Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die uns vorliegenden Drucksachen Nr. 1371 und Nr. 1559 beziehen sich auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937.
Nach diesem Gesetz werden Geburt und Tod eines Menschen bei dem Standesamt beurkundet, in dessen Bezirk Geburt oder Tod eingetreten sind. Eheschließungen werden von dem Standesamt beurkundet, vor dem die Ehe geschlossen wurde. Eine Ausnahme von diesen Vorschriften macht der § 41 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes; er bestimmt, daß Personenstandsfälle, die sich im Ausland ereignet haben, in besonderen Fällen auf Anordnung des Reichsministers des Innern oder der von ihm bestimmten Stelle bei dem Standesamt I in Berlin oder einem anderen von dem Innenminister hierfür bestimmten Standesamt beurkundet werden.
Während des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit ergab sich die Notwendigkeit, diese Grundsätze zu lockern. In den letzten Kriegsmonaten und in der ersten Zeit nach Beendigung der Kampfhandlungen sind die Anzeigen von Geburts- und Sterbefällen vielfach unterblieben. Es trifft das insbesondere zu bei Geburten und Sterbefällen unter den Flüchtlingen aus dem Osten, die auf der Flucht eingetreten waren. In der britischen Zone ist für solche Fälle durch eine Verordnung des Präsidenten des Zentraljustizamtes eine Regelung — eine sogenannte Notbeurkundung — getroffen worden. Die gleiche Regelung haben die Länder der amerikanischen Zone eingeführt. In der französischen Zone sind bisher entsprechende Vorschriften nicht erlassen worden.
Es hat sich nun, und zwar in der letzten Zeit immer mehr, das Bedürfnis bemerkbar gemacht, eine Abweichung von dem Territorialprinzip des Personenstandsgesetzes zuzulassen. Todesfälle in einem Konzentrationslager der Ostzone, deren Beurkung dort meist nicht zu erreichen ist, an deren Beurkundung die Angehörigen häufig aber ein berechtigtes Interesse haben, können bei der jetzigen Rechtslage im Bundesgebiet nicht vorgenommen werden. Den auf Grund einer hessischen Verordnung erfolgenden Beurkundungen von Sterbefällen in den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern fehlt, soweit die in Frage kommenden KZ's außerhalb des Landes Hessen gelegen waren, eine ausreichende Rechtsgrundlage.
Durch den uns vorliegenden Gesetzentwurf soll diesen Wünschen und Notwendigkeiten Rechnung getragen werden. Der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich in eingehender Beratung mit dem Entwurf befaßt, er hat einige Änderungen vorgenommen, die ich kurz erläutern möchte.
Art. 1 Ziffer 1 sieht eine Änderung des § 41 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes vor. Hier hat sich der Ausschuß für die Fassung der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem Vorschlag des Bundesrats entschieden, mit der Maßgabe, daß alle in Frage kommenden Standesfälle ausschließlich beim Standesamt I in Berlin zu beurkunden sind. Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Ermächtigung der Obersten Landesbe-
hörde, für die Beurkundung auch ein anderes Standesamt zu bestimmen, wurde durch einstimmigen Ausschußbeschluß beseitigt. Bestimmend hierfür war einmal die Zweckmäßigkeit der Beurkundung aller derartiger Standesfälle bei einem Standesamt, zum anderen der Umstand, daß die Anordnung der Obersten Landesbehörde nach diesem Paragraphen nicht bereits die Eintragungsanordnung enthält, sondern nur festlegt, daß ein „besonderer Fall" im Sinne des Gesetzes vorliegt und daher eine Beurkundung des Standesfalles zu erfolgen hat. Hieran ist das Standesamt gebunden. Aber der Inhalt der Eintragung in seinen Einzelheiten ist damit noch nicht festgelegt. Beispielsweise kann der Zeitpunkt des Versterbens in dem Konzentrationslager noch der Klärung bedürfen, bevor die Beurkundung des Standesfalles erfolgt. Nicht nur die Mitwirkung der Aufsichtsbehörde, sondern auch die Anrufung des Amtsgerichts, Landgerichts und Oberlandesgerichts wird also vielfach praktisch werden. Werden Standesämter in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken durch die Obersten Landesbehörden eingeschaltet, so wird eine Vielzahl von Gerichten und anderen Dienststellen mit solchen Dingen befaßt, wobei Verschiedenheiten der Handhabung nicht ausbleiben werden, die gerade auf diesem Gebiete besonders unerwünscht sind. Wird dagegen nur dem einen Standesamte in Berlin die Bearbeitung dieser Fälle übertragen, so hat sich nur dessen Aufsichtsbehörde, ferner nur ein Amtsgericht, ein Landgericht und das Kammergericht mit solchen Fällen zu befassen, wobei eine feste Praxis sich rasch bilden wird.
Ein Antrag des Vertreters der Stadt Berlin, dem Standesamt I die Bezeichnung „Sonderstandesamt" zu geben, weil auch Ost-Berlin ein Standesamt I eingerichtet habe, wurde zurückgezogen, nachdem darauf hingewiesen worden war, daß Ost-Berlin ebenso in der Lage sei, sein Standesamt I in „Sonderstandesamt" umzubenennen.
Ein Sammelbuch der Todeserklärungen soll nur noch beim Standesamt I Berlin-West geführt werden. Die neue Fassung bestimmt, daß die dem früheren Reichsminister des Innern zustehenden Befugnisse auf die zuständigen Obersten Landesbehörden übergegangen sind.
Ziffer 2 des Art. 1 regelt das Verfahren bei Zweifeln über die örtliche Zuständigkeit mehrerer Standesbeamten. Auch hier ist der Ausschuß dem Vorschlag des abgeänderten Regierungs-Entwurfs gefolgt.
Die Ziffer 3 des Art. 1 behandelt die Beurkundung der Sterbefälle von Häftlingen der ehemaligen deutschen Konzentrationsläger. Die vorgeschlagenen §§ 43 a bis 43 f enthalten die erforderlichen Vorschriften. Sie sehen vor, daß für alle Sterbefälle von ehemaligen KZ-Häftlingen das Sonderstandesamt in Arolsen ausschließlich zuständig ist und regeln das Verfahren, in dem auch zur besseren Übersicht die Führung einer Kartei vorgesehen ist. Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung, daß die Einrichtung einer zentralen Stelle für die Beurkundung der KZ-Sterbefälle als durchaus zweckmäßig anzusehen sei. Nach § 43 f Abs. 1 sind die Amtshandlungen des Sonderstandesamtes Arolsen gebührenfrei.
In Art 2 des Gesetzentwurfs werden verschiedene Vorschriften der ersten Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 19. Mai 1938 an die Vorschriften des Art. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfes angepaßt.
In § 73 der Ausführungsverordnung von 1938, die die Beurkundung von Standesfällen von deutschen Staatsangehörigen im Ausland, auf der See, in der Luft und der Soldaten behandelt, sollen die Worte „von deutschen Staatsangehörigen im Ausland" ersetzt werden durch die Worte: „von Deutschen im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes, die sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ereignet haben".
Diese Formulierung hat auch an anderen Stellen des Gesetzentwurfes Anwendung gefunden, so in Art. 1 Ziff. 1, 2 und 3 und in Art. 2, Ziffer 1 und 3. Auf die weiteren Einzelbestimmungen formaler Art einzugehen, dürfte sich erübrigen.
Art. 3 der Vorlage schließlich setzt die hessische Verordnung zur Durchführung des Personenstandsgesetzes vom 1. 9. 1949 außer Kraft. Sie ist durch Art. 1, Ziffer 3, § 43 a und folgende dieses Gesetzentwurfes ersetzt. Den auf Grund der hessischen Verordnung erfolgten Beurkundungen von außerhalb des Landes Hessen gestorbenen KZ-Insassen beim Sonderstandesamt Arolsen wird durch Abs. 2 die gleiche Rechtswirkung beigelegt, wie wenn sie auf Grund des vorliegenden Gesetzentwurfs beurkundet worden wären.
Gemäß dem einstimmigen Beschluß des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung habe ich das Hohe Haus zu bitten, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Ausschußfassung annehmen zu wollen.