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ID0110201000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950 3715 102. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3715D, 3750C Eintritt des Abg. Lampe in den Bundestag 3716A Wiedergenesung des Abg. Dr. Gülich . . . 3716A Autounfall des Abg. Grafen von Spreti . . 3716A Zustimmung des Bundesrats zum Gesetz über den Verkehr mit Zucker . . 3716B Gesetz über Rheinschifferpatente . . . . 3716B Verlangen des Bundesrats auf Einberufung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Nr. 1598 der Drucksachen) 3716B Anfrage Nr. 126 der Fraktion der BP betr. Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und und Schleswig-Holstein (Nrn. 1456 und 1597 der Drucksachen) 3716B Absetzung der Interpellation der Fraktionen der BP, des Zentrums und der WAV betr. Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Nr. 1429 der Drucksachen) von der Tagesordnung 3716C Antrag der Fraktion der KPD auf Aufsetzung der Beratung des Antrags betr. Disziplinarverfahren gegen einen Beamten der in Kiel stationierten Wasserpolizei wegen Vorgehens gegen einen Tanker unter der Fahne von Honduras auf die Tagesordnung 3716C Beratung der Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, des Zentrums und ,der WAV betr. Gesetz Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission (IG-Farben-Gesetz) (Nr. 1368 [neu] der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. IG-Farbenindustrie (Nr. 1472 der Drucksachen) 3716C Wagner (SPD), Interpellant 3716D Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteiler 3717C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 3718D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 3719C Beratung der Interpellation der Fraktionen des Zentrums, der BP und der WAV betr. Gesetzgebungswerk für Notstandsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1408 der Drucksachen) . . . . 3719D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant 3719D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 3721B von Thadden (DRP) 3723A, 3727D Dr. Solleder (CSU) 3723B Kemper (CDU) 3724A Höhne (SPD) 3724D Cramer (SPD) 3725C Jacobs (SPD) 3725D Ewers (DP) 3726B Stegner (FDP) 3726D Dr. Edert (CDU-Hosp.) 3727B Volkholz (BP) 3728A Dr. Hamacher (Z) 3728C Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Hausbrandversorgung (Nr. 1476 der Drucksachen) 3728C Dr. Koch (SPD), Interpellant . 3728D, 3737C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 3733C Paul (Düsseldorf) (KPD) 3736C Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 1375 der Drucksachen) 3739C Dr. Atzenroth (FDP), Interpellant . 3739C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3740A Dr. Wenzel (SPD) 3741A Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzes über Steuerbegünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaues (Nr. 1350 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nr. 1540 der Drucksachen) 3741C Klabunde (SPD), Interpellant . . . 3741C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3744C Dr. Glasmeyer (Z) 3745C Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 3746A Dr. Brönner (CDU) 3746C Meyer (Bremen) (SPD) 3748B Paul (Düsseldorf) (KPD) 3749A Dr. Bertram (Z) 3749D Nächste Sitzung 3750C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Darf ich fragen, ob der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder von 30 Abgeordneten unterstützt wird? — Das ist der Fall, da er namens der Fraktionen gestellt ist.
    Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache Nr. 1472 ebenfalls dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir stimmen ab über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder. Wer ist dafür? — Wer ist dagegen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damit sind die Punkte 2a und 2b der Tagesordnung erledigt.
    Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktionen des Zentrums, der Bayernpartei und der WAV betr. Gesetzgebungswerk für Notstandsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1408 der Drucksachen).
    Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, daß für die Begründung 15 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen werden. — Es wird nicht widersprochen. Damit ist so beschlossen. Zur Begründung der Interpellation hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.
    Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei hat am 21. September 1949 mit Drucksache Nr. 24 den Antrag auf Bildung eines Ausschusses „Bayerisches Notstandsgebiet" eingebracht. Der Antrag wurde gemäß dem interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 63 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zugeleitet. Auch die Ausschüsse für Grenzlandfragen und Verkehrspolitik waren im weiteren Verlauf mit ihm beschäftigt.


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    Am 30. September beantragte die Fraktion der CDU/CSU mit Drucksache Nr. 95 eine Soforthilfe für die sogenannte „Rote Zone". Mit dem Antrag befaßte sich der Grenzlandausschuß. Der Mündliche Bericht desselben — es ist die Drucksache Nr. 348 — wurde in der 27. Plenarsitzung am 18. Januar 1950 einstimmig gebilligt. Er beantragte die Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Notlage der Grenzgebiete und die Bereitstellung von Mitteln zur Bildung eines Grenzlandfonds.
    Ein Antrag der Fraktion der SPD vom 5. Oktober 1949 — Drucksache Nr. 80 — wollte die Erklärung Schleswig-Holsteins zum Notstandsgebiet und die Aufstellung eines Notstandsprogramms für dieses Land. Der Antrag wurde vom Plenum an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, bei dem die Federführung liegt, und an die Ausschüsse für Heimatvertriebene und für Finanz- und Steuerfragen überwiesen. Dem vom Bundestag in der 86. Sitzung vom 15. September 1950 verabschiedeten Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 hat der Bundesrat nicht zugestimmt. Die Bundestagsausschüsse für Verfassungsschutz und für Geld und Kredit prüfen gegenwärtig die Frage, ob der Bundestag seinerseits den Vermittlungsausschuß anrufen kann und soll.
    Der in der 79. Plenarsitzung vom 23. Juni dieses Jahres einstimmig gebilligte Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. von Brentano und Genossen beantragte für die ostbayerischen Grenzgebiete die Vorkehrung von Maßnahmen, wie sie früher für Ostpreußen durch das Osthilfegesetz gewährt wurden, und zur Abgeltung der durch die ostzonale Grenze entstandenen Umwegentfernungen die Bereitstellung eines Betrages von 30 Millionen DM als Frachthilfe sowie Gewährung von Sondertarifen in besonders dringlichen Fällen als Härteausgleich. Da mit der Ausführung des Bundestagsbeschlusses durch die Bundesregierung bzw. den Herrn Bundesfinanzminister, wie auch die Verhandlungen in Bamberg am 9. August in Gegenwart des Herrn Bundesverkehrsministers erkennen ließen, nicht zu rechnen war, haben die Antragsteller am 15. Oktober eine Interpellation — Drucksache Nr. 1462 — eingebracht.
    Außerdem sind Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Fachverbände, sonstige Wirtschaftsorganisationen, einzelne Gemeinden, Gemeindeverbände und Landkreise mit Gesuchen um unmittelbare Unterstützung durch den Bund vorstellig geworden.
    Der Grenzlandausschuß und der Herr Bundesverkehrsminister haben sich durch Besichtigungsreisen an Ort und Stelle über die bestehenden Verhältnisse und Notstände unterrichtet. Von den Staatsregierungen der betroffenen Länder wurden umfangreiche Materialien vorgelegt. Es erscheint an der Zeit, daß aus den sehr eingehenden Vorarbeiten endlich die Folgerungen gezogen werden. Es ist außer Frage, daß es sich um ein sehr schwieriges, höchst bedeutungsvolles und in vielen Beziehungen auch neuartiges Problem von größter Tragweite handelt. Die Ursachen und Bedingungen der Notstände sind verschieden. In allen Fällen aber sind sie — und das verleiht ihnen ein besonderes Gewicht — nicht vorübergehender, sondern struktureller Natur. Die Lage im bayerischen Notstandsgebiet beispielsweise, das sich in einem weiten Bogen von Passau durch Niederbayern, die
    Oberpfalz, Oberfranken und Unterfranken bis zur Rhön zieht, beruht nicht nur auf geographischen, landschaftlichen und klimatischen Bedingungen, sondern vor allem auf der übermäßigen Belegung überwiegend landwirtschaftlicher Gebiete mit Flüchtlingen, auf der Unterbindung und Zerstörung der in Jahrhunderten entwickelten Verkehrs- und Wirtschaftsbeziehungen durch die neue zonale und politische Grenzziehung, auf der dadurch verursachten außerordentlichen Verschärfung ihrer zu den Kohlen- und Rohstoffquellen an sich bestehenden peripheren, äußerst nachteiligen Lage, also auf der Vorausbelastung mit riesigen Umwegfrachten. In den Denkschriften, ebenso in dem Mündlichen Bericht des Verkehrsausschusses zu den Drucksachen Nr. 1033 und Nr. 111 in der 72. Plenarsitzung vom 23. Juni dieses Jahres ist dies sehr überzeugend und eindrucksvoll dargetan worden. Andere Gebiete, wie die sogenannte „Rote Zone", sind durch unmittelbare und mittelbare Kriegseinwirkungen besonders schwer getroffen worden. In einer Reihe von Fällen wurde die auf Rüstungsbetrieben oder besonderen anderen Industrien aufgebaute Existenzgrundlage ganzer Gebiete dadurch vernichtet, daß diese Industrien und Betriebe nach der Kapitulation fortgefallen sind.
    Die Notstände sind meist so schwer, daß die Mittel der Länder und Gemeinden nicht ausreichen, um ihnen wirksam zu begegnen. Eine besonders schwierige und bedenkliche Lage besteht dort, wo zu dem allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Notstand noch der gefährliche politische Aspekt des Grenzlandes hinzutritt.
    Mit großer Sorge erfüllt die durch die Ungunst der Verhältnisse hervorgerufene und zunehmende Tendenz und Neigung zur Abwanderung ganzer Industrien nach dem Westen. Es kann nicht im Interesse des Bundes oder der einzelnen Länder liegen, daß eine weitere scharfe Konzentration der wirtschaftlichen Potenzen von dem Osten nach dem Westen erfolgt. Das Ganze kann nicht bestehen und gedeihen, wenn sich wichtige Teile in einer dauernden Notlage befinden und sich einer ständigen Bedrohung und Gefährdung gegenübersehen. Darum sind auch andere Länder, wie vor allem England für seine depressed areas, seit vielen Jahren daran gegangen, erklärten Notstandsgebieten planmäßige und nachhaltige Förderung angedeihen zu lassen, also eine systematische Notstandspolitik zu treiben.
    Nicht nur, weil die Abhilfe die Möglichkeiten und Mittel der Länder und örtlichen Instanzen in der Regel übersteigt, sondern auch, weil es sich in den meisten Fällen um Kriegsfolgen im Sinne des Art. 120 des Grundgesetzes handelt, muß der Bund eingreifen. Die Maßnahmen, die von ihm ins Auge zu fassen und zu treffen sind, dürfen keine Verzettelung der Mittel und keine Zersplitterung der Maßnahmen zur Folge haben. Es geht darum, sich nicht in Einzelaktionen zu erschöpfen, sondern durch ein umfassendes Gesamtwerk, sozusagen durch eine Kodifikation den zweifellos bestehenden Notständen entgegenzutreten. Es handelt sich um eine Aufgabe von höchster Dringlichkeit und nicht nur um den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Effekt, sondern auch um die wichtige psychologische, also politische Wirkung. Darum geht es im vorliegenden Fall. Es gilt, der Bevölkerung der betroffenen Gebiete das Gefühl der Vereinsamung, der Preisgegebenheit zu nehmen, ihr zu zeigen, daß die Gesamtheit der deutschen Gemeinschaft entschlossen und bereit ist, ihr zu Hilfe zu eilen.


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    Die gebotenen Maßnahmen können nicht auf die Bildung etwa eines Grenzland- oder sonstigen Notstandsfonds beschränkt werden, sondern es wird nach Maßgabe der in den einzelnen Notstandsgebieten bestehenden Verhältnisse und Umstände eine sorgfältige Abstimmung der zu treffenden Vorkehrungen und zu leistenden Hilfen erfolgen müssen. Dazu gehören auch die Fragen der Instandsetzung und der Trassierung der Verkehrswege, die neu zu erschließen sind, der Frachtpolitik, der Kreditpolitik, der Rohstoffversorgung und der Verteilung der Aufträge des Bundes.
    Ich möchte aus der Dringlichkeit des Problems heraus der Hoffnung Ausdruck geben, daß es der Bundesregierung heute möglich sein wird, dem Bundestage so befriedigende Aufschlüsse zu geben, daß für die bedrängten Gebiete eine neue Hoffnung entsteht. Ich darf annehmen und wünschen, daß die Arbeiten des interministeriellen Ausschusses, der zur Durchprüfung dieses Problems eingesetzt und tätig geworden ist, so weit gediehen sind, daß in Kürze ein Gesetzgebungswerk vorgelegt werden kann. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob dann dieses Werk in einem einzigen Gesetz oder in mehreren Spezialgesetzen für die einzelnen Notstands- und Grenzlandgebiete zustande kommt.
    Ich schließe mit der dringenden Bitte und dem Wunsche, der Herr Bundeswirtschaftsminister möchte sich heute in der Lage sehen, dem Hohen Hause zu eröffnen, daß die Arbeiten so weit fortgeschritten sind, daß den bedrängten Gebieten in absehbarer Zeit eine effektive, wirksame Hilfe zuteil werden kann.

    (Beifall bei der BP.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Begründung der Interpellation ist erfolgt. Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu 1: Der interministerielle Ausschuß, der unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums das Problem der Notstandsgebiete bearbeitet, hat in eingehenden Beratungen Notstandskriterien ausgearbeitet, die als objektive Maßstäbe für die Beurteilung und Vergleichbarkeit der Not in den besonders betroffenen Gebieten dienen sollen. Dabei wurde zunächst nicht nach den Ursachen der Not, wie Kriegszerstörungen, Flüchtlingsanteilen usw., sondern nach den gegenwärtig vorliegenden Notsymptomen, wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot usw. gefragt. Die Kriterien, deren Vorliegen als Mindestvoraussetzung für eine eventuelle Sonderbehandlung eines Gebietes durch die Bundesregierung gelten soll, wurden so gefaßt, daß sie Folgeerscheinungen der verschiedensten Ursachen sein können. Sie vermögen deshalb die Hilfsbedürftigkeit der einzelnen Gebiete besonders herauszustellen. Diese statistisch belegbaren Merkmale sind bewußt auf einen so hohen Notstandsgrad abgestellt, daß sie, um eine Bundeshilfe nicht in ihrem Effekt zu verwässern, nur auf wirklich überdurchschnittlich hart betroffene Gebiete zutreffen.
    Die Landesregierungen sind mit Erlaß des Bundeswirtschaftsministeriums vom 16. August 1950 gebeten worden, diejenigen Gebiete zu benennen und zu beschreiben, bei denen außergewöhnliche Notstände gemäß der ihnen mitgeteilten Merkmale vorliegen. Um zu vermeiden, daß die besondere Notlage einer Vielzahl kleiner und kleinster
    Gebiete an die Bundesregierung herangetragen wird, dürfen nur Gebiete einer bestimmten Mindestgröße benannt werden, die sich regional nicht mit Verwaltungsbezirken zu decken brauchen. Eine möglichst weitgehende Vergleichbarkeit der von den Landesregierungen zu benennenden Gebiete muß gewährleistet sein. Deshalb wurden von den Ländern Gebietsbeschreibungen angefordert, die nach einem vom interministeriellen Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft ausgearbeiteten Modellbericht über die Notlage im Gebiet des Bayerischen, Böhmischen und Oberpfälzischen Waldes angefertigt werden sollen. Die Erhebungen und Beschreibungen sind zwar teilweise schwierig zu erstellen und deshalb zeitraubend; sie sind aber notwendig, um eine möglichst gerechte und zweckvolle Auswahl derjenigen Gebiete treffen zu können, denen in erster Linie mit den beschränkten Mitteln der Bundesregierung geholfen werden muß.
    Der Termin. für die Abgabe der Mitteilungen war zunächst auf den 20. September festgesetzt; er wurde jedoch auf Ersuchen der Landesregierungen auf den 30. Oktober verschoben. Obwohl die Landesregierungen bisher erst teilweise Stellung genommen haben, liegt, wenn auch noch nicht überall exakt zahlenmäßig fixiert, ein Überblick über die tatsächlich von allergrößter Not betroffenen Gebiete vor.
    Die Landesregierungen sind mit dem genannten Erlaß vom 16. August auch aufgefordert worden, anzugeben, was in den Notstandsgebieten von ihnen bereits zur Linderung der Not getan wurde, welche Maßnahmen sie von sich aus weiter zu veranlassen beabsichtigen und welche Hilfestellung des Bundes sie für unbedingt erforderlich halten.
    Zu Punkt 2: Die Bundesregierung wird dem Bundestag in Kürze den Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern für das Jahr 1950 vorlegen. Durch dieses Gesetz sollen die Länder, die wegen mannigfacher, hauptsächlich kriegsverursachter Notstände finanzschwach sind, zur Erfüllung ihrer lebenswichtigen Hoheitsaufgaben befähigt werden; es handelt sich um die Länder Baden, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Neben den Flüchtlingslasten, die naturgemäß vorwiegend in den Notstandsgebieten überdurchschnittlich hoch sind, wird die Zahl der Arbeitslosen in den Arbeitsamtsbezirken mit hoher Dauerarbeitslosigkeit zusätzlich berücksichtigt. Damit wird der erhöhten finanziellen Belastung, die sich durch den hohen Grad der Arbeitslosigkeit in bestimmten Bezirken ergibt, zugunsten der betroffenen Länder besonders Rechnung getragen. Zu diesen Gebieten mit hochgradiger Arbeitslosigkeit gehören vor allem Schleswig-Holstein, ferner die Arbeitsamtsbezirke Wilhelmshaven und Salzgitter, Ostfriesland und Uelzen, der Bayerische Wald und größtenteils die nördlichen Randgebiete Bayerns, Teile von Nordhessen und in Rheinland-Pfalz der Bezirk IdarOberstein.
    Es ist außerdem geplant, für jedes derjenigen Gebiete, die nach Überprüfung der eingesandten Unterlagen ein helfendes Eingreifen des Bundes dringend geboten erscheinen lassen, ein besonderes Sanierungsprogramm in Zusammenarbeit mit den Ländern auszuarbeiten. Die Programme müssen so gestaltet werden, daß sie den individuellen Ursachen der Not und den besonderen Gegebenheiten der Gebiete — wie z. B. den aus der Grenzlage erwachsenen besonderen wirtschaftlichen Schwierig-


    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    keiten — weitgehend Rechnung tragen. Die Programme sollen dann vom Bundeskabinett beschlossen werden.
    Als Grundlage für die Kabinettsbeschlüsse ist an ein Rahmengesetz gedacht, in welchem festzulegen wäre, welche Mittel zur Behebung der Notstände von der Bundesregierung bereitgestellt werden können. Nach einer vorliegenden Stellungnahme des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 19. Juli 1950 können Mittel aus dem ordentlichen Haushalt nach dem Grundgesetz nicht bereitgestellt werden. Es kämen demnach nur Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt in Betracht.
    Zu Punkt 3: Es ist zu erwarten, daß das Rahmengesetz Ende dieses Jahres zur Vorlage kommen kann. Die Ausarbeitung der Sanierungsprogramme für die einzelnen Gebiete wird zwischenzeitlich vorbereitet werden, so daß sie nach dem Erlaß des Rahmengesetzes in kurzer Zeit zur Durchführung gelangen können.
    Zu Punkt 4: Wie zu Punkt 1 bereits gesagt wurde, besitzt die Bundesregierung Kenntnis von den schlimmsten Notstandsgebieten, wenn auch deren genaue Abgrenzung im einzelnen noch nicht vollständig vorliegt. Aus dieser Kenntnis heraus hat sie zur Linderung der Not in den am härtesten betroffenen Gebieten folgendes unternommen:
    a) Es sind unter dem ausdrücklichen Gesichtspunkt der Förderung der Notstandsgebiete im Jahre 1949 an Schleswig-Holstein 9,1 Millionen für wasserwirtschaftliche Vorhaben bereitgestellt worden und im Jahre 1950 die nachstehenden Beträge vorgesehen:
    Schleswig-Holstein:
    zur Förderung besonderer Vorhaben auf dem Gebiete der
    Wasserwirtschaft und der Landeskultur 9 500 000 DM
    zur Wiederherstellung der durch
    Kriegseinwirkungen besonders
    beschädigten Bauten und Liegenschaften des früheren Reichsvermögens 3 200 000 DM
    Wilhelmshaven:
    zur Wiederherstellung der durch
    Kriegseinwirkungen besonders in
    Mitleidenschaft gezogenen Bauten
    und Liegenschaften des früheren Reichsvermögens 2 994 000 DM
    Emsland:
    zur Erschließung des Emslandes 4 000 000 DM Watenstedt-Salzgitter:
    zur Behebung der Notstände in
    dem Notstandsgebiet dieses Bereichs 500 000 DM
    Zuschuß an die Verkehrsbauten
    GmbH in Braunschweig für den
    Ausbau der Eisenbahnstrecke
    Lichtenberg-Lebenstedt - Immendorf, I. Teilbetrag 2 000 000 DM
    b) Im Rahmen des ersten Arbeitsbeschaffungsprogramms wurden 300 Millionen DM in die Schwerpunktgebiete wirtschaftlicher Not, insbesondere die von der Arbeitslosigkeit betroffenen Gebiete, geschleust. Folgende Länder partizipierten entsprechend dem Gewicht ihrer Arbeitslosigkeit an der Gesamtsumme: Bayern mit 105 Millionen DM, Niedersachsen mit 102,5 Millionen DM, Schleswig-Holstein mit 77,5 Millionen DM, Hessen (nördliche Teile) mit 15 Millionen DM. Innerhalb Bayerns wurden die Notstandsgebiete des Bayerischen und des Fränkischen Waldes, innerhalb Hessens das Gebiet von Nordhessen, innerhalb Niedersachsens die Brennpunkte Watenstedt-Salzgitter und Wilhelmshaven besonders berücksichtigt. Die für Schleswig-Holstein bestimmten Mittel kamen einem großen Teil des Landes zugute, das nahezu in seiner Gesamtheit als Notstandsgebiet anzusehen ist.
    c) Bei der Vergebung der ERP-Mittel bestand nur eine beschränkte Möglichkeit, Notstandsgebiete zu bevorzugen, da die Bundesregierung an eingehende Weisungen der ECA gebunden war. Eine ausdrückliche Berücksichtigung notleidender Gebiete war jedoch bei der Verteilung der ERP-Mittel für den Wiederaufbau kriegszerstörter landwirtschaftlicher Betriebsgebäude und für die Ergänzung und Beschaffung von totem und lebendem Inventar für die landwirtschaftlichen Betriebe dennoch möglich.
    d) Durch die Kabinettsbeschlüsse vom 2. Mai 1950 und vom 12. Mai 1950 sind die Gebiete Berlin, Watenstedt-Salzgitter, der Bayerische Wald und Wilhelmshaven zu Notstandsgebieten im Sinne der Verdingungsordnung für Leistungen und der Verdingungsordnung für Bauleistungen erklärt worden, wodurch eine Bevorzugung dieser Gebiete bei der Vergebung öffentlicher Aufträge gegeben ist.
    e) Um die besonders schwierige Lage Schleswig-Holsteins zu lindern, hat die Bundesregierung ein Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schleswig-Hostein im Rechnungsjahr 1950 eingebracht, das am 15. September vom Bundestag angenommen wurde. Der Bundesrat hat jedoch diesem Gesetz nicht zugestimmt.
    f) Erfahrungsgemäß sind durch die Nachkriegsentwicklung die Randgebiete der Bundesrepublik, insbesondere die an die Sowjetzone angrenzenden Gebiete, von der strukturellen Arbeitslosigkeit am härtesten betroffen. Diesem Tatbestand wurde dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß die Tarifgestaltung der Bundesbahn in ihrer Staffelung in besonders gelagerten Fällen den weitab liegenden Gebieten Vergünstigungen gewährt.
    Wie bereits zu Punkt 2 der Interpellation ausgeführt wurde, ist es grundsätzlich nicht möglich, zur Behebung regionaler Notstände im Rahmen des ordentlichen Haushalts besondere Mittel vorzusehen. Die genaue, vor dem Abschluß stehende Tatbestandsaufnahme der Bundesregierung wird ergeben, welche Mittel außerhalb des ordentlichen Haushalts im Hinblick auf die gesamte Ausgabengestaltung des Bundes bereitgestellt werden können.

    (Bravo! bei den Regierungsparteien.)