Rede von
Dr.
Hermann
Pünder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der dem Hohen Hause vorliegenden Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Nr. 1600 habe ich namens der unterschreibenden Fraktionen folgende Erklärung abzugeben.
Wir haben es lebhaft begrüßt, daß die Beratende Versammlung des Europarats beim Abschluß des ersten Teiles ihrer diesjährigen Verhandlungsperiode den Entschluß gefaßt hat, ihre wichtigsten Entschließungen den nationalen Parlamenten der europäischen Mitgliedsstaaten zur Annahme zu unterbreiten. Auch wir geben uns der Hoffnung
hin, daß auf diesem Wege ein schnellerer Fortgang
der Arbeiten des Europarats gewährleistet wird.
Zu diesen in Drucksache Nr. 1502 enthaltenen wichtigsten Entschließungen der Beratenden Versammlung erscheinen uns längere Ausführungen heute nicht erforderlich. Wie aus dem Ihnen vorliegenden Antrag hervorgeht, begrüßen wir diese Empfehlungen der Beratenden Versammlung des Europarats samt und sonders. Wir würden es ferner begrüßt haben, wenn über diese wichtige Feststellung eine einmütige Auffassung des Hohen Hauses hätte herbeigeführt werden können. Wenn ein Teil des Hohen Hauses sich zu dieser Feststellung nicht hat durchringen können und außerdem eine stufenweise Bewertung der einzelnen Empfehlungen der Beratenden Versammlung für geboten hält, so bedeutet diese Meinungsverschiedenheit in einigen Einzelfragen nach unserer Auffassung keineswegs, daß über die Grundzüge einer klaren und energischen Europapolitik im Hohen Hause und weit darüber hinaus im ganzen deutschen Volk Uneinigkeit bestünde. Daß dem so ist, zeigt ja schon ein Blick in die Drucksache Nr. 1617 der Fraktion der SPD, die soeben verteilt worden ist und die gerade in diesen wichtigsten Punkten europäischer Politik mit den Formulierungen unserer eigenen Entschließung völlig übereinstimmt.
Zu den einzelnen Empfehlungen der Drucksache Nr. 1502 seien in der Reihenfolge ihrer Wiedergabe in dieser Drucksache nur wenige Bemerkungen angefügt.
Unsere allgemeine Billigung der Haltung der Beratenden Versammlung des Europarats bezieht sich auch auf die Empfehlung über die Schaffung einer europäischen Armee. Wir sind aber der Auffassung, daß eine weitere Erörterung dieser Angelegenheit im Bundestag gegenwärtig überflüssig ist. Die unterzeichnenden Fraktionen bitten die Bundesregierung, zur Erhaltung des Friedens diese Empfehlung vom 11. August ihren weiteren Verhandlungen über eine gemeinsame europäische Verteidigungsmacht freier und gleichberechtigter Völker unter gemeinsamer Führung und unter gemeinsamer Kontrolle zugrunde zu legen.
Große Bedeutung messen wir der weiteren Empfehlung vom 28. August dieses Jahres über die allgemeinen politischen Richtlinien des Europarats bei. Wir begrüßen, daß in dieser Empfehlung die Beratende Versammlung erneut ihren Wunsch bekräftigt, mit möglichster Beschleunigung europäische Organe, wenn auch mit vorläufig noch begrenzten Funktionen, so aber doch tatsächlichen Vollmachten, eingesetzt zu sehen, und zwar gerade für die in dieser Entschließung aufgeführten Gebiete der Politik, Wirtschaft, Sozialpolitik, des Rechts und der Kultur. Wenn der Ministerrat in seiner letzten Entschließung in Rom noch eine weitere Prüfung gerade dieser Vorschläge durch besondere Sachverständige für notwendig gehalten hat, so möchten wir doch dringend der Erwartung Ausdruck geben, daß die Arbeiten dieses Sachverständigenausschusses nun auch tatsächlich bis zu dem vom Ministerrat gesetzten Termin des 1. März 1951 zu einem befriedigenden Abschluß kommen. Wir ermuntern die deutschen Delegierten in der Beratenden Versammlung, gerade auf den Fortgang dieser Arbeiten und die Einhaltung dieser Frist ihr besonderes Augenmerk zu richten.
Ein gleiches gilt auch für die Vorschläge über die politische Autorität des Europarats und vor allem für die Änderung der Vorschriften über das Vetorecht in der Satzung des Europarats.
Die unterzeichneten Fraktionen begrüßen auch, daß die Beratende Versammlung am 26. August die Empfehlung über eine Behörde für Kohle und Stahl beschlossen hat. Wir machen uns diese zum SchumanPlan ergangene Empfehlung vollinhaltlich zu eigen und bitten die Bundesregierung, die Verhandlungen über den Schuman-Plan im Sinne dieser Empfehlung zu Ende zu führen. Ebenso findet die Empfehlung vom 25. August über die Schaffung einer europäischen Ordnung sozialer Sicherheit unsere volle Zustimmung.
Wir bringen auch der Empfehlung vom 26. August zur Frage der Vollbeschäftigung volles Verständnis entgegen und stimmen mit der Maßgabe zu, daß die Gewährleistung einer vollen Beschäftigung auf der Grundlage einer stabilen Währung und eines gesunden und freien internationalen Warenaustausches das Ziel der europäischen Politik sein muß.
Unsere volle Zustimmung findet auch der Entwurf der Konvention über den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten vom 24. August.
— Wir begrüßen es lebhaft, Herr Renner,
lebhaft sogar, daß wenigstens auf diesem ersten bedeutsamen Teilgebiet durch die Unterzeichnung dieser Konvention gelegentlich der letzten Sitzung des Ministerrats in Rom ein erster bedeutsamer Erfolg produktiver Zusammenarbeit zwischen Beratender Versammlung und Ministerrat erzielt werden konnte. Wir bedauern jedoch, wie dies ja auch in der Ihnen vorliegenden Entschließung, Drucksache Nr. 1600, zum Ausdruck kommt, daß der Ministerrat sich diese Vorschläge der Beratenden Versammlung nicht voll zu eigen gemacht, vielmehr noch eine eingehende Überprüfung gerade dieser Vorschläge durch einen Sachverständigenausschuß für geboten erachtet hat. Wir möchten der Erwartung Ausdruck geben, daß durch die Einsetzung dieses neuen Untersuchungsausschusses keine zu große Verzögerung eintritt, und wir ersuchen die Bundesregierung und die deutschen Delegierten zum Europarat, unter allen Umständen darauf hinzuwirken, daß auch das zur Vervollständigung des Abkommens in Aussicht genommene Zusatzprotokoll alsbald unterzeichnet wird.
Schließlich bringen die unterzeichneten Fraktionen ihre Befriedigung darüber zum Ausdruck, daß der Ministerausschuß am 4. dieses Monats in Rom die Empfehlungen der Beratenden Versammlung über die dringende Notwendigkeit der Hilfeleistung für Flüchtlinge angenommen hat. Mit der hierbei vorn Ministerrat angeordneten Erweiterung des Straßburger Generalsekretariats um eine Flüchtlingsabteilung darf es naturgemäß nicht sein Bewenden haben. Vielmehr hoffen wir zuversichtlich, daß entsprechend den Vorschlägen der Beratenden Versammlung im Geist gemeinsamer europäischer Verantwortung beschleunigt ein europäisches Flüchtlingsamt geschaffen wird, und zwar mit ausreichenden Vollmachten.
Auf den äußerlich knappen Schlußsatz der dem Hohen Hause vorgelegten Entschließung legen wir besonderen Wert. Trotz mancher Enttäuschungen und sattsam bekannter Hemmungen möchten wir die deutschen Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates ermutigen, mit allen
ihnen zu Gebote stehenden Mitteln weiterhin dahin zu wirken, daß in nicht zu ferner Zeit ein vereinigtes Europa freier und gleichberechtigter Völker geschaffen wird. Eine gleiche Haltung erwarten wir zuversichtlich auch von der Bundesregierung.