Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Regelung stützte sich auf die Dividendenabgabenverordnung, Verordnung zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen vom 11. Juni 1941. Es handelte sich dabei um eine reine Kriegsregelung, die sehr stark aus politischen, optischen Gründen erfolgt ist und die vor allen Dingen sicherstellen sollte, daß dem Staat alle überschüssigen Erträge der Unternehmungen zu Zwecken der Zeichnung von Schatzanweisungen zuflossen. Das heißt also: diese Verordnung war ein Instrument der Kriegsfinanzierung. Zudem sollte sie die Voraussetzungen schaffen, um die Rüstungsbetriebe in stärkerem Maße durch Eigenfinanzierung auszuweiten. Die Verordnung war ausdrücklich auf die Kriegsdauer begrenzt und ist jetzt überholt. Diese Verordnung bedeutet auch einen Fremdkörper in unserer Marktwirtschaft, die übermäßige Gewinne durch Mittel des Wettbewerbs auf das rechte Maß zurückdämmt.
Dabei ist zu beachten, daß die Eigenfinanzierung in stärkerem Maße durch die Fremdfinanzierung ersetzt werden muß. Die Aufrechterhaltung des Dividendenstops verleitet zu Fehlinvestitionen. Die Verluste der Rentensparer bei der Währungsumstellung und der niedrige Zins der Rentenwerte haben das anlagesuchende Publikum vom Erwerb von Rententiteln abgezogen. Die deutsche Wirtschaft wird in Zukunft wesentlich auf die ausreichende Versorgung des Kapitalmarktes angewiesen sein, und aus diesem Grunde muß die Dividendenbeschränkung fallen. Wenn die deutsche Wirtschaft vor allen Dingen auch in Zukunft darauf angewiesen ist, ausländisches Kapital zur Anlage in Deutschland zu bewegen, dann ist zu berücksichtigen, daß die ausländischen Kapitalgeber Ertragsmöglichkeiten nach internationalen Maßstäben auch in Deutschland finden müssen. Das Auslandskapital wird sich grundsätzlich marktwidrigen Beschränkungen nicht unterwerfen wollen. Mit übertriebenen Ausschüttungen ist ohnedies nicht zu rechnen, so daß die Auffassung der alliierten Kontrollbehörde, wie sie mit Schreiben vom 15. April 1949 angeregt hat, die Gewinnausschüttungen bis zu einer Höhe von etwa 10% zuzulassen, nach meiner Überzeugung keine Berechtigung hat. Aber über diesen Gegenstand kann ebenfalls in den Ausschußberatungen diskutiert werden.
Jedenfalls hat die alte Kriegsverordnung keinerlei Berechtigung mehr für unsere Wirtschaft und bedarf der Ablösung.