Meine Damen und Herren! Die Kürze der Zeit und auch der Aufmarsch der gegnerischen Argumente oder dessen, was man höflicherweise damit vergleichen kann, zwingt mich zu dem Entschluß, ein Minimum von Polemik anzuwenden.
Eine Entwirrung der Mißverständnisse und die notwendige sachliche Fundierung einer erfolgreichen Diskussion ist ja in dieser kurzen Zeit nicht möglich. Aber uns helfen doch nicht platonische Bekentnisses zu einer gewissen Gemeinsamkeit von Ideen, wenn in Konsequenz dieser Bekenntnisse dann von der Seite oder von hinten oder durch Umgehung praktisch andere Folgerungen abgeleitet werden als die, die zwangsläufig sich aus diesen Ideen ergeben sollen.
Meine Damen und Herren! Wir haben eine gewisse Überraschung erlebt, als, nicht wegen der Persönlichkeit des betreffenden Abgeordneten oder seiner Bedeutung, sondern wegen der prinzipiellen Wichtigkeit seiner Worte, kein einziger der Diskussionsredner Front gegen die Verteidigung und das Bekenntnis zu einer politischen Anschauung gemacht hat, die eben nicht verteidigt werden kann, weil sie den Zusammenbruch Deutschlands und Europas herbeigeführt hat, weil sie die Schwierigkeiten geschaffen hat, mit denen wir heute ringen.
Wir wünschen nicht, unser Verhältnis zu den Alliierten auf der Grundlage zu diskutieren, die der sich unabhängig nennende Abgeordnete hier zur Basis seiner Rede gemacht hat. Wir wünschen vor allen Dingen nicht, das Verhältnis auf der Grundlage der agitatorischen, lügnerischen Verbiegung der Tatsachen und des Mangels jeder Objektivität zu diskutieren.
Hier erlebten wir, wie sehr ein beziehungslos in der Welt der Politik herumschwebender nationaler Radikalismus Nationalbolschewismus in dieser Situation zu werden droht.
Nun, meine Damen und Herren, wenden wir uns dem Kern der Ausführungen der nichtsozialdemokratischen Parteien am heutigen Nachmittag zu. Dieser Kern ist eine nachträgliche Billigung der Erklärung der Bundesregierung, wie sie von dem Herrn Bundeskanzler vorgetragen worden ist. Wir halten nicht sehr viel davon, auf einmal von der Methode des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei zu sprechen, wenn die Methode des Herrn Bundeskanzlers auf der Anklagebank steht.
Wir halten auch nicht viel davon, diesen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei gewissermaßen als Persönlichkeit, ohne jede sachliche Motivierung des Vorgehens, für eine politische Anschauung verantwortlich zu machen, die von der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Bundestagsfraktion geschlossen getragen wird.
Am wenigsten halten wir von einer Methode, dort, wo wirklich Gegensätze vorhanden sind, diese Gegensätze zu bagatellisieren und mit allgemeinen Redensarten überbrücken zu wollen.
Demgegenüber erklärt die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages: Sie mißbilligt die Erklärung der Bundesregierung in ihrem sachlichen Inhalt und in der Form, in der sie dem Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit unterbreitet worden ist.
Sie mißbilligt sie deswegen, weil diese Erklärung ohne Befragung durch die Alliierten abgegeben worden ist, weil sie wieder ein Zeichen für die von uns angegriffene Methode der Politik ist, nicht abwarten zu können und nicht mit Erklärungen deutscher Bereitschaft abwarten zu wollen. Damit verstärkt man die nationale Position der Deutschen in dieser Frage nicht.
Praktisch hat ja der Herr Bundeskanzler alles auf den einen Satz konzentriert, daß man bereit sein muß,
wie es wörtlich heißt, auf Befragung die Erklärung abzugeben. Wenn das der Fall ist, dann ist das eine Vorentscheidung über eine deutsche Vorleistung,
die wir nicht akzeptieren, weil das Wesentliche der deutschen Politik und der Notwendigkeiten der Bewohner unseres Landes dabei nicht berücksichtigt ist.
Die Sozialdemokratie mißbilligt aber diese Erklärung auch deswegen, weil die sachlichen Voraussetzungen bis zu diesem Augenblick nicht geklärt sind, weil die machtmilitärischen Voraussetzungen und die Voraussetzungen der internationalen Solidarität ja erst geschaffen werden müssen und von ihrem Vorhandensein das Ja oder Nein für die Deutschen erst abhängig gemacht werden kann.
Darum ist die Erklärung, die die Bundesregierung heute abgegeben hat, unmöglich.
Schließlich, meine Damen und Herren, mißbilligt die sozialdemokratische Fraktion eine Methode, die nachher bei der Rechtfertigung mit dem Appell an die Gemeinsamkeit arbeitet, aber vorher durch die Praxis der Erklärungen und Maßnahmen doch eine Absage an dieselbe so gepriesene Gemeinsamkeit auch in der Außenpolitik bedeutet.
Zu den rechtlichen Ausführungen und den beträchtlichen Leistungen juristischer und philologischer Fleißarbeit will ich mich hier nicht äußern.
Ich will nur sagen, daß diese Ausführungen alle an dem zentralen Problem vorbeigehen.
Der Mangel an Schlüssigkeit kann auch durch die
Lautheit des Standpunktes nicht zugedeckt werden.
Es handelt sich um die verfassungsmäßige Regelung, die im Grundgesetz nicht vorgenommen ist,
und vor dieser Frage stehen wir.
— Ach, glauben Sie denn, daß man die wichtigsten Probleme des deutschen Staats- und Volkslebens im Grundgesetz aus beiläufigen Bemerkungen und einer e-contrario-Argumentation beschaffen kann? Die Sozialdemokratische Partei steht zu jedem Wort der sozialdemokratischen Erklärungen im' Parlamentarischen Rat in Bonn.
— Ich sehe aus der Freudigkeit und dem Enthusiasmus Ihres Beifalls, daß Sie auf dem Wege zur Erkenntnis des Problems sind.
Die Sozialdemokratische Partei besteht auf dem verfassungsändernden Charakter, und sie wird das Volk keinen Augenblick im Stich lassen, wenn es sein Recht geltend macht, auch gehört zu werden. In dieser Frage ist das Problem als politisches Problem ja nicht nur eine Frage der Verantwortung der Regierung oder einer Regierungsmehrheit oder auch der Opposition. Die letzte Verantwortung trägt doch das Volk selbst, das man in dieser wichtigsten Frage nicht einfach mundtot machen kann, weil jeder einzelne Mensch als Person die Konsequenzen dieser Handlungen zu tragen hat.
Der Respekt vor unserem Volke sollte auch der Bundesregierung den Weg freimachen zu einer anderen Art als der der taktisch-autoritären Behandlung dieser Dinge.