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    Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1950 3639 100. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1950. Gedenkworte des Präsidenten aus Anlaß der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages 3639B Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3639C, 3688D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen) 3639C Bausch (CDU) 3639D Schoettle (SPD) 3646C Dr. Wellhausen (FDP) 3659B Dr. Bertram (Z) 3665B Dr. Krone (CDU) 3669B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . 3670D Dr. Seelos (BP) 3672C Dr. Mühlenfeld (DP) 3675A Dr. Leuchtgens (DRP) 3678D Paul (Düsseldorf) (KPD) 3681A Brandt (SPD) 3684B Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3685C Wittmann (WAV) 3687B Nächste Sitzung 3688D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers unter lebhaftem Beifall auf allen Seiten des Hauses eröffnet.
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    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Kollege Schoettle hat bereits ,darauf hingewiesen, daß der Haushaltsplan uns erst vor wenigen Tagen zugegangen ist. Notwendigerweise muß die Diskussion in ihrer Konzentration unter dieser Tatsache leiden. Mein Freund Blank hat es übernommen, zu dem Ausgleich des Haushalts zu sprechen. Ich möchte die gute Übung aufnehmen, bei dieser Gelegenheit mit der Regierung in ein Gespräch über alle die grundsätzlichen Fragen zu treten, die irgendwie in der Arbeit des Bundeskanzlers und der von ihm geführten Regierung ihren Niederschlag finden. Das hat auch der Kollege Schoettle getan. Ich sage: Kollege. Er hatte einen zweifachen Zungenschlag. Einmal sprach er von Freunden. Ich stehe unter dem Eindruck seiner Rede und möchte von Person zu Person diesen Ausdruck aufnehmen, schon auf Grund langjähriger Zusammenarbeit im Wirtschaftsrat. Und was den „Genossen" angeht, so decken wir ihn mit dem Mantel der christlichen Liebe zu, oder aber wir formen ihn in „Mitgenossen der Not und des Leides" um. Dann bin ich auch da einverstanden.
    Meine verehrten Damen und Herren! Wir hatten vor einigen Tagen eine ausführliche Aussprache über .die Außenpolitik. Ich will sie heute beiseite lassen. Ich will aber mit Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß die Aufgabe, eine gute Außenpolitik zu machen, die wir nach einem Zwischenraum von 17 Jahren jetzt wieder aufnehmen, nicht nur deshalb ungeheuer schwierig ist, weil die außenpolitische Lage so wechselvoll, so verwickelt und so außerordentlich gefährlich ist, sondern auch deshalb, weil wir uns in dieser langen Zeit — mehr als ein halbes Menschenalter — sachlich und personell der Dinge entwöhnt haben. Um so wichtiger erscheint es uns, daß wir im Aufbau der konsularisch-wirtschaftlichen Vertretungen und hoffentlich sehr bald auch des diplomatischen oder auswärtigen Dienstes schnelle Fortschritte machen. Wiewohl wir ein nicht voll souveräner Staat sind - und das haben wir uns in diesen Tagen hinreichend vor Augen geführt —, haben wir auf diesem Gebiete Freiheiten erhalten. Wir sollten sie ausnützen. Was hindert uns daran?
    Im Haushalt des Bundeskanzlers finden wir große Posten und große Titel über diese konsularisch-wirtschaftlichen Vertretungen und auch über Anfänge des auswärtigen Dienstes. Wir finden aber keinen Ansatz für ein Ministerium für auswärtige Angelegenheiten. Wir gehören zu den Leuten, die dem Herrn Bundeskanzler die Fußverrenkungen, von denen der Abgeordnete Schoettle gesprochen hat, nicht zumuten möchten, schon wegen seines vorgerückten Alters nicht. Wir haben eine Bitte an den Herrn Bundeskanzler und die ganze Bundesregierung, die ja ein Kollegium ist.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Sein sollte!)

    — Ich spreche von dem, was im Grundgesetz steht, Herr von Rechenberg; das ist für mich Gesetz und keine Soll-Vorschrift. Ich bin der Meinung, daß wir auf dem schnellsten Wege zu einem selbständigen Fachministerium für auswärtige Angelegenheiten kommen sollten. Alle Argumente gegen die Erweiterung der Zahl der Ministerien, die sonst hier vorgebracht werden, auch alle Argumente — die wir zum Teil anerkennen — gegen zu viele schon vorhandene Ministerien, versagen hier selbstverständlich. Ich bin in der Lage, den Ausführungen von Herrn Schoettle über die parlamentarischen Staatssekretäre zuzustimmen, will das aber nicht weiter vertiefen.
    Da ich beim Bundeskanzleramt bin, möchte ich erklären, daß es mehr als eine Formsache ist, daß die Bundesregierung sich die in Art. 65 des Grundgesetzes erwähnte Geschäftsordnung gibt.

    (Sehr gut! rechts.)

    Der Bundespräsident hat ,diese Geschäftsordnung zu genehmigen. Er hat dazu nicht die Pflicht, aber das Recht. Daraus ergibt sich schon, welche Bedeutung die Männer des Parlamentarischen Rates dieser Institution der Geschäftsordnung beigemessen haben, ganz abgesehen davon, daß sie die Dinge vereinfacht und auch ordnet.
    Es beunruhigt uns etwas, daß in diesem selben Einzelplan — und zwar noch nicht einmal vollständig — eine Anhäufung verschiedener Ämter vorhanden ist. Auf diesem Wege sollten wir nicht weitergehen. Dagegen sollten wir ein Amt, das hier erscheint, nämlich das Presse- und Informationsamt, mit Schwung — ich gebrauche diesen Ausdruck absichtlich —, mit einem wirklichen inneren Schwung ausbauen oder, sagen wir, aufbauen und vielleicht auch schon in einigen Punkten umgestalten. Man hat hier und da gesagt, die Mittel, die dafür angefordert seien, seien zu hoch. Eher das Gegenteil ist der Fall, wenn die Aufgaben, die wir uns vorstellen, erfüllt werden sollen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang noch eine zweite Bemerkung machen. Es scheint uns Zeit zu werden, in dem Volke das Gefühl zu beseitigen, daß in diesem Amt das allein Beständige der Wechsel ist. Mit derartigem Wechsel und was sich daraus ergibt, kommen wir nicht zu einer guten Linie. Ich spreche nicht vom Propagandaministerium. Wir haben bei diesem Wort einen schlechten




    (Dr. Wellhausen)

    Geschmack auf der Zunge; das scheiden wir aus. Aber die Aufklärung und die Information des Volkes, die dringend nötig sind, sind unzureichend. Ich finde es nicht richtig, daß in dem Maße, wie es heute geschieht, die Gewerkschaften und Herr Niemöller das Volk aufklären und informieren. Bitte, ziehen Sie keine Schlüsse aus dem Nebeneinander dieser beiden Worte. Wir hatten schon einmal Ansätze — ich erinnere an die Tage der Ostzonenwahl —; diese sollten weiter verfolgt werden, nicht nur bei einmaligen Gelegenheiten. Wir vermissen eine umfassende, interessante, nachhaltige und auch systematische Aufklärung und Information des Volkes. Man braucht sie nicht in jeder Stunde und unter allen Umständen unter eine Gradlinigkeit zu stellen. Das ist in den Zeiten, in denen wir heute leben, nicht möglich. Aber die Dementis — sprich: Pannen! — sollten in diesem Amt doch seltener werden.

    (Sehr gut! rechts.)

    Hier scheint die Routine in den von mir zitierten 17 Jahren auch völlig verlorengegangen zu sein. Denn Propagandaroutine ist nicht verboten und ist nichts Unehrliches, wenn man eine klare Linie stets vor Augen hat.
    Das Amt — und damit verlasse ich diesen Punkt — sollte schließlich daran denken, daß es nicht bloß eine Presse, sondern auch Rundfunk und Film als Informations- und Aufklärungsmittel gibt. Hier kann viel geschehen.
    Ich halte mich zurück. Die Pressedebatte, die wir hier im Bundestag hatten, hat nicht gefallen, und wenn Sie einen Blick auf die Tribüne der Presse werfen — nicht in diesem Augenblick, so eingebildet bin ich nicht, sondern im Augenblick der Rede des Herrn Bundesfinanzministers —, so ' ist die Besetzung der Pressetribüne verglichen mit derjenigen bei der außenpolitischen Debatte wesentlich geringer. Ich will natürlich einen Vorrang zugestehen; darüber rechten wir nicht. Aber ich glaube, der Gedanke: wann passieren im Bundestag Sensationen?, herrscht immer noch in einzelnen Kreisen. Es gibt auch andere in der Presse — gottlob! —, und es werden mehr — gottlob!
    Erlauben Sie mir — Herr Schoettle hat auch davon Andeutungen gemacht — ein Wort zu unserer eigenen Versammlung. Es liegt mir fern, parteipolitisch zu reden. Es geht auch gar nicht; die Bayernpartei ist nicht da!

    (Heiterkeit.)

    Haben sich wohl die Wähler dieses Hauses, die die Männer ihrer Wahl in dieses Haus gesandt haben, gut orientiert, haben sie so ein bißchen deutlich hingeschaut — nicht äußerlich, sondern auf den Kern der Dinge —, und wären sie, wenn sie das getan hätten, nicht vielleicht auf einige Punkte gekommen, die uns die Selbstreinigungsaktion, in der wir uns offensichtlich befinden, ein wenig leichter, ein wenig einfacher hätten machen machen können?

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich möchte das glauben. Ein Land ragt in dieser Beziehung zu meinem großen Kummer — ich wohne dort seit 25 Jahren — besonders hervor.

    (Heiterkeit. Eine Neigung zur Ausnützung, ja zum Mißbrauch parlamentarischer Prinzipien oder Privilegien von Parlamentariern, eine Lässigkeit oder mehr als das in der Erfüllung bürgerlicher Pflichten — ich nenne keine Namen, haben Sie keine Angst! —, die Tatsache, daß man sich auf seine Unpfändbarkeit in höchst wichtigen Dingen zurückzieht, möchte ich hier anprangern. Meine Damen und Herren, das bringt 'das Haus in Verruf. Wir wollen nicht die Wähler vor aller Weltöffentlichkeit in Verruf bringen, die Wähler, die solche Abgeordnete — ich sage in diesem Fall bewußt nicht „Kollegen" — in dieses Haus gesandt haben. Es geschieht von außen her Hinreichendes, um das Ansehen dieses Hauses herabzusetzen. Wir sollten keine Kollegen unter uns dulden, die das Ihre auch noch dazu tun. Ich greife den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses in keiner Weise vor, das ist selbstverständlich; aber ich weiß nicht, ob der Bundesjustizminister nicht Veranlassung haben wird, wenn das einmal zu Ende ist, Vorschriften vorzuschlagen z. B. in bezug auf die Bestechung von Abgeordneten. Es ist traurig — damit verlasse ich diesen Punkt —, daß eine solche Darlegung in diese Debatte eingefügt werden muß. Ein kurzes Wort über den Bundesrat, nicht über seinen Haushalt. Die Zusammenarbeit im einzelnen hat sich besser eingespielt, als manche gedacht oder gefürchtet haben. Der Vermittlungsausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes leistet eine gute Arbeit, und man kann hoffnungsfreudig sein, denn es kommen an ihn eigentlich nur prekäre Angelegenheiten. Aber diese Einzelarbeit darf nicht —und da bin ich einig mit dem Herrn Bundesfinanzminister — über die staatsrechtlichen Gefahrenquellen hinwegtäuschen, die jeden Tag hervorbrechen könnten. Die Solidarität der Finanzminister jeder Schattierung mit dem Herrn Bundesfinanzminister, die gestern erwähnt wurde, — sie erleichtert die Arbeit, aber sie ist für mich kein Argument, kein Kriterium, in dem Punkt, den ich eben erwähnt habe. Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang wenige Worte über die innergebietliche Neuordnung sage. Es scheint mir angebracht, auf die Größe, auf die Zahl,. auf die historische, wirtschaftliche Gegebenheit der Länder auch einmal vom finanziellen Standpunkt hinzuweisen, wiewohl ich weiß, daß es wichtigere Gesichtspunkte gibt. Meine Freunde haben kein Verständnis für das, was sich im Südwesten der Bundesrepublik und auch nördlich davon zur Zeit in dieser Beziehung tut. Wir wollen doch nicht vergessen — und wenn wir es nicht wissen, wollen wir es in den Geschichtsbüchern nachlesen —, daß Napoleon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts es gewesen ist, der Länder geschaffen hat, Range in diesen Ländern erhöht hat usw., woran heute niemand gern erinnert sein will. Ich mache der Militärregierung keinen Vorwurf wegen 'der Grenzen, 'die sie im Südwesten gezogen hat; aber ich würde uns einen Vorwurf machen, wenn wir es dabei belassen. (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Sehr gut!)


    (Sehr gut! rechts)


    (Beifall rechts und in der Mitte.)


    (Erneute Zustimmung rechts.)


    (Sehr gut! rechts.)

    Die finanziellen Gesichtspunkte stehen im Vordergrund, das ist selbstverständlich, und das ist auch der Sinn einer Haushaltsdebatte; aber hier könnten die Länder sparen, darüber ist kein Zweifel.


    (Dr. Wellhausen)

    Ich bin damit schon in den Bereich der inneren Verwaltung übergegangen. Das Innenministerium, dessen Chef gewechselt hat — und wir bejahen diesen Wechsel —, steht vor außerordentlichen Aufgaben. Es ist das Beamtenministerium; es hat die Aufgabe, die Beamten an den Staat wieder heranzuführen und die Bevölkerung an die Beamten. Die Beamten haben den ersten Krieg besser überstanden als den zweiten. Das haben wir alle; aber die Beamten doch in besonderem Maße — kein Wunder nach der Nazizeit!

    (Abg. Dr. Greve: Den zweiten haben sie auch noch ganz gut überstanden!)

    — Na, Herr Greve, das wollen wir nicht sagen; es wäre platt. Ich habe es nicht deswegen gesagt, um in diesem Zusammenhang auf persönliche Zwischenrufe zu antworten. Dazu ist mir das zu wichtig.
    Also, meine Damen und Herren, die Beamten werden von uns schlecht bezahlt — darüber ist kein Zweifel —, nämlich mit den Gehältern von 1927. Wir haben den Zustand, daß sie nicht hundertprozentig, wie es doch vor 1914 fast der Fall war, als treue Diener des Staates erscheinen. Zu einem Teil — darüber müssen wir uns klar sein — haben wir das mitverschuldet oder, sagen wir, verursacht. Wir haben sie in Ämter hineingeschickt, in Wohnungsämter, in Bezugscheinämter, in Mietämter, in Arbeitsämter und in Ernährungsämter, wo man nicht gerade seine beamtenmäßigen Qualitäten verbessern kann. Wir sollten doch eins tun — ich bin kein Beamter, wie Sie wissen —, wir sollten den Ruf der Beamten nicht auch noch heruntersprechen. Das kann man nämlich. Man kann einen Ruf herunter- und heraufsprechen; und ich glaube, wir tun das erstere gegenüber den Beamten.
    Wir haben die Polizeifragen hier ausführlich besprochen. Ich will darauf in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Gerade unsere Freunde haben eindeutig durch meinen Freund Becker unsere Ansicht verkünden lassen. Im Innenministerium stehen das Bundeskriminalamt und das Amt für Verfassungsschutz vor Aufnahme ihrer Wirksamkeit. Ich meine, wir sollten hiermit keinen Augenblick mehr zögern. Die Situation verlangt, daß derartige Ämter ihre wichtige Aufgabe sofort beginnen.
    Meine Freunde haben seinerzeit zu Beginn der Arbeit des Bundestages einen Bundestagsausschuß für Kulturpolitik verlangt. Dieser ist von der großen Mehrheit des Hauses bewilligt worden. Ich kann seine Arbeit, die sich mit dem Innenministerium zusammen vollzieht, hier nicht gut übergehen. Ich erinnere an seine Entschließung über die Koordinierung des Bildungswesens in den Ländern. Meine Damen und Herren, über der Vielfalt und Eigenständigkeit des Bildungswesens in den Ländern, die ich nicht verkenne, muß die Einheit des deutschen Schulwesens stehen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)

    Das sind für uns Selbstverständlichkeiten. Aber leider, leider, meine Damen und Herren, werden sie in der Öffentlichkeit und in der Praxis eher weniger als mehr erkannt, und das macht uns besorgt.
    Der Herr Finanzminister hat gestern nachmittag in seiner Rede gesagt, wir könnten unserer Jugend wenig mitgeben. Wir wollten ihr wenigstens — er sprach davon bei der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern — Wissen und Können mitgeben; und das sei Aufgabe der Länder.
    Nun, ich meine, nicht so bescheiden! Der Bund soll
    hier nicht zurückstehen. Aus diesem Grunde haben
    wir diesem Hause das Deutsche Jugendwerk zur
    Errichtung vorgeschlagen. Sie erinnern sich an die
    Einzelheiten. Es ist uns eine Befriedigung, daß das
    Bundesministerium diese Dinge mit Nachdruck aufgegriffen hat. Hier sollten wir nicht sparen; um so
    weniger sollten wir sparen, als die Länder in den
    letzten fünf Jahren beachtliche Posten für den Aufbau der FDJ zur Verfügung gestellt haben. Hier
    haben wir eine Pflicht der Wiedergutmachung, um
    dieses oft mißbrauchte Wort einmal zu erwähnen.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Ich kann in diesem Zusammenhang, wenn ich von der Jugend und der Fürsorge für sie spreche, auch nicht unerwähnt lassen, daß mehr als 40 % der Arbeitslosen, die wir heute noch haben, im Lebensalter zwischen 15 und 25 Jahren stehen. Es geschieht etwas. Ich habe mit Freude gelesen, daß die Zahl der Lehrlinge im Handwerksstand sich außerordentlich — sprunghaft beinahe — vermehrt hat. Auch die Industrie tut wesentlich mehr als früher. Der Staat, also der Bund darf hier nicht zurückstehen. Wir möchten gern, daß das Bundesinnenministerium dieses Jugendwerk so schnell und so unbürokratisch wie möglich ins Leben ruft. Wir versprechen uns etwas davon.
    Wir befinden uns überall in einem Anfangsstadium, in einem Aufbau, dessen Schwere und dessen Ausgangspunkt wir uns kaum vorstellen können und den wir uns, glaube ich, viel zu selten klarmachen.
    In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort über die Arbeit des Bundesjustizministeriums sagen. Es ist ein großes Wort, wenn ich sage, es hat eine der schönsten, bestimmt aber der höchsten Aufgaben im Bundeskabinett, nämlich die, einen Rechtsstaat wieder heraufzuführen, der uns völlig verlorengegangen war. Wenn ein Minister das neben den erforderlichen anderer. Eigenschaften mit Temperament tut wie unser Freund Dehler, dann freuen wir uns darüber, und dann ist uns das recht.

    (Beifall bei der FDP.)

    Auf dem Wege dazu und zur Vereinheitlichung des in den letzten fünf Jahren völlig aus den Fugen geratenen einheitlichen materiellen und prozessualen Rechts haben wir bereits große Fortschritte gemacht. Wir haben im Haus und in den Ausschüssen den Eindruck, daß im ganzen Ministerium mit Sachkunde und tiefem Ernst an dieser Arbeit gewirkt wird. Ich möchte das hier in aller Öffentlichkeit anerkennen. Es kommt nicht so sehr darauf an, wo die Arbeit der Minister geleistet wird. Herr Schoettle hat gesagt, sie redeten manchmal sehr viel außerhalb. Es kommt darauf an, daß die Hauptarbeit der Minister in den Ministerien selbst geleistet wird; und das ist in unserem Bundesjustizministerium unter der Führung von Dehler der Fall.

    (Beifall rechts.)

    Wir meinen, meine Damen und Herren — eine Einzelheit —, daß die Verabschiedung des Verfassungsgerichtsgesetzes nicht mehr auf sich warten lassen dürfte. Es kann manchmal auch das Bessere der Feind des Guten sein. Die Tatsache, daß wir kein Verfassungsgericht haben, ist jedenfalls nicht mehr länger tragbar.
    Darf ich nunmehr auf wirtschaftspolitische Fragen übergehen und zunächst — wiewohl das durchaus nicht üblich ist — ein Wort zum Verkehrs-


    (Dr. Wellhausen)

    ministerium sagen. Der Verkehr ist — ein Sachverständiger aus unseren Reihen sagte mir das gerade gestern — der Erfüllungsgehilfe für die Wirtschaft. Funktioniert dieser Gehilfe nicht, dann leidet die ganze Wirtschaft. Ich weiß genau, daß man nicht mit ausschließlich wirtschaftlichen Gedankengängen an die großen Körperschaften des Verkehrs herangehen kann, die vom Verkehrsministerium und vom Postministerium betreut werden. Aber ich frage mich zuweilen, ob in dem Kollegium der Bundesregierung der initiativreiche Verkehrsminister sich so durchsetzt oder zur Geltung kommt, wie es nach der Arbeit, die ihm auferlegt ist, erforderlich ist. Wenn man Kreditprogramme und ähnliches ansieht, meine Damen und Herren, dann spielt der Verkehrssektor, wie es so schön heißt, doch bisher eine recht untergeordnete Rolle. Wenn auch in der dritten Tranche der ERP ein erheblicher Betrag angesetzt ist und wenn auch für die Seeschiffahrt in diesem Fall im außerordentlichen Haushalt, der hoffentlich durchführbar ist
    — darauf wird mein Kollege Blank zu sprechen kommen —, große Mittel vorgesehen sind, so ist doch die Finanzierung der Seeschiffahrt nicht gesichert.

    (Zuruf von der SPD: Der Verkehrsminister lebt lieber in luftigen Regionen!)

    — Das ist vielleicht auch nicht ganz richtig, es sind Anfänge da.
    Ich komme mit wenigen Worten auf die Bundesbahn. Ihre Betriebslage hat sich in letzter Zeit gebessert. Man kann die Betriebslage und die Betriebsergebnisse nicht betrachten, ohne immer daran zu denken, daß alljährlich unerhörte Beträge für Kriegsschadenbeseitigung anfallen. Es war in normalen Zeiten ein Ereignis, wenn im Deutschen Reich ein großer Hauptbahnhof gebaut wurde. Heute wird an der Wiederherstellung einer ganzen Reihe von Hauptbahnhöfen gleichzeitig gebaut. Und wer zahlt das? Das muß vorwiegend aus der Fahrkartenkasse — natürlich für beide, Personen- und Güterverkehr — bestritten werden. Und das alles, wiewohl 75% aller Personen-Fahrkarten unter Tarif liegen! Es sieht in der letzten Zeit so aus, als wenn durch in- und ausländische Gutachten die Inangriffnahme der Frage der Bundesbahnfinanzen vorangetrieben würde. Aber wir sollten nicht innerhalb der Bundesbahn darauf verzichten, Kräfte zu lösen. Ich habe zuweilen diesen Eindruck. Meine Damen und Herren, die Bundesbahn hat keine Autonomie. Das verbietet das Grundgesetz. Sie ist kein reiner Staatsbetrieb, das versteht sich auch. Dazwischen liegen viele Möglichkeiten. Das Bundesbahngesetz will sie finden. Wir reden ja zur Zeit darüber. Aber wenn man jemandem eine große Verantwortung auferlegt und eine beachtliche Selbständigkeit zubilligt, dann lösen sich Kräfte, und dann wird meines Erachtens besser und sparsamer gewirtschaftet, als wenn man das nicht tut.
    Im ganzen schwebt uns also vor, daß der Verkehrsetat — der ja nur äußerlich der dickleibigste ist, weil das Bundesverkehrsministerium als einziges einen Unterbau hat — bei der Verteilung von Krediten und anderen Mitteln mehr berücksichtigt werden sollte, ohne daß ich einen Favoriten aus diesem Verkehrsetat machen möchte.
    Ein solcher Favorit ist auch — entgegen manchen Ansichten — der Wohnungsbau nicht. Er hat nur die große Rolle, die ihm zukommt. Darüber sind wir uns alle einig. Die Stockungen, von denen der Kollege Schoettle sprach, halte ich bis auf weiteres oder bis zum Beweis des Gegenteils für unerheblich. Worauf beruhen nun diese großen Leistungen, die wir erzielt haben? Sie beruhen nach meiner Ansicht nicht zuletzt darauf, daß wir den Mut gehabt haben, im Wohnungsbau und der Wohnungswirtschaft einen Sektor zu schaffen, der von Plan- und Zwangswirtschaft ausgenommen ist. Das ist für meine Freunde und für mich ein gutes Vorzeichen für die Zukunft, und ich möchte wünschen, daß es durch die allgemeine Entwicklung, auf die der Wohnungsbauminister keinen oder nur einen geringen Einfluß hat, nicht verdunkelt oder getrübt wird. Wenn ich die Entwürfe des Gesetzes über Baulandbeschaffung usw. ansehe, kommen mir Gedanken über gewisse Gefahren. Wir wollen ferner nicht, daß sich im Rahmen des Wohnungsbaues übermäßige Kapitalkonzentrationen bilden, die ja nicht immer bloß, wie es in der Sage heißt, von einer bestimmten Seite mißbraucht werden. Wir möchten, daß die Genossen — in diesem Fall die Genossen der Genossenschaften, die Eigentümer der Genossenschaften — auch sehr schnell Eigentümer der Gebäude werden, an denen sie sich beteiligt haben.
    Ich weiß nun, daß unsere Hoffnungsfreudigkeit für den gleichen Erfolg des Wohnungsbaues im Jahre 1951 einen Stoß erlitten hat; erhöhte Diskontsätze und andere Dinge — ich komme darauf — werden auch die Finanzierung des Wohnungsbaues nicht erleichtern. Ich möchte wünschen, daß sich die Solidarität fast aller Fraktionen in diesem Hause bewähren wird, wenn es an die Überwindung dieser Schwierigkeiten geht; denn wir brauchen unentwegt und auf unabsehbare Zeit eine ungeheure Menge von Wohnungen, allein dann schon, wenn wir unsere eigenen Beschlüsse — Umsiedlung der Flüchtlinge; hohe Zahlen sind in diesem Hause beschlossen worden — durchführen möchten. 600 Millionen DM aus der Soforthilfe für den Wohnungsbau im Jahre 1950/51, das ist eine beachtliche Zahl; sie spielt eine große Rolle in dem Programm des Wiederaufbauministers.
    Überhaupt ist die Soforthilfe, die viel geschmähte, nicht so schlecht, und sie wirkt sich nicht so aus, wie manche fürchteten und wie manche auch heute noch behaupten. Dennoch müssen die Bemühungen, zum endgültigen Lastenausgleich zu kommen, in raschem Tempo fortgesetzt werden. Es bedrückt uns, daß das von uns initiativ eingereichte Schädenfeststellungsgesetz in einem so langsamen Tempo vorankommt. Ich wüßte nicht, wie die Notwendigkeit eines organischen Lastenausgleichs, auf den meine Freunde schon auf ihrem Parteitag 1946 in Pyrmont hingewiesen haben, weniger wichtig werden sollte; sie würde unter jeder Regierung, einerlei wie sie aussieht, ihre sehr große Bedeutung haben. Aber man sollte in den internen Vorbereitungen des Guten nicht zu viel tun, sondern diesem Hause den Entwurf eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich nunmehr mit größter Beschleunigung vorlegen.
    Der Finanzminister hat mit sehr großem Recht alle zur Sparsamkeit aufgefordert. Wir haben den Eindruck, daß er sich in seinem eigenen Ministerium auch darum bemüht. Wie sollen wir, ohne sparsam zu sein und zu bleiben, ohne der Gefahr aus dem Wege zu gehen, über unsere Verhältnisse zu leben — es ist nicht nur diese Gefahr vorhanden, sondern wir leben in breiten Kreisen auch der Wirtschaft über unsere Verhältnisse — unsere großen Aufgaben erfüllen, wenn wir nicht sparsam sind oder werden? Es gibt auch Investitionsvorhaben, die sich als


    (Dr. Wellhausen)

    falsch erwiesen haben. Auch hier sollten wir vorsichtiger werden. Der Kreditsegen - für manche ist ja ein Segen herniedergegangen ist nicht immer ganz richtig verwendet worden.
    Ich muß in diesem Zusammenhang um der Sache willen über die Zuständigkeitsfrage eine Bemerkung machen. Es hat sich, sagen wir, herumgesprochen, daß zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundeswirtschaftsminister nicht unerhebliche Differenzen über die Zuständigkeit insbesondere auf den Gebieten Geld und Kredit, Währung und Versicherung bestehen und daß sie nicht entschieden werden. Wir fürchten, daß unter diesen Differenzen die Sache langsam zu leiden beginnt. Deswegen bringe ich das im Rahmen der Haushaltsdebatte hier offen vor. Eine Entscheidung ist dringlich.
    Über die Besatzungskosten, die nach den Worten des Finanzministers den uns ja hinreichend bekannten Anteil am Haushalt ausmachen, haben meine Vorredner Bausch und Schoettle so überzeugend gesprochen, daß ich dem nichts hinzuzufügen brauche. Die Kosten, die durch die Anwesenheit der Schutzmacht verursacht werden, müssen so gehalten werden, und zwar im beiderseitigen Interesse, daß dem Zwecke dieser Schutzmacht sowie der Belastung und der Lage des deutschen Volkes Rechnung getragen wird.
    Zum Wirtschaftsministerium Stellung zu nehmen, dazu werden wir sehr bald in einer wirtschaftspolitischen Debatte Gelegenheit haben. Meine Freunde wünschen zu erklären, daß sie keinerlei Veranlassung sehen, auf die Marktwirtschaft zu verzichten. Die erforderlich gewordene Abwehr von Notständen mit geeigneten Mitteln hat nichts zu tun mit dem Aufgeben einer Grundsatzpolitik. Die außerordentlichen Erfolge, die bis zum Tage von Korea mit der Marktwirtschaft erzielt worden sind, haben unseren Glauben an diese Wirtschaftsform, den wir von vornherein hatten, noch verstärkt. Diese Erfolge sind aufgezählt, es ist hinreichend darüber gesprochen worden. Stichworte: Erhöhung der Produktion, Erhöhung der Leistung jedes einzelnen - durchaus nicht ohne weiteres die natürliche Folge des ersten —, Steuersenkung, auch der indirekten Steuern, erstaunliche Entwicklung der Ausfuhr, große Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, schnelles Anwachsen der Spareinlagen, Angleichung von Preisen und Löhnen — meine Damen und Herren, das klingt fast sagenhaft —

    (Abg. Paul selbst nicht! — Zuruf von der Mitte: Ruhe im Kreml!)

    waren die Folge der Marktwirtschaft. Natürlich — nur ein Tor könnte das bestreiten — hat Korea einen Einbruch in diese Situation gebracht, und zwar einen schweren Einbruch auf vielen Gebieten. Wir haben keine Blüte der Wirtschaft, Herr Kollege Schoettle. Niemals würde ich das behaupten. Aber wir glauben, daß wir diesen akuten Einbruch doch schneller und besser abgefangen haben, als man vielleicht erwarten konnte. Wir hoffen, daß wir durch die Marktwirtschaft auch mit ähnlichen Einbrüchen fertig werden. Auf diese müssen wir gefaßt sein. Wir möchten damit fertigwerden, wiewohl ja solche Einbrüche — meine Damen und Herren, das kann ich in diesem Zusammenhange nicht verschweigen —von manchen Kreisen auch des Inlandes mitgemacht oder sogar verstärkt und unterstrichen werden.
    Auf einem anderen Gebiet liegt die Entwicklung der Handelsbilanz, über die Herr Schoettle gesprochen hat. Es ist kein Zweifel, daß die Liberalisierung Gefahren hat. Ganz bestimmt hat sie Gefahren, wenn sie allzu schnell und allzu heftig vor sich geht und wenn den mit ihr zusammenhängenden Gedankengängen vielleicht auf der Gegenseite nicht mit der gleichen Liebe, mit der die Liberalisierung von uns angewendet wird, gehandelt wird.
    Für mich ist es eine noch offene Frage, ob es sich bei den Schwierigkeiten, in die wir geraten sind, um akute oder um chronische handelt. Je nach Beantwortung .dieser Frage werden die Mittel sein, mit denen wir den Schwierigkeiten zu Leibe rücken. In der Auffassung des Auslandes ist durch das bekannte Gutachten erfreulicherweise ein Wandel eingetreten, aber das soll uns nicht in den von Herrn Schoettle vielfach zitierten Optimismus verfallen lassen, sondern das Wirtschaftsministerium muß sicherlich sehr acht geben und sich hinsichtlich der Liberalisierung nicht nur von den inzwischen schon reichlich vertraut gewordenen Gedankengängen leiten lassen, obwohl eine möglichst große Liberalisierung natürlich auch unser Endziel ist.
    Herr Schoettle hat sich mit einer akuten Frage, deren aktuelles Dasein er unseres Erachtens überschätzt, ausführlich beschäftigt, nämlich mit dem Steinkohlenbergbau. Man kann übrigens auch eine Kohlenverknappung durch Gerede oder durch zu vieles Reden darüber erheblich vergrößern, meine Damen und Herren. Jeder Wirtschaftler und jede Hausfrau sollten sich doch vielleicht fragen, ob die Sommermöglichkeiten ausgenutzt worden sind oder nicht.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Damen und Herren, ich bin in der Lage, eine in Kürze der Presse zugehende Information des Bundeswirtschaftsministers — mit Einverständnis ,des Herrn Präsidenten — zu verlesen:
    „Zur Behebung der derzeitigen Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung im Bundesgebiet, insbesondere zur Vermeidung drohender Stillegungen von zahlreichen Betrieben und ,der damit verbundenen Arbeitslosigkeit ist in einer Verhandlung am 9. 11. unter Vorsitz des Bundesministers für Wirtschaft mit der IG Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung eine grundsätzliche Verständigung über eine Reihe von Maßnahmen erzielt worden.
    1. Bis zum 31. März 1951 wird der Steinkohlenbergbau monatlich die zusätzliche Förderung von 2 Arbeitstagen in regelmäßiger Mehrarbeit, deren Art den Verhältnissen der einzelnen Gruben angepaßt werden soll, zur Verfügung stellen.

    (Hört! Hört! links.)

    2. Zer Zuschlag für diese regelmäßige Mehrarbeit wird auf 50 % erhöht.
    3. Zur Steigerung der laufenden Tagesförderung wird neben der am 1. 11. 1950 tariflich bereits vereinbarten Lohnerhöhung von 10 % eine Prämie für regelmäßig verfahrene Schichten für die Untertage-Belegschaft in Höhe von 3 % gewährt.
    4. Die Verhandlungen über das außerdem vorgesehene Erfolgsanteilsystem sollen beschleunigt zum Abschluß gebracht werden.
    Diese Maßnahmen werden wirksam am kommenden Montag.


    (Dr. Wellhausen)

    Der Bergbau und die Bergleute beweisen damit erneut ihre Einsicht und Hilfsbereitschaft.
    Die Bundesregierung wird den Bergarbeiterwohnungsbau in stärkstem Maße fördern.
    Die hier getroffenen Maßnahmen sind geeignet, der Kohlenknappheit wirksam zu begegnen und eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten.

    (Bravo! rechts.)

    Ich möchte mit dem Verlesen dieser Information mitgeholfen haben, auf dem schnellsten und. sichersten Wege eine erhebliche Beruhigung in das Volk zu tragen.
    Meine Damen und Herren! Ich muß mich im Hinblick auf meine Redezeit — im übrigen die Redezeit, die in der ersten Sitzung des Altestenrats vereinbart wurde und auf die wir uns eingerichtet haben - kurz fassen. Die verschiedenen Gleise, auf denen Bundeswirtschaftsministerium und Ernährungsministerium daherfahren, ja, beinahe die verschiedenen Züge, die sie benutzen, erfreuen uns wahrlich nicht, aber wir müssen einsehen, daß es im Augenblick von Korea unmöglich war, eine weitere Angleichung vorzunehmen. Es sind nach unserer Ansicht Möglichkeiten hierzu verpaßt worden. Sie lagen um die Jahreswende 1949/50 vor. Im übrigen sollte in diesem Ministerium nun der Ton endgültig mehr auf Landwirtschaftsministerium als auf Ernährungsministerium liegen. Diese Änderung des Namens würde sehr viel mehr als das bedeuten, und wir haben den Eindruck — ich sage das auch als Angehöriger der Regierungskoalition ganz offen —, daß die Bürokratie bis ganz oben hin diesen Weg nicht in dem Maße geht, wie es erforderlich wäre.
    Zum Landwirtschaftsministerium! Es sind noch große Möglichkeiten der Leistungssteigerung gegeben. Der vermehrte Zuckerrübenanbau, der sich, ich möchte fast sagen: im Handumdrehen, im Zusammenhang mit der Ermäßigung der Zuckersteuer und was sonst in dieser Beziehung geschehen ist, gelohnt hat, sollte in dieser Richtung ein Vorbild sein.
    Im großen, meine Damen und Herren, sind wir gegen die Subventionen. Diese Ansicht vertraten wir, vertraten meine Freunde seit eh und je. Die Landwirtschaft muß vielmehr, und dieses Ziel lassen wir nicht aus den Augen, als ein Erwerbsunternehmen in die Gesamtwirtschaft eingefügt werden, dann aber auch unter Beachtung des zuweilen nicht gern gehörten, andererseits mit Begeisterung vertretenen Satzes „Gleicher Lohn für alle", oder besser, um nicht in Schlagworten zu sprechen, „Beseitigung des Lohngefälles von der Stadt zum Dorf".
    Wir erkennen die Sorgen der Landwirtschaft aus der Liberalisierung absolut an. Es ist unmöglich, Obst und Gemüse verderben zu lassen, weil es nicht abzusetzen ist, und gleichzeitig teures ausländisches Obst und Gemüse einzuführen. Wir sehen den Obsteinfuhrstop, der vor wenigen Wochen verordnet worden ist, als eine Einsicht in diese Erkenntnis an. Den Inlandsprodukten gehört der Vorzug im Absatz, und dem muß unsere Handelsvertragspolitik Rechnung tragen, wenn wir nicht eine der wichtigsten Stützen unseres Staates gefährden wollen.
    Meine Damen und Herren! Ich kann diesen Rundgang nicht beenden und will das selbstverständlich auch unter gar keinen Umständen, ohne die großen Leistungen hier zu erwähnen, die auch dem flüchtigen Leser — und andere gibt es vorläufig nicht bei diesem Haushaltplan — ins Auge springen, nämlich die großen Leistungen auf sozialem Gebiet. Wir machen uns das wirklich nicht leicht. Wie kämen wir auch dazu! Wir sind alles andere als der Meinung, es sei ein Luxus, den man sich nicht leisten könne. Dieses Wort habe ich meinem Vorredner etwas übel genommen: es sei ein Luxus, den wir uns nicht leisten können, sozialen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Das Bundesversorgungsgesetz, das mit einer sehr großen Mehrheit dieses Hauses hier kürzlich angenommen worden ist, ist ein Beweis dafür. Es ist ja nicht üblich und soll es auch nicht werden, solche Leistungen mit vielen schönen Reden zu preisen - ich meine jetzt bei den Organisationen usw. —; wir sind bescheiden; wir sind schon zufrieden, wenn man schweigt. Und wer schweigt, stimmt zu. Und die Organisationen, meine Damen und Herren
    — warum soll man solche Erfolge der Regierungskoalition hier nicht erwähnen —, haben damit zugestimmt. Wir freuen uns, daß wir, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten — die Deckungsvorlage kennen Sie —, diese Leistung haben vollbringen können. Wir wollen auf dem beschrittenen Wege fortfahren. Die Tradition Deutschlands auf dem Gebiet der Sozialversicherung verpflichtet uns unabdingbar dazu, und das versteht sich für uns von selbst.
    Es ist mir aufgefallen — sicherlich auch Ihnen —, daß der Herr Bundesarbeitsminister bei verschiedenen Gelegenheiten der letzten Zeit Veranlassung genommen hat, auf die Lage der Sozialversicherung hinzuweisen. Er hat damit nach unserer Ansicht völlig recht. Es fehlt das Deckungskapital; es ist angeblich — wir haben die Währungsreform nicht gemacht - gelegentlich der Währungsreform vergessen worden. Das Vermögen der Sozialversicherung, das in Berlin liegt, ist nicht frei. Die Bundesregierung würde sich ein Verdienst erwerben — ich weiß, daß sie sich darum bemüht —, wenn sie mit Nachdruck auf der Freigabe dieses Vermögens bestehen würde.
    Aber ich unterstütze den Appell des Bundesarbeitsministers, daß wir achtgeben müssen, die Sozialversicherten, die ja maßgeblich zu ihrer Rente mitbezahlt haben, nun nicht in einen unberechtigten Abstand zu anderen Renten- und Fürsorgeempfängern zu bringen. Die versicherungsmathematische Bilanz, die nach sehr vielen Monaten nun demnächst zu unserer Kenntnis kommt, wird uns die Augen öffnen. Wir werden nicht erfreut sein. Die Bilanz wird uns hoffentlich Fingerzeige geben, wie wir verfahren müssen.
    Ein kurzes Wort über die Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Sie ist noch nicht da. Sie soll von den Sozialpartnern paritätisch errichtet werden. Darüber besteht Einverständnis auch mit dem Bund, weniger mit den Ländern. Es erscheint uns unbedingt erforderlich, daß von einer Selbstverwaltung, der neben dem Schicksal von Millionen arbeitender Menschen auch die Verwaltung von Mitteln anvertraut ist, die in ,die Hunderte von Millionen gehen, die Verantwortung getragen wird; aber die Vertreter dieser Selbstverwaltung dürfen dann nicht in einem destruktiven Gegnerverhältnis des Klassenkampfes zueinander stehen — ich komme noch darauf zurück —, erforderlich ist doch selbstverständlich das konstruktive Partnerverhältnis der Gemeinschaft.


    (Dr. Wellhausen)

    Wir sind froh, daß wir nach nicht weniger als zweijährigen Beratungen fast bei der Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung angekommen sind. Ich wundere mich, daß die Arbeitnehmer sich eine solche Verzögerung der Wiedergutmachung eines Naziunrechtes gefallen lassen. Würden die Verzögerungen von einer anderen Seite kommen, hätten Sie wahrscheinlich im Blätterwald, in Versammlungen und in Reden schon sehr viel darüber gehört. Wer das auf sich beziehen will, der muß es tun. Nun sind alle Auswege und alle Ausflüchte vergeblich gewesen. Wir haben die von uns vorgeschlagene Parität, die sich zum Segen für ,die Sozialversicherung auswirken wird; davon bin ich überzeugt, sonst hätte ich sie nicht so stark befürwortet.
    Ich möchte noch die notwendige Regelung des Schlichtungswesens streifen. Auch hier war weitgehende Übereinstimmung der Sozialpartner erzielt worden. Aber wenn man sich die Ausführungen auf dem Gewerkschaftskongreß in Düsseldorf durchliest - Herr Schumacher hat uns ausdrücklich bescheinigt, zweimal sogar, wie neutral die Gewerkschaften sind; ich meine keine einzelne Partei, weil ich den Worten des Herrn Schumacher glaube —, dann wird einem doch angst. Die Grundtendenz der Ausführungen des Herrn Agatz war es, daß man nunmehr mit Lohnkämpfen eine andere Wirtschaftspolitik, überhaupt eine andere Politik herbeiführen müsse. Wenn das die Grundlage, nach der die Gewerkschaften nun antreten wollen, ist und bleibt, dann kommen wir zwischen den Sozialpartnern über Dinge wie Schlichtungswesen, die die Tarifvertragsparteien in die Hand nehmen sollten und wollten, nicht zurecht. Ich spreche das mit vollem Ernst hier aus.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Im Haushaltsausschuß wird Gelegenheit sein, viele Einzelheiten, aber auch viele grundsätzliche Fragen zu erörtern. Ich habe mich darauf beschränkt, von akuten Dingen zu sprechen und vieles nur anzumerken oder anzudeuten. Ich habe aber deutlich erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen meine Freunde bereit sind, die weitere Arbeit in der Koalition mitzumachen, von der uns zu trennen wir keinen Anlaß haben, ebensowenig dazu, andere Kombinationen zu erwägen. Es ist unser heißer Wunsch, daß dieser Koalitionsarbeit nicht nur weitere Wirkungsmöglichkeiten, sondern auch Erfolge beschieden sein mögen.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Wenn wir vom Zentrum Bilanz ziehen, so wird man nicht von uns erwarten, daß wir nur die positiven Leistungen der Regierung hervorheben. Wir müssen Kritik üben. Kritik ist der wirksamste Regulator für jede menschliche Tätigkeit. Sie werden das alte Sprichwort kennen: Konkurrenz hebt's Geschäft. In diesem Sinne ist die Kritik für die Regierungsarbeit das Ventil, das unbedingt notwendig ist, wenn die Regierungsarbeit selbst erfolgreich sein soll. Diese Kritik entspringt nicht einer negativen Haltung zur Regierung und zur Regierungsarbeit als solcher, sondern sie ist die notwendige Ergänzung der Regierungsarbeit.
    Diese Debatte zum Haushaltplan findet in einem Zeitpunkt äußerster politischer Unruhe statt. Für einen historischen Rückblick auf die Tätigkeit der Regierung, die jetzt über ein Jahr im Amt ist, haben wir nur wenig Neigung, weil uns die Sorgen der Zukunft zu viel zu schaffen machen. Daraus resultieren Aufgaben und Ausgaben, die sich in der gesamten Finanzpolitik des laufenden Jahres entscheidend bemerkbar machen müssen. Der Herr Finanzminister hat über diese Aufgaben kein Wort verloren. Die Aufgaben, die aber vor uns stehen, sind in ihrer Fülle kaum aufzuzählen; nur einzelne seien genannt: die äußere und innere Sicherheit unseres Staates, die Anpassung des Lebensstandards der Festbesoldeten und der Unterstützungsempfänger an die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die Herstellung von menschenwürdigen Wohnungen in der Nähe eines geeigneten Arbeitsplatzes, die Verhinderung des andauernden Verfalls der Altwohnungen, die Einbeziehung der zahlreichen durch Krieg und Kriegsfolgen heimat-
    und erwerbslos gewordenen Menschen in den Produktionsprozeß an einer Stelle, die ihren Fähigkeiten entspricht, die sonstigen Aufgaben des Lastenausgleichs, die Sorge für die Besatzungsverdrängten, für die Altsparer und zahlreiche andere mehr, deren Aufzählung im einzelnen hier zu weit führen würde. Diese Aufgaben werden noch im laufenden Haushaltsjahr verstärkte Anforderungen an die Haushalte von Gemeinde, Land und Bund stellen.
    Wir müssen deshalb wissen, wie wir finanziell stehen. Das erste Gebot für einen sorgsamen Hausvater ist einen Plan für die laufenden Ausgaben und insbesondere für die Sicherung der Zukunft seiner Familie aufzustellen und danach zu verfahren. Eine ähnliche Aufgabe stellt sich der Finanzpolitik des Staates. Was wir hier in der Bundesrepublik vermissen, ist die Aufstellung eines entsprechenden Finanzplanes. Der vorliegende Haushaltsplan ist nur formal ausgeglichen. Er enthält erstens nicht die kleinste Reserve, aus der die kommenden Ausgaben gedeckt werden könnten. Zweitens ist der Haushaltsplan nur deshalb formal ausgeglichen, weil bereits Steuereinnahmen eingesetzt sind, für die die rechtlichen Grundlagen noch gar nicht geschaffen sind; die Steuern sind nämlich von uns noch nicht bewilligt. Ein Haushaltsplan, der lediglich das Ist von gestern aufzeichnet, aber das Soll von heute und morgen vergißt, verdient seinen eigentlichen Namen nicht.
    Die verschiedenen Steueransätze, die der Bundesfinanzminister in den Haushaltsplan aufgenommen hat und die vom Bundestag noch nicht bewilligt sind, ergeben einen Betrag von 226 Millionen DM. Zum mindesten um diesen Betrag ist der Haushaltplan auch noch nicht ausgeglichen. Die Ausgaben für die innere Sicherheit dürften im laufenden Haushaltjahr nicht unter 300 Millionen liegen, so daß bereits jetzt mit Sicherheit ein Defizit von zwei Drittel Milliarden vorauszusehen ist. Die Ausgaben für die Subventionen des Bundesernährungsministeriums für die Landwirtschaft dürften gleichfalls bei der steigenden Weltmarkttendenz durch die Wirklichkeit übertroffen werden. Ob die Interessenquote der Länder in voller Höhe geleistet wird oder besser gesagt geleistet werden kann, ist mit Rücksicht darauf, daß bisher bereits erhebliche Rückstände entstanden sind, doch mehr als zweifelhaft. Die Rückstände für 1949/50 betragen 246 Millionen und für 1950/51 bisher rund 700 Millionen; insgesamt also fast 1 Milliarde an Rückständen, die die Länder dem Bund schulden.
    Das Wohnungsbauministerium dürfte mit seinen Mitteln zur Förderung des Wohnungsbaus bei


    (Dr. Bertram)

    weitem nicht auskommen, nachdem die Spartätigkeit so außerordentlich zurückgegangen ist. Um das Stilliegen von angefangenen Bauten in diesem Winter zu verhindern, werden erhebliche zusätzliche Anforderungen an die öffentlichen Finanzen kommen. Auch der Ausfall der ERP-Mittel für den Wohnungsbau und, sobald das Lastenausgleichsgesetz angenommen sein wird, der Soforthilfemittel muß als weiterer Ausfall für die Sicherung der Finanzierung des Wohnungsbaus berücksichtigt werden. Man wird also auch im Etat des Wohnungsbauministeriums mit erheblich höheren Fehlbeträgen zu rechnen haben.
    Der Überschuß der Einzahlungen über die Auszahlungen im Sparverkehr ist von 150 Millionen im Frühsommer dieses Jahres auf 15 Millionen im Monat August, d. h. auf ein Zehntel geschrumpft. Dazu kommen die Anforderungen der Besatzungsmacht für die Verstärkung der Unterbringung ihrer Truppen in Deutschland, so daß das Gesamtdefizit noch für das laufende Haushaltjahr mindestens 2 Milliarden DM betragen dürfte, sicherlich nicht weniger, eher noch mehr. Wenn aber die Höhe
    dieser Ausgaben vorauszusehen ist und im Haushaltplan nicht veranschlagt ist, dann ist der Haushaltplan innerlich nicht ausgeglichen.
    Wie kann der Ausgleich herbeigeführt werden? Wir haben uns als Zentrumsfraktion besonders das Thema der Ersparnisse gewählt. Wir haben vor einigen Tagen hier eine Debatte über den Sparkommissar gehabt. Ich glaube, daß erhebliche Ersparnisse möglich sind. Daß der Bundesfinanzminister selbst Sparkommissar werden könnte, wie der Staatssekretär Hartmann es erwähnte, glaube ich, ist ausgeschlossen, nachdem die Kritik des Bundesrates an den einzelnen Haushaltsplänen vorliegt und dort die Beanstandungen sich gehäuft haben. Wie ein roter Faden zieht sich durch den Bericht des Bundesrates die Beanstandung der Erhöhung der Stellenzahl ohne zureichenden Grund, die Umwandlung von nach TOA bezahlten Angestelltenstellen in höher eingestufte Beamtenstellen sowie die Bildung einer übermäßigen Anzahl von Referaten, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, und damit verbunden eine übermäßige Anzahl von Spitzenstellungen in den Ministerien. Das bewirkt, daß der Haushalt von 1950/51 auch in den Personalkosten erheblich höher liegt als sein Vorgänger.
    In den wenigen Tagen, seit der Haushaltsplan uns Abgeordneten des Bundestages zur Verfügung gestellt worden ist, ließen sich Gesamtzusammenstellungen nicht anfertigen. Das gilt um so mehr, als Sammelnachweisungen mit Haushaltsquerschnitten sowie Vergleichszahlen des Vorjahres, ferner Stellen- und Organisationspläne, bisher nicht vorgelegt worden sind. Ihre Vorlage ist offenbar auch nicht beabsichtigt. Ich glaube aber nicht, daß in irgendeiner Kommunalverwaltung die Gemeindevertreter sich mit einem Haushaltsplan ohne derartige Erläuterungen zufrieden geben würden. Einen solchen Haushaltsplan würde man dem Stadtdirektor zurückgeben. Es ist wirklich nicht nett vom Ministerium, daß uns diese Drucksachen erst zwei Tage vor der Beratung vorgelegt werden, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Drucksachen den Fraktionen wenigstens in dem gleichen Zeitpunkt zuzustellen, in dem sie .dem Bundesrat zugegangen sind. Aus dieser Handhabung — Fehlen der Sammelnachweise, Fehlen der Vergleichszahlen des Vorjahres und aus der verspäteten Vorlage — kann doch nur der Schluß gezogen werden, daß der Regierung eine frühzeitige Kritik an den Haushaltsvoranschlägen unbequem ist.

    (Zurufe von der CDU: Na, na!)

    Wer aber eine Kontrolle erschwert — und das wird man ja wohl zugeben müssen —, setzt sich dem Verdacht aus, daß er eine Kontrolle fürchtet.
    Die flüchtige Prüfung ergibt schon den Beweis für die mangelnde Sparsamkeit in verschiedenen Punkten. Das Gutachten des Rechnungshofes von Nordrhein-Westfalen ebenso wie die bisherigen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses für die im Raume Bonn vergebenen Arbeiten zeigen eindeutig, daß man wesentlich sparsamer hätte arbeiten können. Wenn für die Wandbekleidung — und das ist nur ein Beispiel, das typisch ist — des Bundeskanzlerzimmers und des Sitzungszimmers Velour für 17 000 DM zum qm-Preis von 68 DM angeschafft worden ist, und — das ist entscheidend — wenn nachträglich diese Wandverkleidung wieder entfernt worden ist, so kann doch aus dieser Tatsache der Beweis für mangelnde Sparsamkeit und schlechtes Gewissen in einem erbracht werden. Der Globalabstrich von 200 Millionen DM, den der Herr Bundesfinanzminister hier gestern als Beweis für seinen Sparsamkeitswillen anführte, würde ja gar nicht möglich sein, wenn die Haushalte vorher sorgfältig durchgeprüft worden wären. Ein solcher Globalabstrich beweist immer, daß überflüssige Reserven in den Haushalten vorhanden gewesen sind, und die Tatsache, daß er sich hat durchführen lassen, beweist die mangelnde Sorgfalt bei der Aufstellung der Haushaltspläne.
    Ich will nicht auf all die anderen in der Presse veröffentlichten Anzeichen für mangelnde Sparsamkeit hinweisen. Ein Beispiel möchte ich aber noch hervorheben. Wenn für inländische Erdölproduzenten 1949 pro Tonne Förderung 40 DM bei einer Förderung von 841 000 Tonnen jährlich und 30 bis 34 DM = mindestens 30 Millionen im Jahr 1950 bei einer Jahresförderung von einer Million Tonnen gezahlt werden und einer dieser Erdölproduzenten dann in der Lage ist, aus der Westentasche über 20 000 DM an einen Bundestagsabgeordneten zu zahlen, so scheint mir nicht nur das gesamte System der Erdölsubventionen überprüfungsbedürftig, sondern scheinen sicherlich auch erhebliche Ersparnisse, zum mindesten bei den Subventionen an diese Gesellschaft, möglich.
    Die Sparsamkeit muß sich aber nicht nur auf den Bund, sondern auch auf Länder und Gemeinden erstrecken. Der Einwand, den ich erwarte, ist der, daß der Bund für die Länder und Gemeinden nicht zuständig ist. Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhaltig, weil über den Finanzausgleich nach Art. 106 des Grundgesetzes eine wirksame Einflußnahme des Bundes auf sparsamste Haushaltsgestaltung bei den Ländern möglich ist. Der Minister hat gestern erklärt, die Länder seien eine Schicksalsgemeinschaft. Das ist mit einer Einschränkung richtig. Der Bund bildet die Schicksalsgemeinschaft der Länder. Das System der Regierung schaltet aber diese Schicksalsgemeinschaft, wie sie im Grundgesetz verankert ist, aus. Es schafft neben dem Bundesstaat noch einen Staatenbund der Länder, ein staatsrechtliches monstrum irregulare. Es fing an mit der Kultusministerkonferenz. Dieser Weg führte dann zum Gesetz über die Finanzverwaltung, dann über das System der Interessenquote, die im Grundgesetz keine Verankerung findet, jetzt zu der Polizeivereinbarung der Länder mit dem Bund. Die Kosten dieser Doppelorgani-


    (Dr. Bertram)

    sation, auf der einen Seite des Staatenbundes, der verschiedenen Länder, und auf der anderen Seite des Bundes, zahlt das deutsche Volk. Die Zahl der Länderministerien kann natürlich nicht entscheidend verringert werden, wenn in dieser Weise die Länderaufgaben künstlich aufgebläht werden und die Länder gegen das Grundgesetz durch Staatsverträge ihre Beziehungen untereinander regeln müssen, statt die Organe, die das Grundgesetz geschaffen hat, dafür zu verwenden. Die Pflichten gegenüber dem Bund werden den Ländern von unserem Finanzminister nicht klargemacht, weil sein bayerisches Herz in seiner Brust offenbar stärker schlägt, als es die Pflicht gegenüber den Bestimmungen des Grundgesetzes erlauben würde.
    Daß insbesondere der Personalbestand der Länder und Gemeinden weit überhöht ist, beweist die Statistik. Bund, Länder und Gemeinden beschäftigen gegenwärtig 1,2 Millionen Angestellte und Arbeiter — ohne Bahn und Post — gegenüber 800 000 vor dem Kriege. Der Personalstand je tausend Einwohner hat sich damit von 18,3 auf 24,6 erhöht. An Gehältern und Löhnen werden für diesen Personenkreis 4 1/2 Milliarden Mark aufgewendet. Die Aufblähung ist zum Teil — und nicht zum unwichtigsten Teil — auf das Parteibuchbeamtentum und auf eine unangebrachte Großzügigkeit vor der Währungsreform zurückzuführen. Zahlreiche Aufgaben sind jetzt weggefallen, so z. B. die Wirtschaftsämter. Das Personal ist aber geblieben.
    Bei der Zollverwaltung sind nach den Angaben im Etat fast 28 500 Personen tätig. Wenn wir davon ausgehen, daß ein großer Anteil der Zollbeamten nur deshalb eingesetzt werden muß, weil die hohen fiskalischen Belastungen für Tabak, Kaffee und Tee den Schmuggel so lukrativ machen, so wäre es der einfachste Aufgabenabbau bei der Zollverwaltung, durch eine Änderung der Verbrauchsteuern den Schmuggel unlukrativ zu machen und dadurch auch den überflüssigen Behördenapparat einzuschränken. Es liegt in dieser Richtung ein einstimmiger Beschluß des Bundestags vor. Aber mit einem Eigensinn sondergleichen sträubt sich der Finanzminister dagegen, diesen Beschluß durchzuführen. Dabei ist der Beschluß des Bundestages auf Grund sorgfältiger Vorarbeiten gefaßt worden, nachdem sich herausgestellt hatte, daß bei einer entsprechenden Senkung der Verbrauchsteuern gleichwohl das Gesamtaufkommen aus diesen Steuern sich nicht ermäßigt haben würde. Trotzdem zieht man den Weg vor, mit einem zu großen und deshalb überflüssigen Beamtenapparat die hohen Verbrauchsteuern durchzuziehen.
    Der Beamtenkörper ist zum Teil auch mit un-, geeigneten Kräften aufgefüllt worden, die infolge ihrer Unkenntnis Fehler machen und eine verständliche Verärgerung zahlreicher Bevölkerungskreise und abfällige Urteile über die gesamte Beamtenschaft verursachen.
    Die Personalpolitik der Regierung in ihrer Einseitigkeit Ist von uns wiederholt gerügt worden, insbesondere die Personalpolitik hinsichtlich des Auswärtigen Amtes. Über diesen Punkt wird bei den Beratungen über die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten noch eingehend zu reden sein. Unsere Fraktion behält sich vor, gerade zu diesem Punkt noch recht aufschlußreiches und interessantes Material vorzulegen.
    Die mangelnde Sparsamkeit zeigt sich insbesondere aber auch bei der großen politischen Linie. So hat der Bundeskanzler ohne Genehmigung durch den Bundestag eine Sicherheitsdienststelle geschaffen und deren Bezüge ohne Etatisierung angewiesen. Sie zeigt sich in der höchst überflüssigen Einrichtung von unklassischen Ministerien. Über diese Frage ist oft genug debattiert worden. Daß aber die Minister, die selbst noch Abgeordnete sind, die doppelte Aufwandsentschädigung erhalten, ist ebenfalls ein Beweis dafür, daß die mangelnde Sparsamkeit in der ganzen Linie der Regierung liegt. Daß diese nicht klassischen Ministerien, deren Notwendigkeit auch von Kreisen, die der Regierung nahestehen, bezweifelt wird, trotzdem im neuen Haushaltsplan wieder erheblich höhere Ausgaben verzeichnen als im alten Haushaltsplan, ist uns unverständlich.
    Das Marshallplan-Ministerium hat allein bei seinen Beamten eine Zunahme von 75 % zu verzeichnen. Die Stellungnahme der Regierung zu den kritischen Anmerkungen des Bundesrats kann doch nur den Eindruck vermitteln, daß das Marshallplan-Ministerium inzwischen zu einem zweiten Wirtschaftsministerium geworden ist. Es ist ein Vervielfältigungsministerium. Die gleichen Arbeiten, die auch im Wirtschaftsministerium geleistet werden, werden im Marshallplan-Ministerium noch einmal erledigt. Nur eine scharfe Aufgabenaufteilung nach Sachgebieten kann aber die Ableistung der gleichen Arbeiten an zwei Stellen verhindern. Ich will nicht sagen, daß die Beamten im ERP- Ministerium nicht arbeiten; sie beschäftigen sich aber mit der gleichen Arbeit, für die auch im Wirtschaftsministerium Referate und Beamte da sind.
    Mit besonderem Nachdruck stellen wir fest, daß diese unklassischen Ministerien eine weitere Steigerung ihrer Ausgaben zu verzeichnen haben und insgesamt im wesentlichen doch nur aus Koalitionsrücksichten aufrechterhalten werden. Das deutsche Volk muß den Betrag aufbringen, der wegen dieser Rücksichten verlangt wird. Wir betonen dabei ausdrücklich, daß wir vor allem die zentrale politische Bedeutung der Grenzlandfrage dem Bundeskanzler schon wiederholt ans Herz gelegt haben und beklagen tief die mangelnde Wirkung der Behandlung der Grenzlandfragen durch die Bundesregierung.
    Der Etat des Bundestages beträgt 16 1/2 Millionen Mark. Damit beträgt sein Etat l 1/2 pro mille der Gesamtausgaben. Dem Bundestag sind die wesentlichen Aufgaben der Gesetzgebung vorbehalten. Er ist aber auch — und das ist, glaube ich, etwas, was in der Öffentlichkeit weitgehend übersehen wird — das Kontrollorgan des Volkes gegenüber der Bürokratie. Ein Vergleich mit dem alten Reichstag muß immer dann hinken, wenn nicht gleichzeitig das Anwachsen des gesamten bürokratischen Apparates verglichen wird. Wenn der bürokratische Apparat sich vervielfacht hat, dann werden die Kosten des Kontrollorgans sich natürlich auch erhöhen müssen. Wegen der etatsmäßigen Beschränkung des Bundestages ist er nur sehr schwer in der Lage, die arbeitsmäßigen Voraussetzungen für seine Abgeordneten zu schaffen. So haben in unserer Fraktion 10 Abgeordnete nur e i n Arbeitszimmer. Die Zahl der Assistenten ist viel zu gering, um die laufenden Hilfsarbeiten für eine wirksame Ausübung der Kontrollfunktion und eine Vorbereitung der Gesetzgebung zu leisten.
    Der Bundestag müßte sich selbst das Amt eines Sparkommissars organisatorisch eingliedern. Der Sparkommissar kann sich der sehr umfangreichen Einrichtung des Bundesrechnungshofs — mit einem Etat von über 4 Millionen DM und einem Personalbestand von 322 Bediensteten — bedienen. Der Bundesrechnungshof hat jetzt Aufgaben übernom-


    (Dr. Bertram)

    men, die früher dem Reichssparkommissar oblagen. Der Bundestag hat jetzt nicht das Recht, den Bundesrechnungshof für seine Aufgaben einzusetzen. Die Mittel des Bundestags zur Regierungskontrolle sind Etatsresolutionen, schriftliche Auskunftserteilungen, Herbeirufung des Ministers, Untersuchungs- und Überwachungsausschüsse und das konstruktive Mißtrauensvotum. Uns fehlt aber die Möglichkeit einer laufenden Überwachung der Verwaltung im Hinblick auf Sparsamkeit. Diese laufende Überwachung könnten wir nur haben, wenn der Bundesrechnungshof nicht allein als Organ der Exekutive tätig wäre, sondern wenn er über den Sparkommissar gleichzeitig das Organ der Legislative wäre und damit die Hauptaufgabe unseres Bundestags, nämlich die Kontrollfunktion der Volksvertretung gegenüber der Exekutive, wirksam zu unterstützen in der Lage wäre. Das ist der Sinn und der Grundgedanke unseres Antrags auf Einsetzung eines Sparkommissars im Rahmen der Organisation des Bundestags, der sich dann des Bundesrechnungshofs zu bedienen hätte, um mit einem Schlage ohne zusätzliche Mehrausgaben unser Haus erst voll funktionsfähig zu machen.

    (Beifall beim Zentrum.)

    Bei allem Sparsamkeitswillen wird sich durch Sparsamkeit allein niemals ein Haushaltsausgleich erzielen lassen. Dafür sind die Aufgaben zu groß. Der Finanzminister hat sich deshalb Mühe gegeben, Steuervorschläge zu machen. Wir haben ein ganzes stattliches Bukett solcher Vorschläge erhalten. In diesem Bukett aus Brennesseln finde ich keine einzige Rose. Erhöhung des Notopfers Berlin — —

    (Zuruf von der Mitte)

    — Ich komme gleich darauf zu sprechen. Es wäre nämlich möglich gewesen, zusammen mit diesen Steuervorschlägen gleichzeitig verschiedene Erleichterungen durchzuführen, getrennte Veranlagung von Ehemann und Ehefrau, die Erhöhung der Steuerfreiheit für Weihnachtsgratifikationen von 100 auf 300 DM, die Erhöhung der Freibeträge von 750 auf 1000 DM. Die dringendsten sozialen Forderungen, die allenthalben als berechtigt anerkannt sind, wären bei einer vernünftigen Steuervorlage mit zu berücksichtigen gewesen, ebenso wie die Herabsetzung der Verbrauchsteuern auf Tabak und Kaffee. Dann würden wir tatsächlich eine Steuervorlage haben, die nicht nur Brennesseln oder Disteln enthalten, sondern in der auch einige freundliche Rosen blühen würden. Die jetzige Vorlage dagegen kann von uns nur abgelehnt werden.
    Das Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zeigt eine ganz merkwürdige Entwicklung. Soweit ich weiß, ist diese Entwicklung gestern in dem Bericht des Bundesfinanzministers wesentlich zu kurz gekommen. Die Körperschaftsteuer hat im ersten Quartal 1950 325 Millionen DM erbracht, im zweiten Quartal 293 Millionen DM und im dritten Quartal 262 Millionen DM, die veranlagte Einkommensteuer — nicht die Lohnsteuer — im ersten Quartal 1950 560 Millionen DM, im zweiten Quartal 533 Millionen DM und im dritten Quartal 307 Millionen DM.
    Besonders interessant ist die Entwicklung der Körperschaftsteuer, da dieser Steuertarif durch die kleine Steuerreform ja nicht geändert worden ist. Bei einer Steigerung des Sozialprodukts im lauf enden Jahr und einem dementsprechend gesteigerten Gewinn der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften ist trotzdem eine Minderung der Körperschaftsteuerzahlungen von 325 Millionen DM über 293 Millionen DM auf 262 Millionen DM eingetreten, eine völlig unerklärliche Entwicklung. Die Ursache liegt nach Meinung des Finanzministers darin, daß die vierteljährliche Vorauszahlung weggefallen ist und daß die Länder von der Bestimmung der Steuergesetzgebung, die Erhöhung der Vorauszahlungen auf Grund der höheren Umsätze zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht haben. Dieser Grund kann von uns nicht anerkannt werden; er ist offensichtlich nicht zutreffend. Die wahren Gründe liegen woanders, sie liegen in ganz überhöhten Abschreibungsmöglichkeiten der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften und der veranlagten Einkommensteuerpflichtigen. Die Gründe dafür sind das D-Mark-Bilanzgesetz, das die Bilanzkontinuität unterbrochen und damit den Gesellschaften die Möglichkeit gegeben hat, in wildem Maße abzuschreiben, zweitens die Sonderabschreibungen für Ersatzbeschaffung usw., §§ 7 a ff. des Einkommensteuergesetzes. Diese beiden Vergünstigungen begünstigen die leistungsfähigen und vermögenden Gesellschaften stärker als die anderen, die wenig oder nichts verdienen. Hier liegt keine Progression, sondern eine Degression vor, die im Steuerrecht kein Beispiel hat. Die Steuergesetze machen hier die Reichen noch reicher und verhindern den Aufstieg derjenigen, die kein Kapital hatten und die deshalb von diesen Vergünstigungsvorschriften keinen Gebrauch machen können. Das nennen wir wohlüberlegte Restauration. Ohne Abänderung der Besteuerungsvorschriften für Körperschaften wird sich dieser Zustand nur ganz allmählich ändern.
    Mit Korea hat das Absinken der Steuern wahrlich nicht das geringste zu tun, wie ja die Entwicklung beweist, die bereits im zweiten Quartal eingetreten ist und sich im dritten Quartal nur verstärkt hat. Die übertriebene Selbstfinanzierung bewirkt eine wahnsinnige Erschwerung, Engpässe der Wirtschaft an anderer Stelle über einen funktionierenden Kapitalmarkt zu beseitigen. Diese übertriebene Selbstfinanzierung erweitert diejenigen Teile der Wirtschaft, die es volkswirtschaftlich nicht nötig haben, und macht den Ausbau der Wirtschaft da, wo es volkswirtschaftlich nötig ist, unmöglich.
    Der Tiefstand des Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ist in der deutschen Finanzgeschichte einmalig. Im Jahre 1913 bereits betrug der Anteil der vergleichbaren Steuern am Gesamtsteueraufkommen 34 %. Er lag im Jahre 1949 bei 40 % und ist heute auf 27 % abgesunken. Die Entwicklung der letzten Monate beweist eine Steuerpolitik zu Lasten des Verbrauchers und eine überaus große Schonung der Körperschaften, aber auch der Einkommensbezieher, die zur Einkommensteuer veranlagt werden. Hier liegt die Hauptursache der Schwierigkeit für die Herbeiführung des Haushaltsausgleichs. Wir haben rechtzeitig vor dem Mißbrauch gewarnt und sind vom Finanzminister nicht gehört worden. Die Folgen für das Gewerbesteueraufkommen in den Gemeinden sind gar nicht abzusehen. Zahlreiche Gemeinden stoßen bereits Schreckensrufe aus und melden unerhörte Rückgänge.
    Ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen beruht heute auf der Genußmittelbesteuerung. Wir finden das bedenklich, da ein möglichst hoher Genußmittelverbrauch doch nicht im moralischen Sinn eines guten Staates liegen sollte. Heute ist es dagegen so, daß sich der Staat wünschen müßte, daß Genußmittel, vom Schnaps angefangen, in möglichst großem Umfang konsumiert werden.


    (Dr. Bertram)

    Die Notwendigkeit einer Sanierung der Soforthilfe bestimmte das Ausmaß der Tarifsenkung in der kleinen Steuerreform, sagte uns gestern der Herr Bundesfinanzminister. Das kann nicht der Fall sein, denn die nicht ertragreichen Gewerbezweige und der Hausbesitz konnten von dieser Tarifsenkung keinen Gebrauch machen. Landwirtschaft und Hausbesitz zahlen Soforthilfe weitgehend aus der Substanz. Aber bei den Großeinkommen in der gewerblichen Wirtschaft wurde eine Begünstigung herbeigeführt, indem die Soforthilfeschulden dadurch bezahlt werden konnten, daß ,der Staat sie ,durch die Ermäßigung der Einkommensteuertarife in den hohen Klassen auf seine Schultern nahm. Eine solche Politik: Soforthilfezahlungen aus den Kassen .des Staates können wir nicht mitmachen und nicht billigen. Wir müssen die Regierung auffordern, hier umzukehren. Hier stellt sich die Gretchenfrage der gesamten Wirtschafts-, Finanz- und Kreditpolitik. Ich kann nicht mehr auf die kreditpolitischen und wirtschaftspolitischen Dinge eingehen, weil meine Redezeit abgelaufen ist. Aber diese Gretchenfrage muß sich die Regierung jetzt, an der entscheidenden Stelle, nach einem Jahre Amtstätigkeit, vorlegen: Soll es mit der ständigen Belastung der Verbraucher so weitergehen oder soll eine gerechte Steuerbelastung der Körperschaften und der veranlagten Einkommensbezieher eintreten und damit die Erfüllung ,der kommenden großen Ausgaben auf einer Basis der Belastung nach ,der Leistungsfähigkeit möglich gemacht werden? Nur wenn dieser Weg beschritten wird, verdient die Politik der Regierung das Wort „sozial"; andernfalls verdient sie dieses Beiwort nicht.

    (Beifall beim Zentrum und links.)