich dieser Rechtsanwaltsordnung
gelegen ist.
Abs. 3. Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten nicht,
a) wenn der Antragsteller nach dem 30. Januar 1933 aus rassischen, politischen oder religiösen Gründen aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden ist;
b) wenn der Antragsteller nach dem 1. Januar 1933 die Befähigung zum Richteramt erlangt hat und bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen oder religiösen Gründen nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist;
c) wenn der Antragsteller bereits vor dem 8. Mai 1945 im Inland als Rechtsanwalt zugelassen war, seinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieser Rechtsanwaltsordnung aber
erst in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1950 begründet hat;
d) wenn der Antragsteller seinen beruflichen und in Ermanglung eines solchen seinen letzten persönlichen Wohnsitz in einem Gebietsteil gehabt hat, der am 30. Januar 1933 zum Deutschen Reich gehörte und im Zeitpunkt des Antrages nicht mehr der deutschen Gebietshoheit unterstand.
Durch diese Regelung würden wir die jetzt in der amerikanischen und französischen Zone bestehende Rechtsordnung übernehmen, also insbesondere festlegen, daß alle in den Ländern der britischen Zone an sich zuständigen Bewerber den Anspruch auf Zulassung haben, ebenso alle in den Ländern der britischen Zone zu Recht wohnenden Flüchtlinge, also alle echten Flüchtlinge, dabei einige weitere Gruppen, die auch hier wohnen und gewisse Voraussetzungen erfüllen.
Es dürfte wohl schwer möglich sein, diesen Antrag jetzt im Rahmen des Plenums zu behandeln. Die Sache eilt, weil wir ein Vakuum am 1. Januar nächsten Jahres verhindern müssen. Meine Anregung geht dahin, die Angelegenheit dem Rechtsausschuß zu überweisen und den Versuch zu machen, dort zu einer Verständigung zu kommen. — Ich darf dem Herrn Präsidenten diesen Antrag, den ich verlesen habe, übergeben.