Rede von
Dr.
Siegfried
Bärsch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, dem Hause die Empfehlung des Ausschusses für Gesundheitswesen zu dem Antrag Drucksache Nr. 942 vorzutragen, wonach der Bundestag beschließen möge, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig zu werden, daß die Entscheidung, inwieweit Trinkwasser zu chloren ist, deutschen Behörden überlassen wird.
Im Zuge der Besetzung hat sich ergeben, daß die amerikanischen Militärbehörden mit der bislang in Deutschland geübten Praxis der Desinfektion des Wassers mit Chlor nicht einverstanden sind, und zwar liegen die Unterschiede im wesentlichen darin, daß die amerikanischen Besatzungsbehörden eine wesentlich stärkere Chlorierung des Trinkwassers fordern, als das bislang in Deutschland geübt worden ist. Die Amerikaner mögen dabei in ihrer Auffassung sehr entscheidend von der Tatsache bestimmt werden, daß in den USA völlig andere Verhältnisse und Voraussetzungen auf diesem Gebiet herrschen als bei uns in Deutschland. In den USA wird das Trinkwasser zum allergrößten Teil aus Oberflächenwasser, aus Talsperren und Flüssen gewonnen und ist infolgedessen in viel stärkerem Ausmaße verunreinigt als bei uns in Deutschland, wo in der Mehrzahl der Fälle sauberes Grundwasser zur Verfügung steht. Grundwasser ist im allgemeinen nicht chloriert worden, sondern chloriert worden ist in Deutschland und in den übrigen Ländern in der Regel nur Oberflächenwasser, das wesentlich stärkere Keimzahlen aufweist.
Die deutsche Wissenschaft ist der Meinung, daß ein freier Chlorgehalt von 0,15 bis 0,2 mg pro Liter nach einer 30minütigen Chlor-Einwirkung ausreichend ist, um eine Gewähr für die Genießbarkeit und Sauberkeit des Wassers zu bieten. Die Amerikaner fordern hingegen einen Mindestgehalt von 0,4 mg pro Liter.
Die Chlorierung des Wassers hat insofern nicht unwesentliche Nachteile, als darunter die geschmacklichen Qualitäten des Trinkwassers erheblich leiden. Das kommt in den Eingaben, die in dieser Frage immer wieder gemacht werden, sehr eindeutig zum Ausdruck. Die Chlorierung hat weiterhin den Nachteil, daß bei allzu starkem Chlorzusatz die Rohrleitungen, die entsprechenden Maschinen usw. Korrosionserscheinungen zeigen.
Bislang haben die Dinge völlig in der Kompetenz der Besatzungsmächte gelegen. Wir glauben aber, daß in Anbetracht der immerhin seit Kriegsende schon verstrichenen 5 Jahre und angesichts der Tatsache, daß auf diesem Gebiet die wissenschaftlichen Meinungen zwar auseinandergehen, wir in Deutschland aber mit unserer bisherigen Methode keinerlei ungünstige Erfahrungen gemacht haben, die Zeit gekommen ist, um hier eine Revision vorzunehmen und von der Alliierten Hohen Kommission zu erwirken, daß die Entscheidung über die Chlorierung des Trinkwassers wieder in deutsche Hände zurückgegeben wird.
Ich bitte Sie, in diesem Sinne dem Antrag des Gesundheitsausschusses stattgeben zu wollen.