Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945 ging in Deutschland auch die Einheit des 'deutschen Rechtes verloren. Mit dem Verlust dieser Rechtseinheit verloren wir nicht nur die Einheit auf dem Gebiete der Justizverwaltung, sondern auch, was sehr viel schwerwiegender war, die Einheit auf dem Gebiete der Gesetzgebung. Es ist nicht notwendig, Ihnen hier ins Gedächtnis zu rufen, wie mühsam damals die Gesetzgebung in den einzelnen deutschen Ländern in den verschiedenen Zonen wieder in Gang gesetzt werden mußte. Sie wissen: es kam zu einer Zersplitterung unseres Gesetzgebungswesens in einer Art und Weise, daß wir sie auch heute nur sehr mühsam überwinden können.
Was nun den vorliegenden Antrag betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechtes betrifft, so darf ich bemerken, daß mit dem Verlust der Einheit des Rechtes auch die Einheit der Rechtsanwaltschaft verlorenging, die wir im Deutschen Reich gehabt haben, und daß wir bis heute in der Bundesrepublik noch keine einheitliche Regelung der Angelegenheiten der Rechtsanwälte in der früheren Form wieder bekommen haben. Die zur Zeit geltenden Rechtsanwaltsordnungen sind Gesetze der einzelnen Länder in der amerikanischen Zone und in der französischen Zone. Soweit das Gebiet der britischen Zone betroffen worden ist, gehen die Angelegenheiten der Rechtsanwälte auf eine einheitliche Anordnung des früheren
Zentralamtes für das Justizwesen in Hamburg zurück.
Die Zersplitterung auf dem Gebiet des Anwaltsrechtes war Veranlassung für die einzelnen Anwaltskammern, die in der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet heute zusammengeschlossen sind, dem Bundesjustizministerium den Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung für die Bundesrepublik Deutschland vorzulegen, weil die Anwaltschaft, soweit sie selbst betroffen ist, den Wunsch hat, die Einheit des Rechtes in Deutschland wiederherzustellen.
Zur Vorlage eines Gesetzentwurfs betreffend die Bundesrechtsanwaltsordnung seitens der Bundesregierung ist es bisher nicht gekommen, so daß der Bundestag bisher keine Gelegenheit hatte, eine Bundesrechtsanwaltsordnung zu beschließen.
Es bestehen nun in den einzelnen Rechtsanwaltsordnungen der Bundesländer Bestimmungen, die Fristen gesetzt haben, die mit dem 31. Januar ablaufen. So laufen z. B. für das gesamte Gebiet der Länder ,der britischen Zone, aber auch in einigen andern Ländern Fristen ab, die in den betreffenden Rechtsanwaltsordnungen enthalten sind.
Es ist nun der Wunsch derjenigen Kollegen, die mit mir zusammen den Antrag hier im Bundestag eingereicht haben, daß die Bestimmungen, die zur Zeit in den verschiedenen Anwaltsordnungen enthalten sind, gleichviel, auf welche gesetzliche Grundlage sie zurückgehen, so lange verlängert werden, bis die Bundesrechtsanwaltsordnung in Kraft getreten ist. Wir alle wünschen, .daß dies sobald wie möglich geschehen möge, und ich bringe hier für alle diejenigen, die es angeht, gegenüber dem Herrn Bundesjustizminister den besonderen Wunsch zum Ausdruck, daß der Entwurf der Bundesrechtsanwaltsordnung beschleunigt dem Bundestag vorgelegt und hier auch dementsprechend rasch verabschiedet werden möge.
Wir sehen vor allen Dingen deshalb Veranlassung, dem Bundestag diesen Gesetzentwurf vorzulegen, weil wir vermeiden möchten, daß zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Bundesrechtsanwaltsordnung und dem 31. Dezember dieses Jahres ein Zustand eintritt, in dem es wiederum andere Bestimmungen geben wird, als sie zur Zeit gelten und als sie nach dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung gelten werden. Es hat unseres Erachtens keinen Sinn, mit dem 1. Januar 1951 andere gesetzliche Bestimmungen in Kraft treten zu lassen, als sie zur Zeit in Kraft sind, weil die Zeitspanne bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung so kurz sein wird, daß wir es ohne weiteres glauben verantworten zu können, bis zu diesem Zeitpunkt auch alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen in Kraft zu lassen, die augenblicklich in Kraft sind.
Ich weiß, daß von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben werden im Hinblick auf gewisse Bestimmungen, die die Frage des Bedürfnisses bei der Zulassung von Rechtsanwälten betreffen, und zwar dahingehend, ob sie mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 12, in Übereinstimmung zu bringen sind. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die derzeitigen Bestimmungen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Aber darauf kommt es im einzelnen und in diesem Zusammenhang meines Erachtens nicht an. Wir wollen an dem gegenwärtigen Zustand materiell nichts ändern, sondern wünschen lediglich eine Verlängerung der Fristen, die mit dem 31. Dezember dieses Jahres ablaufen, bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung.
Aus diesem Grunde bitten die Antragsteller und ich Sie, dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1615 Ihre Zustimmung zu geben.