Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerksamkeit für den Herrn Redner bitten!
Dr. Etzel (BP), Interpellant: Da die entschlossene Inangriffnahme und Lösung des Problems verzögert zu werden drohten und da es angezeigt schien, gewisse retardierende Momente,
die sich im Bundesfinanzministerium zeigten, zu überwinden oder überwinden zu helfen, wurde diese Interpellation eingebracht. Es sollte gleichzeitig verhindert werden, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand oder die Meinung aufkam, das Parlament könne beschließen, was es wolle, die Exekutive tue ihrerseits, was sie wolle. Diesem Eindruck und dieser Meinung vorzubeugen, lag gleicherweise im Interesse der Legislative wie der Exekutive selbst.
Die Debatten, die im Zusammenhang mit der Beratung der erwähnten Anträge und der Interpellation der Drucksache Nr. 690 betreffend den Schmuggel und Schwarzhandel in Genußmitteln stattfanden, haben den Sachstoff so ausgiebig behandelt, daß es sich erübrigt, auf die Gesamtheit der Gesichtspunkte nochmals zurückzukommen.
Inzwischen hat der Herr Bundesfinanzminister dem 11. Ausschuß Unterlagen zugehen lassen, in denen er die Auffassung vertritt, daß eine Steuersenkung kaum verantwortet werden könne, weil nach den in seinem Ministerium angestellten Untersuchungen und Berechnungen dann nicht mit dem. gleichen Steueraufkommen wie bisher gerechnet werden könne. Bei den Zigarren und beim Bier seien die auf die Steuersenkung gesetzten Erwartungen enttäuscht worden, in beiden Fällen sei das frühere Aufkommen nicht erreicht worden. Dagegen sei das Sollaufkommen in der nicht gesenkten Banderolensteuer für Zigaretten in den Monaten Mai bis Juni ständig gestiegen, der Erfolg der Schmuggelbekämpfung sei hier unverkennbar.
Es soll nicht bestritten werden, daß einer energischen Bekämpfung von Schmuggel und Schwarzhandel mit polizeistaatlichen Mitteln gewisse Erfolge nicht versagt bleiben, und ich gebe zu, daß hier durch eine energische Aktion tatsächlich positive Ergebnisse erzielt worden sind. Aber es sind nur vorübergehende Erfolge. Hier entsteht der Wettlauf zwischen dem Geldschrank und dem Geldschrankknacker. Ich sage nicht, daß der Herr Bundesfinanzminister ein Geldschrankknacker sei,
obwohl an und für sich irgendwo die Meinung entstehen könnte, daß die Geldschränke nicht bloß der Bürger, sondern auch der Länder von dem Bundesfinanzminister geknackt werden. Aber bei diesem Wettlauf siegt sehr häufig der Geldschrankknacker, und bei dem Wettrennen zwischen dem Schmuggler und dem Schwarzhändler einerseits und den Zollwächtern und den Polizeiorganen andererseits ist sehr häufig der Erfolg nur vorübergehend auf der Seite der letzteren. So ist auch zu erklären, daß vor allem aus den besonders gefährdeten und unter dem Schwarzhandel und Schmuggel leidenden südöstlichen Bereichen des Bundesgebietes erneut Klagen darüber kommen, daß nach der Durchführung und seit dem Ende der sogenannten Hummel-Aktion sich die skandalösen Verhältnisse im Schmuggelwesen und auf dem Schwarzmarkt wieder wie früher eingestellt hätten.
Vor allem aber besteht keine Möglichkeit, diese Dinge nur unter dem Gesichtspunkt der polizeistaatlichen Mittel zu betrachten. Bei der Beurteilung des vermehrten Aufkommens aus der Banderolensteuer darf nicht außer acht gelassen werden, daß ja in der Zwischenzeit eine weitgehende Vermehrung der Beschäftigtenzahl, und zwar eine echte Zunahme der Beschäftigtenzahl, unter gleichzeitiger Abnahme ,der Arbeitslosenziffer stattgefunden hat und daß erfahrungsgemäß gerade auf dem Gebiet des Zigarettenkonsums sich eine solche Verbesserung der Arbeitsmarktlage äußert. Gewisse Voreindeckungen, die im Zusammenhang mit dem Korea-Konflikt stattfinden konnten, müssen hier ebenfalls mit in Betracht gezogen werden, so daß nicht alles ausschließlich auf die polizeistaatlichen Mittel abgestellt werden kann. Insbesondere aber ist eine Vergleichsmöglichkeit deswegen nicht gegeben, weil es sich bei Kaffee und Zigaretten um die Rücklenkung illegaler Märkte zur legalen Bedarfsdeckung handelt, ein Problem, das bei Bier und Zigarren nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Schärfe besteht. Außerdem darf dem Einwand des Herrn Bundesfinanzministers, daß sich bei der Senkung der Banderolensteuer vermehrtes Aufkommen eingestellt habe, entgegengehalten werden, daß bei Bier und Zigarren zweifellos gewisse fiskalische Fehler gemacht worden sind. Bei der Senkung der Steuer auf Zigarren wurde ein Durchschnittspreis von 22 Dpf zugrunde gelegt, gleichzeitig aber versäumt, durch Schaffung einer Mindestpreislage einem Durchrutsch des Preises, der dann auch tatsächlich bis auf 18 Pfennig stattfand, vorzubeugen. Dabei war die Festsetzung eines Mindestverkaufspreises von 22 Pfennig durchaus vertretbar, weil die Hauptverbraucher von Zigarren den wirtschaftlich besser gestellten Kreisen angehören, im Gegensatz zur Zigarette, die vor allem auch in Arbeiterkreisen, die die Zigaretten neben dem Pfeifentabak verbrauchen, beliebt ist.
Bei der Zigarettensteuer sind ähnliche Enttäuschungen, wie ich noch darlegen werde, nicht zu erwarten.
Die Senkung der Biersteuer ist verhältnismäßig spät, erst nach dem Ende der heißen Jahreszeit erfolgt. Außerdem bestehen hier die Preisbindungen nicht, wie sie bei der Zigarette 'eingeführt sind. Eine Reihe von Wirkungen der Steuersenkung auf Bier ist zweifellos erst im Laufe der weiteren Monate zum Ausdruck gekommen.
Bei der Zigarettensteuer ist aus fiskalischen Gründen stets ein Mindestverkaufspreis fest- und zugrunde gelegt. Im übrigen handelt es sich hier um einen Markenartikel mit vorgeschriebenen Kleinverkaufspreisen.
Außerdem ist bei den Tabakwaren, vor allem bei der Zigarette, damit zu rechnen, daß noch starke Reserven bei den Verbrauchern zur Verfügung stehen, außer bei denen, die sich auf den illegalen Märkten eindecken. Ferner handelt es sich auch um die Rückgewinnung und Rückwanderung der sogenannten Selbstdreher zur fabrikmäßig hergestellten Zigarette. Schließlich ist noch zu sagen, daß die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums auf einem Kleinverkaufspreis von 6 2/3 Dpf statt des durch die Industrie vorgeschlagenen Satzes von 7 1/7 Pfennig beruhen.
Auch die vom Bundesministerium bezüglich des erhöhten Steueraufkommens aus Kaffee gezogenen Schlußfolgerungen sind meines Erachtens nicht zu halten. An und für sich hätte man erwarten können, daß im Zusammenhang mit dem Koreakonflikt Voreindeckungen stattgefunden haben, so daß auch aus diesem Grunde erklärlich wäre, daß ein erhöhtes Aufkommen erzielt wurde. Aber nun zeigen sich bei einer genauen Durchprüfung des Aufkommens in den zwei wesentlichen Teilen des Bundesgebietes, in Süddeutschland und in Nordwestdeutschland, bedeutende Unterschiede. Gerade in den durch den Schmuggel und den Absatz von amerikanischem Dosenkaffee am meisten betroffenen süddeutschen Ländern einschließlich des Lan-
des Rheinland-Pfalz, deren Bevölkerung 48 % der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes ausmacht, betrug das Aufkommen erstens an Verbrauchssteuern im Fiskaljahr 1949/50 16,1 %, im ersten Vierteljahr 1950 15,8 %, im Juni 1950 11,43 % und zweitens an Verzollungen im Juli 1950 14,89 %, im August 12,79 5, im September 13,24 % und im Oktober 13,22 %.
Man kann nun nicht einwenden, daß der Kaffeehandel, die Röstereien, der Großhandel übergebietlich orientiert seien; denn es wird seitens der nordwestdeutschen Großröstereien zugegeben und festgestellt, daß ihr Absatz nach Süddeutschland sehr gering ist, so daß also der Schluß erlaubt, ja notwendig ist, daß gerade die durch den Schmuggel und durch den Schwarzhandel am stärksten gefährdeten Südost- und Südbezirke des Bundesgebietes unter der Fortdauer des Schmuggels besonders gelitten haben, während im ganzen wohl eine Zunahme der Eindeckungen stattgefunden hat, dort aber eben nicht auf legalen, sondern auf illegalen Märkten.
Einen wesentlichen Punkt bildet weiterhin die Frage der Devisen. Ich habe bereits in der Sitzung vom 12. Mai kurz hierauf hingewiesen. Gewiß erfordern legale Einfuhren Devisen, und eine vermehrte Ablenkung des Verbrauchs auf die legale Einfuhr wird einen vermehrten Devisenbedarf zur Folge haben; bei unserer heutigen Zahlungsbilanz, die uns genötigt hat, soeben einen weiteren Kreditvorschuß von 120 Millionen DM bei der EPU zu beantragen, ein wichtiger Gesichtspunkt, das gebe ich zu. Aber es darf nicht übersehen werden, daß die illegale Einfuhr durch illegale Ausfuhr von Waren, und zwar von besonders wertvollen, heute in der Regel strategisch erwünschten Waren, oder durch illegale Ausfuhr von D-Mark bezahlt werden muß. In beiden Fällen entzieht sich so ein wesentlicher und umfangreicher Abschnitt unseres Außenhandels der deutschen Devisenkontrolle, und die legale Ausfuhr erleidet hier eine ständige starke Verkürzung zugunsten der illegalen. Auch aus diesen Gründen muß danach gestrebt werden, daß Schwarzmarkt und Schmuggel über die Zonen- und politischen Grenzen unbedingt durch organische — nicht polizeistaatliche Mittel, die zum Teil überhaupt versagen, zum Teil nur vorübergehender Natur sind — unterbunden werden.