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    Deutscher Bundestag - 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1950 3751 103. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. November 1950. Geschäftliche Mitteilungen . 3752D, 3764D, 3789D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Entschließung zu den Straßburger Empfehlungen (Nrn. 1600, 1502, zu 1502, 1376 der Drucksachen) 3752D Dr. Pünder (CDU) 3752D Dr. Lütkens (SPD) 3754A Euler (FDP) 3756D Dr. Reismann (Z) 3757D Dr. Seelos (BP) 3758B Frommhold (DRP) 3758C Renner (KPD) 3759C Dr. Gerstenmaier (CDU) 3761C Ordnungsruf betr. Äußerung des Abg. Renner 3765A Beratung der Interpellation der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Fortführung der Soforthilfeabgabe (Nr. 1531 der Drucksachen) . . 3762A Dr. Horlacher (CSU), Interpellant . 3762B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3765A Beratung der Interpellation der Fraktionen der BP, des Zentrums und der WAV betr. die neuen Jagdverordnungen des US-Hochkommissars (Nr. 1381 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Ott u. Gen. betr. Jagd- und Fischereiordnung für Besatzungsangehörige (Nr. 1414 der Drucksachen) 3766D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant 3766D Dr. Ott (BHE), Antragsteller . . . . 3767D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 3768C, 3772B Funk (CSU) 3769B Faßbender (FDP) 3770A Volkholz (BP) 3770D Dr. Glasmeyer (Z) 3771C Kriedemann (SPD) 3772A Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Winterbeihilfe (Nr. 1443 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Degener, Pelster u. Gen. betr. Steuerfreiheit für Weihnachtsgratifikationen (Nr. 1525 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Freigrenze für Weihnachtsgratifikationen (Nr. 1534 der Drucksachen), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Nr. 1541 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einmalige Weihnachtsbeihilfen (Nr. 1586 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Änderung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (Nr. 1587 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erhöhung der Fürsorgesätze (Nr. 1471 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Winterbeihilfe für Hauptunterstützungsempfänger (Nr. 1473 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Verbilligung von Strom und Gas für Hauptunterstützungsempfänger (Nr. 1545 der Drucksachen) 3772D Frau Korspeter (SPD), Interpellantin 3773A Degener (CDU), Antragsteller . . . . 3774D Renner (KPD), Antragsteller . 3775A, 3780C Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . . 3776B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 3777A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3778B Sabel (CDU) 3779A, 3782D Pohle (SPD) 3780A Abstimmung 3781B, 3782B Geschäftsordnungsdebatte betr. namentliche Abstimmung 3781B Dr. Schäfer (FDP) . 3781D Gengler (CDU) 3782A Ollenhauer (SPD) 3782A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen (Nr. 1480 der Drucksachen) . 3783A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3783B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Anwerbung von deutschen Arbeitskräften für Frankreich vom 10. Juli 1950 (Nr. 1481 der Drucksachen) . . . 3783D Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3783D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Gastarbeitnehmer vom 10. Juli 1950 (Nr. 1482 der Drucksachen) 3784B Storch, Bundesminister für Arbeit . 3784B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Grenzgänger vom 10. Juli 1950 (Nr. 1483 der Drucksachen) 3784C Storch, Bundesminister für Arbeit . 3784D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz) (Nr. 1546 der Drucksachen) 3785A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Schifferdienstbücher (Nr. 1311 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 1558 der Drucksachen) 3785B, 3788C Cramer (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3785B Sander (SPD), Berichterstatter . . . 3788C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Nr. 1371 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 1559 der Drucksachen) 3785B Etzenbach (CDU), Berichterstatter . 3785C Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) u. Gen. betr. Notstandsgebiet Wilhelmshaven (Nrn. 1523, 584 der Drucksachen) 3786D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Jaeger, Strauß u. Gen. betr. Trinkwasser (Nrn. 1488, 942 der Drucksachen) 3786D Dr. Bärsch (SPD), Berichterstatter . 3787A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 3787C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs gegen die Schwarzarbeit (Nrn. 1522, 1230 der Drucksachen) 3787D Becker (Pirmasens) (CDU), Berichterstatter 3787D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Nr. 1574 der Drucksachen) . . 3789C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Gerhard Lütkens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich gezwungen gesehen, zu der Frage der Empfehlungen, die die Straßburger Beratende Versammlung allen nationalen Parlamenten übersandt hat, diesem Hohen Hause einen gesonderten Antrag vorzulegen, der die Nr. 1617 trägt.
    Die Zahl der Empfehlungen, die mit dem Schreiben des Präsidenten der Beratenden Versammlung in Straßburg hierher übersandt worden sind, beträgt 7. Von diesen 7 Resolutionen haben die deutschen Mitglieder, die aus der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hohen Hauses nach Straßburg delegiert worden waren, nur 5 annehmen können. Die zwei anderen, nämlich diejenige, die den SchumanPlan begrüßt, und diejenige, welche sich mit einer europäischen Armee, mit der Einrichtung eines sogenannten europäischen Verteidigungsministeriums unter sogenannter demokratischer Kontrolle beschäftigt, haben meine politischen Freunde in Straßburg nicht annehmen, sie haben sie sich nicht zu eigen machen können. Dies ist letzten Endes der Grund, warum es uns nicht möglich gewesen ist, mit den Fraktionen der Regierungskoalition in dieser Sache zu einem vollen Einverständnis zu kommen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst die Gelegenheit benutzen, um gegenüber falschen und unsachlichen Interpretationen, die zu unserer Haltung zu der Straßburger Empfehlung über eine europäische Armee gegeben worden sind, klarzustellen, welchen Standpunkt die deutschen sozialdemokratischen Delegierten in Straßburg eingenommen haben. Wir haben von Anfang an in der Versammlung und in allen Kommissionen, wo immer diese Frage aufgekommen ist, mit Konsequenz den Standpunkt vertreten, daß gemäß dem Art. Id der Satzung des Europarates der Europarat nicht zuständig sei, über Fragen der Verteidigung zu beraten oder zu beschließen.
    Aus dieser unserer grundsätzlichen Stellung, die ein deutliches und klares Nein zu jedem Beschluß über eine europäische Armee, der in Straßburg hätte gefaßt werden können, bedeutet hat, haben wir uns in den weiteren materiellen Abstimmungen logisch und konsequent der Stimme enthalten müssen. Im übrigen war es nach unserer Ansicht bei diesen sonderbaren Beratungen in Straßburg so, daß es auch in der Sache nicht vernünftig war, wenn der Europarat oder die Beratende Versammlung in Straßburg, die der Integrierung und dem Aufbau eines einigen Europas zu dienen geschaffen worden sind, gerade militärische Fragen in erster Linie behandeln würde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Denn Europa muß ein Werk des Friedens und der friedlichen Werte sein, wenn es überhaupt geschaffen werden soll, und keinesfalls kann es als Werk der militärischen Organisation geschaffen werden. Wie es aussehen würde, wenn dieses zukünftige Europa ein Werk der militärischen Organisation wäre, wenn es im Zeichen einer europäischen Armee geschaffen würde, so wie man heute sagt, dann würde es so aussehen, wie es der durchaus uneuropäische Vorschlag des Plevenplans vorsieht.
    Wir sozialdemokratischen Mitglieder in der Straßburger Versammlung haben infolgedessen, wie ich schon sagte, in der ersten Abstimmung zur Churchill-Resolution die Zuständigkeit bestritten. Wir haben später — in der Rede meines Freundes Professor Schmid — darauf hingewiesen, daß es unmöglich sei, eine Europa-Armee zu schaffen, bevor es eine echte europäische Regierung, bevor es ein vereinigtes Europa wirklich gebe. So erklärt sich unsere Haltung. Ich bitte Sie, sich für alle Zeiten zu merken, daß unsere Haltung in Straßburg zu dieser Frage die des absoluten Nein war.
    Meine Damen und Herren! Man hat nun in Straßburg beschlossen, die Empfehlungen, die als besonders wichtig galten und die uns heute hier beschäftigen, deshalb vor die einzelnen nationalen Parlamente zu bringen, um auf diese Weise einen Versuch zu machen, die Beratende Versammlung des Europarats gegenüber dem Ministerkomitee moralisch, konstitutionell und politisch zu stärken. Mit dieser Tendenz der Stärkung der Beratenden Versammlung stimmen wir Sozialdemokraten überein. Nachdem dieses Hohe Haus einmal beschlossen hat, daß die deutschen Mitglieder in die Straßburger Versammlung entsandt werden und dort mitarbeiten sollten, ist es auch nach unserer Meinung richtig, die Stellung der Beratenden Versammlung im Rahmen des Europarats zu stärken, da jedenfalls von dem Ministerrat des Europarats, der eine reine permanente Außenministerkonferenz ist, in der die nationale Souveränität fest verankert ist, keinerlei Fortschritt auf dem Wege nach einem geeinigten Europa erwartet werden kann.
    In diesem Sinne handelt es sich also heute bei unseren Beratungen und unseren eventuellen Beschlüssen darum: Wie können wir einen Beitrag leisten, um die Stellung der Versammlung im Europarat zu stärken? — Mit dem heutigen Beschluß, den wir zu fassen haben, wie mit den entsprechenden Beschlüssen, die andere nationale Parlamente zu fassen haben, können wir zweierlei, wir in diesem Parlament vielleicht sogar nur einerlei zu erreichen hoffen. Wir können erstens durch eine möglichst einstimmige Beschlußfassung in diesem Hohen Hause, die sich auf ein möglichst weites Feld von Übereinstimmung in der Sache erstreckt, die Straßburger Versammlung moralisch durch eine gemeinsame Willenskundgebung stärken. Wir. könnten vielleicht zweitens durch Beschlüsse, die den Straßburger Beschlüssen entsprechen, den Außenministern, die im Ministerkomitee des Europarates sitzen, die Instruktion geben, für die Beschlüsse der Straßburger Versammlung einzutreten, damit sie auch im Ministerkomitee angenommen und so gemeinsames europäisches Recht werden.
    Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik ist, wie Sie wissen, nicht im Ministerkomitee des Europarats vertreten. Die Tatsache, daß die Regierung sich jüngst hat verleiten lassen, im Ministerkomitee neben dem Saargebiet als Kiebitz zu sitzen, ändert nichts daran, daß die Bundesregierung dort keine Stimme hat. Dort kommen nur Singvögel zu Gehör.
    Da gerade vom Europarat und vom Saargebiet die Rede ist, darf ich wohl der Enttäuschung meiner politischen Freunde darüber Ausdruck geben, daß es die Bundesregierung immer noch


    (Dr. Lütkens)

    nicht für geboten gehalten hat, im Rahmen des Europarats der vom Führer der Opposition wiederholt gegebenen Anregung zu folgen, die Mitgliedschaft des Saargebietes im Europarat als statutenwidrig anzufechten, weil es sich bei dem Saargebiet in seiner heutigen Gestalt nicht um ein demokratisches Gebilde handelt. Was haben sich eigentlich die Vertreter der Regierung in Rom gedacht, und was haben sich wohl die Herren Außenminister der verschiedenen Länder, 'die in diesem Ministerkomitee vertreten sind, gedacht, als namens der Bevölkerung ,des Saargebietes Herr Gustave Rector, ein französischer Staatsangehöriger, der Chef der politischen Polizei des Saargebietes, die jenes undemokratische Regime hält, ausgerechnet die Konvention zur Wahrung der Menschenrechte unterschrieb!

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Renner: Der arbeitet mit Zustimmung eurer Sozialdemokraten!)

    Die Bundesregierung ist, ,da sie im Ministerkomitee nicht vertreten ist, gar nicht in der Lage, an der 'Gestaltung der Dinge mitzuwirken, die im Ministerrat geschehen. Infolgedessen kommt es für uns heute hier in diesem Hohen Hause im wesentlichen darauf an, wenn wir der Sache der Beratenden Versammlung des Europarates dienen wollen, die möglichst einhellige Auffassung des Bundestages sichtbar zu machen, die dahin geht, die Beratende Versammlung moralisch zu stärken gegenüber dem Ministerkomitee.
    Dieser Stärkung soll unser Antrag auf Drucksache Nr. 1617 dienen, den wir Ihnen heute vorlegen. Er umschreibt den Bezirk des weitestmöglichen Übereinkommens unter den deutschen Mitgliedern der Straßburger Versammlung und unter denen dieses Hohen Hauses. Um das zu erreichen, läßt er die beiden Straßburger Empfehlungen, über die damals unter den deutschen Mitgliedern des Europarats keine Übereinstimmung zu erzielen war und über die heute noch viel weniger ein Übereinkommen zu erzielen ist, unerwähnt. Wir haben uns in Straßburg alle verpflichtet, die dortigen Empfehlungen nach bestem Wissen und unter Einschätzung der Sachlage, wie sie ist, in unseren nationalen Parlamenten zur Annahme zu empfehlen. Dies kann uns aber keinesfalls der Verpflichtung entheben, die Haltung hier unter politischen Gesichtspunkten zu bestimmen, wie es am sachgerechtesten, am förderlichsten für die Sache ist, um die es geht. Die Sache, um die es in diesem Augenblick geht, ist nicht die Austragung von Meinungsverschiedenheiten innerpolitischer Art. Es ist die Frage, wie wir hier der Beratenden Versammlung des Europarates in ihren Auseinandersetzungen mit dem Ministerkomitee des Europarates am besten zu Hilfe kommen können.
    Meine Damen und Herren! Es ist auch zu bedenken, daß das Ministerkomitee des Europarates vor wenigen Tagen in Rom zu den beiden umstrittenen Empfehlungen, der über die europäische Armee und der über den Schuman-Plan, eine endgültige und wie ich meine in der Sache absolut richtige Entscheidung getroffen hat. Zu der Empfehlung über eine europäische Armee hat der Ministerrat mit Recht festgestellt, daß das gemäß den Statuten des Europarats nicht dessen Angelegenheit sein könne. Diese Entscheidung war von vornherein zu erwarten. Es hat sich gezeigt, daß die Versammlung außerordentlich unweise war, als sie sich unter dem Halali der rotbefrackten Fuchsjäger vor der Versammlung durch die aufgeregten Reden in Panik geratener Politiker in eine Stimmung hat versetzen lassen, die es gar nicht möglich machte, die eingebrachten Resolutionen zur europäischen Armee sachlich und ruhig zu erörtern.
    Ich mache Sie darauf aufmerksam, meine Damen und Herren, daß es in Straßburg bei dieser Gelegenheit möglich gewesen ist, eine so ernsthafte Resolution durchzupeitschen, ohne sie überhaupt in einem Ausschuß zur sachlichen Beratung zu bringen.

    (Abg. Renner: So scharf sind sie auf den Krieg, die Herren in Straßburg!)

    Nachdem sich im Ministerkomitee nun gezeigt hat, daß es ebenfalls auf dem 'Standpunkt steht, daß der Europarat für diese Verteidigungsfragen nicht zuständig ist, besteht nicht die geringste Aussicht mehr, daß irgendwelche Bestätigungen der Straßburger Beschlüsse in dieser Frage zu einem sachlichen Ergebnis führen könnten. Es ist vielmehr so, daß jedes weitere Bestehen der Beratenden Versammlung in Straßburg auf dieser Empfehlung ,die Beratende Versammlung in den Augen der Öffentlichkeit und vor sich selbst lächerlich machen wird. Aus diesem Grunde, so glaube ich, ist es wirklich angebracht, wenn man der Beratenden Versammlung in Straßburg helfen will, auf dieses Thema nicht mehr zurückzukommen.
    Wieder mit Recht hat das Ministerkomitee beschlossen, die Resolution zum Schuman-Plan den sechs Regierungen zuzuweisen, die über diese Frage verhandeln; wieder in Übereinstimmung mit dem, was in der Sache und nach der Zuständigkeit richtig ist. Der Weg des Ministerkomitees ist hinsichtlich der Verfahrensweise auch in dieser Frage richtig. Aber abgesehen davon ist es doch wohl so, daß seit August, als die Debatte in Straßburg über den Schuman-Plan stattgefunden hat, sich der Inhalt des in Vertragsform möglicherweise zustandekommenden Schuman-Plans völlig verschoben hat. Diejenigen, die damals den Plan begrüßten, sollten sich heute doch wohl überlegen, ob sie es noch zu tun vermögen. Denn, meine Damen und Herren, es ist doch wohl so, daß die wesentlichsten ökonomischen Bestandteile des ursprünglichen Vorschlags des Herrn Ministers Schuman vom 9. Mai dieses Jahres nicht in dem Vertragswerk enthalten sein werden. Alles, was auf eine ökonomische Integrierung Europas im echten Sinne Bezug hat, wird in dem Vertragswerk, das der Regierung inzwischen wohl zugegangen ist, nicht enthalten sein. Neben einem schönen und geradezu pompösen Aufbau an politischen Behörden gibt es in diesem Vertragswerk nur noch eine ökonomisch wichtigen Inhalts, und das ist die Behörde zur Investitionskontrolle über die Kohle- und Eisenindustrie Europas.
    Der Schuman-Plan, meine Damen und Herren von der CDU, wird sich vor Ihren erstaunten Augen noch als ein Bankert der Europaphilosophie enthüllen, und wenn es erlaubt wäre, in allen Ländern der Vaterschaft nachzugehen, so würde sich als Vater, wie ich fürchte, Mars oeconomicus herausstellen. Dieses Vertragswerk ist als der zweite Ring gedacht, der sich neben die uns unter dem Okkupationsrecht auferlegte Produktionskontrolle und die Produktionsbeschränkungen legen soll, um das Produktionsvolumen unserer Eisen-und Stahlindustrie, auf deren Produktion wir so dringend angewiesen sind, künstlich niedrig zu halten. Diese Umstellung macht es auch verständlich, warum der Pleven-Plan die Unterschrift unter den Schuman-Plan-Vertrag als Voraussetzung für die etwaige Beteiligung deutscher Kontingente


    (Dr. Lütkens)

    an einer sogenannten europäischen Armee bezeichnet.
    Auch aus diesen Gründen, nämlich wegen der völligen Verschiebung, die inzwischen hinsichtlich des sachlichen Inhalts des Kohle- und Eisenvertrages stattgefunden hat, kann ich nicht einsehen, warum es richtig, warum es nötig oder warum es der Entwicklung der Beratenden Versammlung in Straßburg förderlich sein könnte, zu diesem Punkt hier noch einmal Stellung zu nehmen. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ich möchte Ihnen doch auch zu überlegen geben, daß es Ihre Regierung ist, die von Ihnen eingesetzte Regierung, die gerade zu diesem Problemkreis in entscheidenden Verhandlungen oder Vorverhandlungen steht. Es ist doch wirklich nicht üblich, und wir jedenfalls von der Opposition haben nicht den Wunsch, einer Regierung, während so wesentliche Verhandlungen schweben, durch eine Vorentscheidung die Hände zu binden. Wenn wir uns auf diesen Weg einlassen, meine Damen und Herren, den Sie uns in Ihrem Antrag Drucksache Nr. 1600 vorschlagen, wenn wir hier wieder zu Schuman-Plan und Europa-Armee Stellung nehmen — wenn auch nur implizite —, so tun wir ja dasselbe, was wir von der Opposition seit wenigstens einem Jahre der Bundesregierung vorwerfen: Wir machen auch von uns aus eine Vorleistung, ohne vorher gesichert zu sein, daß uns auch eine entsprechende Gegenleistung für diese Vorleistung gegeben wird. Es muß doch endlich einmal mit der Politik der Vorleistungen auf internationalem Feld ein Ende haben.
    Den Antrag, den meine Fraktion Ihnen vorgelegt hat, haben Mitglieder aller Fraktionen, die in der Straßburger Beratenden Versammlung gewesen sind, mit meiner Fraktion gemeinsam ausgearbeitet und mit Sorgfalt redigiert. Wenn trotz dieser gemeinsamen erfolgreichen Anstrengungen doch heute hier von einigen Fraktionen ein anderer Antrag vorgelegt wird, so scheint es mir, er könne wohl nicht das Resultat von Erwägungen und Sorgen um Europa, nicht das Resultat von Überlegungen sein, die sachgerecht auf die Förderung des europäischen Gedankens und der Beratenden Versammlung in Straßburg gerichtet sind. Es handelt sich hier vielmehr um einen Antrag, der das Hohe Haus zu einer Stellungnahme auch zu den umkämpften Empfehlungen zwingen will; es handelt sich um einen Antrag, der uns unter das kaudinische Joch Ihrer fraktionellen Politik zwingen will.

    (Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Gerade aus dem Geiste eines guten Europäertums heraus können wir diesem Antrag Drucksache Nr. 1600 nicht zustimmen, weil er durch Überlegungen fraktioneller Natur veranlaßt ist. Man will aus rein parteitaktischen Gesichtspunkten ohne Rücksicht auf die Sache hier einen Erfolg in der Abstimmung erzielen. Wir haben es mit einem Verfahren zu tun, das in dem Hohen Hause schon häufiger angewandt worden ist. Man richtet an uns von der sozialdemokratischen Fraktion, wie auch heute wieder, Appelle, in Fragen der außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik — und dazu gehört ja schließlich auch die Frage des Europarates — gemeinsam mit der Regierung und ihren Parteien vorzugehen. Wenn es dann aber zur Sache kommt, dann wird mit fraktioneller Taktik die ganze Basis einer erarbeiteten gemeinsamen politischen Linie von Ihnen zerstört. Es ist
    in diesem Falle genau so, wie wir es in der vorigen Woche in so bedauerlicher Weise hier ex abominarco erlebt haben, als wir mit der Tatsache einer Entschließung des Kabinetts konfrontiert wurden, von der meine Fraktion keine Kenntnis hatte. So erleben wir es im großen und so erleben wir es im kleinen.
    Wir sind zu gemeinsamer Politik bereit, wenn eine gemeinsame Linie erarbeitet werden kann. So ist es in Fragen Europas, so ist es in Fragen der allgemeinen internationalen Beziehungen der Bundesrepublik. Aber wir sind nicht bereit zuzulassen, daß der gute Wille, den wir haben mißbraucht wird, und daß hinter einer Fassade zur Schau getragener Gemeinsamkeit parteitaktische Vorteile unserer ziemlich notorischen Gutmütigkeit

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    abgelistet werden.
    Meine Damen und Herren, wir werden also nur für den von uns eingebrachten Antrag Drucksache Nr. 1617 stimmen, einen Antrag, den ich mit größtem Vergnügen mit einer großen Zahl von deutschen Delegierten zur Beratenden Versammlung in Straßburg aus allen Fraktionen abgefaßt habe. Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich bitte Sie, sich zu überlegen, ob Sie das Gewicht, das ein Beschluß des Hohen Hauses im Sinne einer Förderung des europäischen Gedankens haben könnte, dadurch schwächen wollen, daß Sie das Hohe Haus bei einer Abstimmung spalten und mit einer geringen Mehrheit von Stimmen einen Antrag gegenüber einem anderen Antrag durchbringen. Ich bitte Sie also, Ihren Antrag zurückzuziehen.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Lütkens hat die Ablehnung seiner Fraktion gegenüber dem Antrag Drucksache Nr. 1600 zuerst damit begründet, daß der Europarat für die Frage der Verteidigung überhaupt nicht zuständig sei. Dieses Argument ist formell richtig. Aber es ist um so seltsamer, daß es von der Sozialdemokratie vorgetragen wird, die ihre grundsätzliche Stellungnahme zum Europarat — als es sich darum handelte, ob Deutschland dem Europarat beitreten solle — davon abhängig machte, daß zunächst einmal dem Europarat die Zuständigkeiten gegeben werden, die Voraussetzung für eine materielle Wirksamkeit seien. Damals hat die Sozialdemokratie grundsätzlich geltend gemacht, daß der Europarat in seinen Zuständigkeiten eben allzusehr beschränkt sei.
    Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann das Verhalten des Europrates sonderbar finden, aber es ist nicht sonderbar, daß er in jenen Augusttagen in den ersten Wochen des Krieges in Korea, seine Zuständigkeit bewußt überschreitend, das Wort zu den Verteidigungsfragen erhob, wenn man sich vergewissert, unter welchen Umständen der Europarat damals zu diesen Fragen Stellung nahm.

    (Zuruf von der KPD: „Umständen" ist gut!)

    Damals standen alle Völker der freien Welt unter
    dem Eindruck des kommunistischen Angriffs in
    Korea, jenes von langer Hand vorbereiteten


    (Euler)

    Gangsterstreichs, der seit jener Zeit die Besorgnisse aller Völker auf das Äußerste erhöht hat,

    (Zustimmung in der Mitte; Zuruf des Abg. Renner)

    und unter dem frischen Eindruck dieses Angriffs, der die sowjetische Bedrohung, die über die gesamte Welt verhängt ist, besonders sichtbar machte, war es Ausdruck dessen, was alle europäischen Völker fühlten, als die Churchill-Entschließung vom Europarat angenommen wurde.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Damals, in dieser Situation, trat etwas hervor, was inzwischen manche wieder vergessen haben, seitdem die akute Gefahr zurückgewichen ist, daß nämlich ein Europa, wie wir es haben wollen, als eine „Organisation der friedlichen Werke" allerdings, wie Herr Kollege Lütkens es bezeichnete, eben leider gar nicht möglich ist, wenn nicht eine starke Abwehr geschaffen ist, die in der Lage ist, diese Organisation zum Zweck der friedlichen Werke gegen Angriffe aus dem Osten zu verteidigen. Dies scheint in Vergessenheit zu geraten, und andere Momente treten wieder in den Vordergrund, wie das häufig in der Politik der Fall ist. Das unmittelbar starke Empfinden einer Lebensnotwendigkeit, das unter dem Eindruck einer aktuellen Gefahr plötzlich durchschlägt, schwächt sich wieder in dem Maße ab, als die Situation eine Abschwächung der Gefahr erkennen läßt.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, daß dieses Hohe Haus dem folgen sollte, was damals die Mitglieder der Regierungsparteien im Europarat zum Ausdruck gebracht haben; sie haben sich damals der ChurchillEmpfehlung für eine europäische Verteidigung und der anderen Empfehlung über die Notwendigkeit des Schuman-Plans angeschlossen, weil damit dem starken deutschen Willen, nicht nur an den Rechten, sondern auch an den Pflichten teilzunehmen und eine europäische Organisation zu schaffen, die beides trägt, Ausdruck gegeben wurde. Wenn wir heute die damalige Stellungnahme der Regierungsparteien in Straßburg zu bekräftigen wünschen, dann geschieht das unter Betonung aller Vorbehalte, die vom deutschen Standpunkt geltend zu machen sind. Wir verweisen mit Nachdruck darauf, daß sowohl die Regierung wie die Regierungsparteien bei der kürzlichen Debatte den Gedanken der deutschen Gleichberechtigung mit großem Nachdruck herausgestellt und unzweideutig ausgesprochen haben, eine deutsche Verpflichtung hinge davon ab, daß die Gleichberechtigung erst in weitgehendem Umfang verwirklicht sein müsse. Wir möchten der Regierung in diesem Zusammenhang zurufen, daß sie diese damals hervorgehobene Notwendigkeit, die deutsche Gleichberechtigung durchzusetzen, nicht leicht nehmen möge. Es handelt sich dabei um eine ernste Angelegenheit, und wir werden, wenn die Frage der deutschen Teilnahme an europäischer Verteidigung demnächst praktisch zu entscheiden ist, unsere Stellungnahme allerdings davon abhängig machen, inwieweit von einer Verwirklichung der deutschen Gleichberechtigung unter den dann gegebenen Umständen gesprochen werden kann.
    Nun ist noch ein zweiter Punkt, der demnächst, wenn diese Frage zu entscheiden ist, von uns auf das kritischste geprüft werden wird. Das ist nämlich die Frage, ob die Vorbereitungen für eine gemeinsame europäische Verteidigung unter solchen Umständen erfolgt, daß den gegebenen Vorbelastungen der Bundesrepublik in finanzieller Hinsicht auch in dem erforderlichen Umfange Rechnung getragen wird. Wir haben neulich bei der Debatte über diese Angelegenheit mit aller Entschiedenheit hervorgehoben, daß es sich bei den Schutzmaßnahmen auf deutschem Boden um eine Gesamtaktion der freien Völker handelt, an deren Durchführung alle freien Völker interessiert sind, weil sie auch ihrem Schutzbedürfnis entsprechen. Daraus muß die Konsequenz gezogen werden, daß die finanzielle Sicherstellung dieser Schutzmaßnahmen auf deutschem Boden unter dem anteiligen Einsatz aller erfolgt.
    Schließlich ergibt sich eine besonders starke Vorbelastung der Bundesrepublik daraus, daß die Maßnahmen, die die Alliierten im Zuge einer völlig verfehlten Politik auf Grund des Morgenthauplanes in den Jahren 1944/45 mit der Sowjetunion verabredet haben, gerade uns in so außerordentlich starkem Maße mit sozialen Verpflichtungen belastet haben. Die Erfüllung dieser sozialen Verpflichtungen gegenüber 7,5 Millionen Heimatvertriebenen und gegenüber den 1,5 Millionen Ostzonenflüchtlingen, den Opfern der verfehlten Jalta- und Teheranpolitik der Alliierten aus einer Zeit, als sie bemüht waren, ihren guten Freund Churchill zu einem guten Demokraten und Pazifisten anglo-amerikanischer Herkunft zu machen, muß uns heute zu unserer finanziellen Entlastung gutgebracht werden.

    (Glocke des Präsidenten.)