Die Interpellation ist begründet. Da wir vorsahen, die Besprechung von 2a und 2b zu verbinden, schlage ich Ihnen vor, daß zunächst der Antrag der KPD zu 2b Drucksache Nr. 1472 begründet wird. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller. —10 Minuten, Herr Abgeordneter.
Müller (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Ausplünderung des deutschen Volkes durch die amerikanischen Beutemacher kennt keine Grenzen.
1945, nach dem Zusammenbruch, kamen hinter den vorrückenden amerikanischen Truppen bereits diejenigen, die im Auftrag der großen amerikanischen Konzerne Westdeutschland daraufhin untersuchten,
wo sie die Patente des deutschen Volkes auffinden und mit deren Hilfe ihre eigene Wirtschaft weiter entwickeln könnten.
Es ist eine erwiesene Tatsache: in Hessen wurde ein Lager mit deutschen Patenten von den Amerikanern gefunden und beschlagnahmt. Unter diesen Patenten befand sich eine große Anzahl Patente der IG-Farbenindustrie und der chemischen Industrie. Diese Patente wurden nach Amerika verschleppt und dort so weidlich ausgenutzt, daß nicht nur die Entwicklung der chemischen Industrie in den Vereinigten Staaten ungeheuer vorangetrieben werden konnte. Das Ausland und ausländische Pressestellen konnten sogar erklären, daß der Wert dieser Patente zumindest mehr als 5 Milliarden Dollar ausmacht.
Und nun haben wir das Gesetz Nr. 35, das in derselben Linie liegt und zeigt, wie die Okkupanten ihre Macht benutzen, um dem deutschen Volk das Eigentum zu rauben. Sie haben in dieser Beziehung einige Beispiele bzw. Vorbilder, denn als während des Hitler-Krieges deutsche Industrielle in den besetzten Gebieten dortige Vermögenswerte und Fabriken beschlagnahmten, haben die Amerikaner zweifellos aus diesen Methoden auch ihre Lehre gezogen. In dem Gesetz Nr. 35 haben sie das zum Ausdruck gebracht. Sie wollen die Betriebe, die an und für sich dem deutschen Volk gehören, in die alleinige Verfügungsgewalt der Herren der Hohen Kommission legen. Diese soll das Recht haben, allein über dieses dem deutschen Volk gehörende Eigentum und darüber, wie es verwendet werden soll, zu entscheiden. Diese Betriebe der IG. sollen an das Ausland verschachert werden; und es ist wohl insbesondere der große chemische Konzern Dupont, der ein besonderes Interesse daran hat, nachdem der große Teil der Auslandsaktien der IG. in seinen Händen ist, seine Hand auf die Betriebe der IG-Farbenindustrie zu legen.
Aber ich frage, welches ist denn die Rechtsgrundlage, auf der das Gesetz Nr. 35 beruht? Ich möchte feststellen, daß dieses Gesetz Nr. 35 nicht nur keine Rechtsgrundlage hat, sondern geradezu ein schwerer Verstoß gegen das Potsdamer Abkommen ist. Denn in Abschnitt III dieses Potsdamer Abkommens wurde festgelegt, daß die höchste Regierungsgewalt in Deutschland durch die Oberkommandierenden der Streitkräfte, welche in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Kontrollrats handeln, gemeinsam in den Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen ausgeübt wird. Allein also der Kontrollrat wäre zuständig und befugt, Entscheidungen zu treffen. Aber durch die
Tatsache, daß die westlichen Mächte hier mit dem Gesetz Nr. 35 die Entscheidung über diese Betriebe in die Hand genommen haben, verstoßen sie gegen dieses Gesetz, das völkerrechtlich bindend ist.
Ein Zweites ist die Frage, welches die Hintergründe sind. Die Herren des amerikanischen Kapitals und die Kriegstreiber wollen die chemische Industrie, die Betriebe der IG., in die Hände bekommen, um im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitungen diese Betriebe für die Herstellung chemischen Kriegsmaterials zu verwenden. Was ist denn die Ursache der Explosion in Ludwigshafen gewesen? Ich glaube, es ist heute eine erwiesene Tatsache, daß die Herstellung von Düsen-Treibstoff dort die Ursache für diese große Explosion gewesen ist. Und damit verstößt das Gesetz Nr. 35 gegen ein weiteres Gesetz des Kontrollrats, gegen das Gesetz Nr. 9, in dem festgelegt worden ist, daß das deutsche Kriegspotential zu vernichten und die Herstellung neuer Kriegsausrüstung und Kriegsmaterialien zu unterbinden ist.
Damit ist also ein weiterer Beweis für die Absichten erbracht, die die Herren Amerikaner mit dem Gesetz Nr. 35 verfolgen. Daß hier natürlicherweise auch ihre wirtschaftlichen Interessen eine besondere Rolle spielen, brauche ich nicht besonders zu unterstreichen, nachdem feststeht, daß die IG-Betriebe zirka 20% der gesamten Produktion der chemischen Industrie ausmachen. Das bedeutet nach der letzten Monatsstatistik rund 120 Millionen DM; das bedeutet, daß damit auch der Export, an dem die chemische Industrie und die IG. einen bedeutenden Anteil haben, ausschließlich in den Händen der Amerikaner liegt. Es ist also ein fetter Brocken, den sie da von dem deutschen Tisch geschnappt haben.
Ich glaube, nicht nur allein diese Auswirkung, diese schwere Schädigung der deutschen Wirtschaft ist die Absicht der Herren vom Petersberg. Getroffen wird auch die Chemie-Arbeiterschaft. Denn mit diesem Gesetz Nr. 35, durch die Kornmission, die danach eingesetzt worden ist, ist praktisch die Arbeiterschaft der chemischen Industrie rechtlos gemacht worden. Sie ist der Willkür der Herren, der neuen ausländischen Herren, die nun die IG-Betriebe in ihre Hände bekommen sollen, ausgeliefert.
Ein Weiteres ist die Tatsache, daß auch der Einfluß der Gewerkschaften in der chemischen Industrie, in den IG-Betrieben, ausgeschaltet werden soll. Getroffen werden die Pensionäre; denn nach den Bestimmungen des Gesetzes obliegt es allein der Entscheidungsbefugnis der Kommission, ob Pensionen und in welcher Höhe sie an die Pensionäre der IG-Farbenindustrie gezahlt werden sollen.
Und nicht zuletzt wird auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kleinaktionären getroffen; denn auch über die Höhe der Entschädigung entscheidet ausschließlich diese Kommission bzw. die neuen Herren.
Nach dem Gesetz Nr. 35 und seinen Anlagen sind auch eine ganze Reihe von Wohnungsunternehmungen, Baugesellschaften, Siedlungsgesellschaften und Pensionskassen mit betroffen; das heißt mit andern Worten: die neuen Herren entscheiden auch über diese mit der IG zusammenhängenden Unternehmungen, und auch hier werden in erster
Linie die Arbeiter, die Angestellten und die Chemiker getroffen.
Ich glaube, daß diese Auswirkungen eigentlich Sie alle veranlassen müßten, sich mit aller Entschiedenheit gegen dieses Gesetz zur Wehr zu setzen. Ihre Interpellation bezweckt aber etwas anderes. Im Hintergrund steht dabei letzten Endes nichts anderes als die Absicht, an dem Geschäft der Amerikaner mit der IG-Farbenindustrie beteiligt zu werden. Die Herren, die während des Krieges mit Dupont ihre Geschäfte gemacht und Patente ausgetauscht, die deutschen Patente für die Kriegführung der Amerikaner zur Verfügung gestellt haben, möchten einen Brocken von dem neuen Geschäft der Kriegsvorbereitung abbekommen. Das ist letzten Endes das Ziel und die Absicht, die hier verfolgt werden.
Ich glaube, daß das nationale Interesse des Volkes
die Nichtanerkennung und Nichtigkeitserklärung
des Gesetzes Nr. 35 verlangt.
Ich glaube, daß es die Aufgabe der in den IG.-
Farben-Betrieben beschäftigten Arbeiter, Angestellten, Chemiker, ja des ganzen Volkes sein wird und sein muß, sich gegen diesen Raub zur Wehr zu setzen und den Kampf um die Erhaltung dieser Betriebe für das deutsche Volk in gemeinsamer Front zu führen.