Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem uns alle sicherlich erfreuenden Feuerwerk, das mein sehr verehrter Kollege Brunner zu dieser Frage, die uns ernstlich bewegt, aufsteigen ließ, darf ich Ihnen zunächst einmal einige rein rechtliche und auch völkerrechtliche Fragen vorlegen, die mit diesem Komplex in sehr engem Zusammenhang stehen.
Die Liquidierung des Ufa-Komplexes wirft naturgemäß zuerst einmal die Frage auf: welchen Sinn hatte überhaupt dieses Gesetz Nr. 32? — Damit erhebt sich zugleich auch eine zweite Frage: welchen Sinn hat dann überhaupt die Besetzung Deutschlands? — Unter den Argumenten, die uns von alliierter Seite über den Sinn dieser Besetzung dauernd vorgehalten werden, spielt das der reeducation, der Erziehung Deutschlands zum demokratischen Gedanken, und der Sicherheit der Besatzungstruppen eine vorherrschende Rolle. Aber ich werde wohl sicher die Zustimmung des ganzen Hauses finden, wenn ich frage, was denn um alles in der Welt und im Grunde genommen die Vorenthaltung von Bundeseigentum auf dem Filmwirtschaftsgebiet mit der Frage der Sicherheit der Besatzungstruppen in Deutschland noch zu schaffen hat.
Das ist die Kernfrage, um die es hier geht.
Wenn wir seinerzeit, am 14. November, gehofft hatten, die Interpellation hier schon durchbringen zu können, um meinem Empfinden nach etwas zu verhindern, was eine Blamage geworden ist, nämlich diese Auktion vom 15. November, dann ging es uns wahrhaftigen Gottes nicht darum, ob hier 7 Filme zur Auktion gestellt wurden, sondern es ging uns um die prinzipielle Frage, ob 5 Jahre nach Aufhören der Kampfhandlungen noch Bundeseigentum ohne Mitwirkung deutscher Stellen veräußert werden darf.
Das ist das Entscheidende an diesem Problem, und damit wird zugleich auch die ganze Frage lebendig, die uns ja alle bewegt: inwieweit wird dieser neuen deutschen Demokratie von der Seite der alliierten Behörde Vertrauen oder Mißtrauen entgegengebracht?
Ohne Vertrauen können wir nun einmal weder dieses Staatswesen aufbauen noch auf der andern Seite die Beziehungen zu den Besatzungsmächten herstellen, die uns am Herzen liegen und die wir im Interesse der gemeinsamen Verteidigung für absolut notwendig halten. Aber wenn jedes Gesetz und jede Anordnung nur von äußerstem Mißtrauen diktiert wird, dann kann auf der andern Seite die logische Folgerung nur die sein, daß auch wir mit äußerstem Mißtrauen dem entgegensehen, was uns von der andern Seite geboten wird.
Ein Akt solch ausgesprochenen Mißtrauens der andern Seite war dieses Gesetz Nr. 32, das uns am 1. August offiziell durch den Amtsanzeiger der alliierten Besatzungsbehörde geboten worden ist. Es wäre wahrscheinlich sehr erheiternd und belustigend, die Ausführungen, die mein sehr verehrter Herr Vorredner hier gemacht hat, Ausführungen über die Konzentration der Industrien gleichen Charakters in den Vereinigten Staaten noch zu vertiefen. Es wäre wahrscheinlich sehr amüsant, darzustellen, daß gerade in den Vereinigten Staaten, die uns als Beispiel vorgehalten werden, riesige Theaterketten existieren, Tausende von Theatern in einer Hand vereinigt sind und die Konzentration von Theaterbesitz, von Verleih und Produktion in einer Hand oder in ganz wenigen Händen zu einem in der ganzen Welt sichtbaren Symbol der amerikanischen Filmwirtschaft geworden ist. Man könnte weiter darauf verweisen, daß sogar in England der größte und wertvollste Teil des Theaterbesitzes in drei Ketten vereinigt und konzentriert ist und daß auch dort ganz wenige Gruppen einen beherrschenden Einfluß auf die Filmproduktion haben.
Um so erstaunlicher ist nur die Zähigkeit, mit der man sich auf alliierter Seite gerade in dem Gesetz Nr. 32 auf die Atomisierung der deutschen Filmwirtschaft konzentriert hat. Denn es handelt sich in Wirklichkeit nicht um ein Gesetz zur Dekartellisierung, sondern es handelt sich um ein Gesetz zur Atomisierung der deutschen Filmwirtschaft.
Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Umgekehrt wirft naturgemäß ein solches Verhalten die Frage auf, welches Vertrauen denn eigentlich die breite Masse der Deutschen in ihre eigene Regierung setzen soll, wenn dieser von der anderen Seite Gesetze, die im besten Geist der Zusammenarbeit eingereicht worden sind, als in solcher Form nicht tragbar zurückgegeben werden, wie das in dem Schreiben der Hohen Kommission vom 9. November der Fall war.
Ich darf hier vor allen Dingen auf einen Punkt hinweisen, den mein Herr Vorredner noch nicht näher begründet hat und den auch der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums meinem Empfinden nach nicht eingehend genug dargelegt hat. Es handelt sich um die Zumutung an die Bundesregierung und an das deutsche Parlament, eine Maßnahme zu treffen, die einen glatten Verfassungsbruch darstellt.
Es wird nämlich verlangt, daß in das kommende deutsche Gesetz, das dieses Gesetz Nr. 32 ablösen soll, eine Bestimmung aufgenommen wird, wonach ein bestimmter Personenkreis von dem Erwerb von Bundeseigentum ausgeschlossen werden soll. Die alliierte Seite, die das Grundgesetz ja schließlich sanktioniert hat, weiß ebenso genau wie die deutsche Seite, daß eine solche Bestimmung in ein deutsches Gesetz aufzunehmen einen glatten Verfassungsbruch darstellen würde. Das ist die übereinstimmende Meinung aller Juristen, und ich glaube, daß man sich auch auf seiten der alliierten Juristen über die Tragweite einer solchen Bestimmung nicht im unklaren war. Warum man nun also auch in dem Schreiben vom 9. November darauf bestanden hat, der Bundesregierung die Aufnahme einer solchen Bestimmung in das neue Gesetz zuzumuten, bleibt völlig unerfindlich.
Was die Frage der Monopolgesetze anlangt, so hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums das Notwendige bereits ausgeführt. Aber wir stehen noch vor einer Reihe von anderen Fragen, die uns in diesem Zusammenhang bewegen. Wie mein sehr verehrter Herr Vorredner Muckermann bereits ausgeführt hat und Kollege Brunner im weiteren noch unterstrich, haben wir in der Zwischenzeit die Existenz eines „Beirates" zu verzeichnen, der die Ausführung des Gesetzes Nr. 32 unterstützen soll. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß dieser Beirat im Gesetz Nr. 32 überhaupt nicht vorgesehen ist, daß es sich hier somit um eine Maß-
nahme des freien Ermessens seitens der alliierten Hohen Kommission gehandelt hat, und daß also dieser „Beirat", selbst wenn er die ihm nach den Ausführungsbestimmungen zukommende Aktivität entfalten würde, nicht in der Lage wäre, an wirklichen Beschlüssen der alliierten Hohen Kommission irgend etwas zu ändern. Er ist also ein schmückendes Ornament zu diesem Gesetz, hat aber praktisch nichts zu bedeuten.
Worauf wir uns nach wie vor konzentrieren müssen, ist die Frage: Inwieweit und wie schnell ist die Hohe Kommission bereit, jetzt mit den deutschen Stellen in Verhandlungen einzutreten, um diesen unwürdigen Zustand so rasch wie möglich zu beenden? Bis zum Beweise des Gegenteils nehme ich immer noch an, daß eine Einigung möglich und auch sehr schnell möglich ist. Aus diesem Grunde möchte ich auf die Einzelheiten nicht näher eingehen, weil diese in den Verhandlungen, die hoffentlich in aller Kürze beginnen werden, zu klären sein werden.
Aber in zwei Punkten, glaube ich, wird der Bundestag sich geschlossen zusammenfinden, in zwei Mahnungen an die alliierte Seite. Die erste Mahnung ist die: Wir alle würden es als unerträglich empfinden, wenn während der Zeit, in der hier Verhandlungen über den Ersatz des alliierten Gesetzes Nr. 32 durch ein deutsches Gesetz geführt werden, noch weitere Veräußerungen von Bundeseigentum vorgenommen werden.
Eine solche weitere Verschleuderung von Bundeseigentum würde für uns bedeuten, daß man auf alliierter Seite eben diese Verhandlungen nicht so ernst nimmt, wie wir sie nehmen, und daß man weiter auf alliierter Seite unter Umständen mit dem Gedanken spielen könnte, das Bundeseigentum inzwischen zu verkaufen und danach einem Bundesgesetz die Regelung der Forderungen an dieses Bundeseigentum zu überlassen.
Zweitens, glaube ich, haben wir alle ein Interesse daran, daß die 'Bundesregierung und dieses Hohe Haus so rasch als möglich über den derzeitigen Vermögensstand dieses Bundeseigentums unterrichtet werden. Ich muß hier feststellen, daß weder die Bundesregierung noch dieses Hohe Haus bis zur Stunde eine Bilanz oder irgend etwas, was einer Vermögensaufstellung von Bundeseigentum in Fragen Filmwirtschaft ähnlich sein würde, zur Hand haben. Wir wissen also gar nicht, was in den letzten fünf Jahren mit diesem Eigentum geschehen ist, wie groß es ist und welche Belastungen darauf ruhen. Dieser Zustand ist für ein Volk, das sich jetzt anschicken soll, seinen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung des Westens zu leisten, unerträglich.
Ich möchte mit einem Ausblick schließen, der sich zwangsläufig aus dem hier erörterten Komplex für uns ergeben muß. Was sich im Laufe des letzten Jahres in unserem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film deutlich bemerkbar gemacht hat und was sich gerade in diesem Komplex der Liquidation des Ufa-Vermögens doppelt peinlich bemerkbar gemacht hat, das ist das Fehlen einer deutschen Stelle, die die Anstrengungen auf dem Gebiete der Filmwirtschaft irgendwie koordiniert.
Wir erleben hier auch auf seiten der Bundesregierung - und ich scheue mich nicht, das offen
auszusprechen — ein Nebeneinander an Stelle
einer straffen Koordinierung der notwendigen Unterstützung, die die Filmindustrie haben müßte und sollte.
Es wäre also notwendig, daß die Bundesregierung die Frage ihrer eigenen Organisation auf diesem Gebiete einer Prüfung unterzieht, und es wäre weiter notwendig, daß auch die Bundesregierung einmal ernstlich überprüft, ob die bisherigen Wege der Übermittlung von Noten und Bekanntmachungen der Hohen Kommission über das Bundeskanzleramt, die Verbindungsstelle des Bundeskanzleramtes zu den einzelnen Ministerien, in bezug auf die Geschwindigkeit dieser Übermittlung den Erfordernissen des Tages entspricht.
Auch in dieser Beziehung haben wir bestimmte Wünsche an die Organisation der Bundesregierung, und ich glaube, daß diese Erörterung mit dazu beitragen sollte, hier auch einmal eine Gewissenserforschung anzustellen.
Meine Damen und Herren, ich bin am Ende meiner Ausführungen. Ich kann nur wünschen, daß dieses unerfreuliche Kapitel so rasch wie möglich abgeschlossen wird im Geiste wirklichen Vertrauens in diese junge Bundesrepublik von seiten der alliierten Behörden und daß dieser Geist des Vertrauens seinen Ausdruck darin findet, daß man uns die Möglichkeit gibt, auch vor unseren Wählern und vor dem deutschen Volke darzulegen, daß wir tatsächlich jenes Maß an politischer Selbständigkeit besitzen, das uns nach außen hin so oft zugeschrieben wird, das auf der anderen Seite aber durch derartige Gesetzesmaßnahmen ebensooft in Frage gestellt wird.