Meine Damen und Herren! Wenn man den Wirtschaftsminister Erhard hört, dann könnte man annehmen: weil die Verbraucher in diesem Sommer die Kohlen bei den Kohlenhändlern nicht abgeholt haben, deshalb ist jetzt eine Kohlenverknappung eingetreten. In Wirklichkeit ist die Kohlenknappheit auf ganz andere Ursachen zurückzuführen. Die ungeheuren Rüstungsaufträge in der westdeutschen Wirtschaft und die damit verbundene Aufrüstung in den kapitalistischen Weststaaten haben zu einer ungeheuren Beanspruchung der deutschen Kohle geführt.
Auf Grund der Vollmacht der Ruhrbehörde wurde festgelegt, daß eine größere Menge Kohle exportiert werden muß. So müssen im vierten Quartal 20,83 Millionen Tonnen aus dem Ruhrbergbau ausgeführt werden.
In der heutigen Ausgabe der „Welt" wird unterstrichen, daß der Vertreter der Vereinigten Staaten in der Ruhrbehörde die rücksichtslose Ablieferung dieser Quote verlangt hat. Nur dadurch, daß man jetzt für die Rüstungsmaßnahmen zur Vorbereitung eines neuen Krieges Kohlen braucht, nur dadurch sind Schwierigkeiten in der Versorgung unserer einheimischen Industrie, unserer Kleingewerbetreibenden, unserer Landwirtschaft und nicht zuletzt der Verbraucher eingetreten.
In diesem Jahr hat man uns dreimal einen I neuen Kohlenexportpreis aufgezwungen. Das hat zu ungeheuren Verlusten für den deutschen Kohlenbergbau und damit für die deutsche Wirtschaft geführt. , Rund 200 Millionen Mark gingen durch die Unterordnung der deutschen Interessen unter das Ruhrstatut und unter die amerikanische Kriegspolitik für den deutschen Ruhrbergbau verloren. Um diese Verluste auszugleichen und um Mittel für neue Investierungen im Kohlenbergbau zu schaffen, plant man jetzt eine Heraufsetzung des Kohlenpreises. Man spricht von einer Preiserhöhung pro Tonne Kohle von vier bis sechs Mark. Zum Teil versuchen bürgerliche Zeitungen, die Kohlenpreiserhöhung auf die lächerliche Lohnerhöhung, die man den Bergarbeitern gegeben hat, zurückzuführen.
Da sich die Bundesregierung dem Ruhr- und dem Besatzungsstatut unterworfen hat, da sie die Politik der amerikanischen Kriegstreiber mitmacht, ist sie auch voll und ganz für die Kohlenknappheit, die jetzt auf allen Gebieten eintritt, verantwortlich.
Aber ich mache nicht nur die Bundesregierung für diese Lage verantwortlich. Ich möchte auch dem Herrn Kollegen Dr. Koch sagen, daß die Sozialdemokratische Partei zu dem Ruhrstatut prinzipiell ja gesagt hat. Ich entsinne mich nämlich jener Debatten, die wir im Landtag von Nordrhein-Westfalen über das Ruhrstatut hatten.
Der Abgeordnete Henßler, der in diesem Hause sitzt, sprach sich damals für die Annahme des Ruhrstatuts und damit für den durch die Ruhrbehörde aufgezwungenen Export aus.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Fraktion so stark für den Vertreter ihrer Partei in der Ruhrbehörde gekämpft hat.
Ich denke an den Vertreter in der Ruhrbehörde Herrn Dr. Potthoff, der ja Anhänger der Sozialdemokratischen Partei ist.
Was nottut, um diese Kohlenknappheit zu beheben, ist, daß man sich energisch gegen den erzwungenen Kohlenexport wehrt. Wir haben in der Vorkriegszeit, in der Friedensperiode, noch nie so viel Kohlen ausgeführt wie nach dem Jahre 1945.
Wir müssen verlangen, daß im Kohlenexport ein anständiger Preis bezahlt wird, damit unsere Bergarbeiter die notwendigen Lohnerhöhungen erhalten. So ist zu verhindern, daß neue Preissteigerungen auf dem Kohlenmarkt eintreten.
Es war sehr peinlich für die sozialdemokratische Parteiführung, daß sich gerade der Professor Erhard, dieser Wortführer der freien Marktwirtschaft, d. h. der Ausplünderungswirtschaft gegenüber dem werktätigen Volk, auf ein Abkommen mit den Vertretern des Industrieverbandes Bergbau berufen konnte.
Jawohl, die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer in der Verbandsleitung des Industrieverbandes Bergbau wollen jetzt mit der Deutschen Kohlenbergbauleitung, mit dem Herrn Generaldirektor Dr. Kost und mit der Ruhrbehörde durch neue Antreibermethoden neue Steigerungen in der Kohlenförderung erzwingen.
Zur Vorbereitung dieser Maßnahmen und zur Brechung des Widerstandes der Bergarbeiter hat man Zug um Zug auf den entscheidenden Zechen versucht, alle fortschrittlichen Betriebsräte kaltzustellen und sie unter Bruch des Arbeitsrechts aus den Betrieben zu entlassen.
Wir wehren uns gegen diese Panzerschichten. Diese Panzerschichten hatten wir schon einmal während der Hitlerzeit. Diese Antreibermethoden führen zur Herabminderung des Solidaritätsgefühls der Bergarbeiter.
Wer die Lage im Ruhrgebiet kennt, der weiß, daß man über den Kopf der Bergarbeiter hinweg das sogenannte Abkommen getroffen hat.
Die Bergarbeiter haben sich in zahlreichen Belegschaftsversammlungen gegen diese neuen Panzerschichten zur Vorbereitung und Durchführung eines neuen Krieges ausgesprochen.
Es ist, wie ich bereits sagte, notwendig, daß man sich gegen diese Kriegswirtschaftspolitik wehrt, die sich jetzt auf dem deutschen Kohlenmarkt bemerkbar macht. Man muß sich gegen den Zwangsexport deutscher Kohle durch die Ruhrbehörde wehren. Man darf nicht nur hier und da herumflicken, sondern muß mit der bisherigen Politik brechen und eine Politik und Maßnahmen einleiten, die dafür sorgen, daß in erster Linie die deutsche Bevölkerung und unsere Wirtschaft die notwendigen Kohlenvorräte bekommen.
Wenn man glaubt, durch Verdunkelung und Einschränkungen über diese Kalamität hinwegkommen zu können, dann irrt man sich. Man will wieder unsere Städte verdunkeln. Das ist aber ebenfalls ein Zeichen des Rüstungsbooms, dieser Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden.