Rede:
ID0109803600

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Fröhlich.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1950 3563 98. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. November 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3563B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung des Westens, Pleven-Plan und Vorschlag der Sowjetregierung zur Einberufung der Außenministerkonferenz der vier Großmächte) 3563C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3563D, 3621D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 3567B Dr. Schumacher ,(SPD) . . . 3567B, 3620C Frau Wessel (Z) 3576D Dr. Seelos (BP) 3582A von Thadden (DRP) 3587B Schuster (WAV) 3590C Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3591B Dr. Doris (parteilos) 3593A Rische (KPD) 3594A Dr. Leuchtgens (DRP) 3599C Clausen (SSW) 3600D Fröhlich (BHE) 3601B Dr. Schäfer (FDP) 3602A Dr. von Merkatz (DP) 3608D Dr. von Brentano (CDU) 3615A Nächste Sitzung 3622C Die Sitzung wird um 13 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Hermann Clausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zu diesem für das deutsche Volk und für die europäischen Völker so schwerwiegendem Problem! Auch ich fühle mich verflichtet, von dieser Stelle aus der Meinung meiner Wähler und Wählerinnen Ausdruck zu geben. Ich will das mit kurzen Worten tun.
    Niemand von uns hätte geglaubt, daß fünf Jahre nach Beendigung des zweiten blutigen Weltkrieges mit allen seinen grausamen Folgeerscheinungen das deutsche Volk vor die Frage gestellt werden würde, militärische Formationen aufzustellen. Schon wieder klingen von Politikern und Staatsmännern Worte an unser Ohr, daß weitere Divisionen eine Gewähr für den Frieden sein sollen. Und doch hat schon ein Wilhelm II. beim Stapellauf eines Schlachtschiffes gesagt, daß jedes Schlachtschiff, das den Stapel verläßt, eine Gewähr für den Frieden sei. Meine Damen und Herren, daran glaubt der einfache Mann im Volke nicht mehr. Der einfache Mann im Volke ist der Meinung, daß jede Aufrüstung Krieg bringt. Nur Abrüstung kann eine sichere Gewähr für den Frieden sein. Nach meiner Meinung sollte das die Lehre aus zwei Weltkriegen sein.
    Die Befürworter der Aufrüstung haben ein schwerwiegendes Argument. Das ist die Frage der Sicherheit nach außen, und zwar gegen den Osten. Aber mir scheint: ebenso bedeutungsvoll müßte ein anderes Argument sein, nämlich die Sicherheit nach


    (Clausen)

    Innen. Im Hinblick auf die Sicherheit nach innen erhebt sich die Frage: wird die Aufstellung von deutschen Divisionen die antidemokratischen Kräfte zum Überwiegen bringen? Das ist eine bedeutungsvolle Frage, vor der wir stehen. Wir müssen Sicherheit gegen jedes Aufkommen einer antidemokratischen Reaktion verlangen. Es darf sich nicht das wiederholen, was wir in der Weimarer Republik erlebt haben. Damals war die Reaktion doch zu einem großen Teil durch die Militärs verkörpert. Die guten Demokraten in der Zeit der Weimarer Republik haben niemals volles Vertrauen zu den Generälen des Hunderttausendmann-Heeres gehabt.
    Unser Grenzland im Norden mit seinen drei Kulturen, der deutschen, der friesischen und der dänischen Kultur, ist stark daran interessiert, daß diese Kräfte nicht wieder die Oberhand gewinnen; denn unser Grenzland im Norden und •seine Bevölkerung können nur in einer wahren Demokratie leben.
    Für meine Wähler und Wählerinnen aber ist noch eine zweite Tatsache in Erwägung zu ziehen. Die dänisch gesinnte Bevölkerung in Südschleswig hat in zwei Weltkriegen für eine Sache kämpfen müssen, die nicht die ihre war; denn ihr Herz gehörte und gehört einem anderen Volke und einem anderen Land. Sie hat aber ihre Söhne hergeben müssen und damit ihre fast überschwere staatsbürgerliche Pflicht erfüllt. Sie will diese Situation nicht ein drittes Mal erleben.
    Aus diesem Grunde sehen wir mit großer Sorge der Entscheidung über die Frage der Remilitarisierung entgegen. Meines Erachtens ist ein klares Nein oder Ja erforderlich. Die Entscheidung soll aber, wie verlautet, nicht heute gefällt werden.
    B) Zur gegebenen Zeit werde auch ich dieser Entscheidung nicht aus dem Wege gehen.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fröhlich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Gerd Fröhlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik mit dem Ziel einer Verstärkung der Abwehrkraft der freiheitliebenden Nationen gegen den totalitären expansionslüsternen Bolschewismus berührt im besonderen jenen Teil des deutschen Volkes, der durch den letzten Krieg durch den Verlust von Heimat, Hab und Gut im Wartesaal der deutschen Bundesrepublik noch heute in einem unerhörten Elendszustand lebt. Diese Menschen wissen sehr wohl, daß für ihr Schicksal in ganz hohem Maße jene mitverantwortlich sind, die heute meinen, daß eine aussichtsreiche Verteidigung des restlichen Abendlandes ohne deutsche Mitwirkung nicht möglich erscheint. Die Ostvertriebenen vertreten deshab die Auffassung, daß es Sache der Atlantikmächte ist, den Hauptbeitrag zur Verteidigung der westlichen Welt zu leisten. Die Vorbedingung für einen deutschen Beitrag ist ein Friedensvertrag, nach dem die Bundesrepublik als gleichberechtigter Partner in den Kreis dieser Nationen aufgenommen wird. Der Friedensvertrag muß uns die uneingeschränkte Souveränität zurückgeben und alle bis in die jüngste Zeit fortgeführten Diskriminierungen jeglicher Art aufheben: Wir sind mit der Sozialdemokratischen Partei der Auffassung, daß in einem solchen Friedensvertrag das Problem der Saar einer Lösung zuzuführen ist, die den deutschen und den gesamteuropäischen Interessen Rechnung trägt.
    Nur unter diesen Voraussetzungen würden deutsche Soldaten die Abwehrkraft der westlichen Welt gegen den Osten verstärken können. Denn der Kampfwert eines Soldaten wird in geringerem Maße bestimmt durch seine Bewaffnung und Ausrüstung, in besonderem Maße aber dadurch, ob hinter seinem Tun ein Idee steht, für die es den Einsatz des Lebens lohnt.
    Es ist heute unmißverständlich ausgesprochen worden, daß nur ein lebenswertes Leben wert ist, verteidigt zu werden. Dieser Grundsatz gilt im besonderen für die Vertriebenen aus dem deutschen Osten. Sie müssen diese Frage verneinen, und sie lassen sich nicht zu einem „Mitmachen" dadurch begeistern, daß man die besseren Lebensbedingungen des Westens gegenüber denen des Ostens immer wieder hervorhebt. Sie sind vielmehr der Meinung, daß der beste „rocher de bronce" gegen die Bedrohung des Ostens soziale Sicherheit der ärmsten Schichten der Bevölkerung ist. Sie verneinen grundsätzlich nicht eine Mitbeteiligung der deutschen Bundesrepublik an der Verteidigung der westlichen Welt. Die Behebung des sozialen Notstandes muß aber die primäre Aufgabe jeder deutschen Regierung sein.
    In keinem Falle darf die Wiederaufrüstung auf Kosten eines sozial gerechten Lastenausgleiches gehen. Die Kriegsfolgelasten der deutschen Bundesrepublik sind so ungeheuerlich, daß ein Beitrag in Höhe von 10 Milliarden jährlich, wie schon gefordert, das soziale und wirtschaftliche Gefüge zum völligen Zusammenbruch bringen muß. Nach unserer Auffasung sind nicht einmal die heute zu leistenden 4% Milliarden DM Besatzungskosten auf die Dauer aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang haben wir an die Alliierten den dringenden Appell zu richten, daß in Erkenntnis der drohenden Gefahr aus dem Osten die Besatzungskosten mit äußerster Sparsamkeit und n u r für Verteidigungszwecke verwendet werden mögen. Das Hiersein von Frauen und Kindern der Besatzungsarmee nimmt der deutschen Bevölkerung weder das Gefühl der Angst vor dem Bolschewismus, noch trägt es zur Verteidigung Westeuropas bei. Sie leben besser in ihrer weiter entfernten Heimat als im Brennpunkt des Abwehrraumes. Die deutsche Bevölkerung begrüßt jede alliierte Kräfteverstärkung. Frauen und Kinder möge man aber in der Heimat zurücklassen, denn allein schon das gewaltsame Freimachen von Wohnraum für Soldaten wird auf die Bevölkerung sehr unangenehme psychologische Auswirkungen haben.
    Eine Remilitarisierung Deutschlands im Rahmen einer europäischen Streitmacht erscheint uns nur dann möglich, wenn sie mindestens durch 40 bis 50 alliierte Divisionen, die im europäischen Verteidigungsraum stationiert sein müssen, gesichert ist. Die Deutschen schweben heute nicht nur in der Angst vor einem Angriff aus dem Osten, sondern in der gleichen Angst, daß der Versuch einer deutschen Wiederbewaffnung ein Präventivunternehmen aus dem Osten zur Folge haben könnte, wenn nicht genügend Sicherungstruppen in der deutschen Bundesrepublik vorhanden sind.
    Ich fasse zusammen. Für den Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten ist ein Beitrag zur Verteidigung der westlichen Welt erst dann diskutabel, wenn wir durch einen Friedensvertrag gleichberechtigt in den Kreis der westlichen Nationen aufgenommen worden sind. Er muß unter dem Zeichen der Vergebung stehen. Durch starke alliierte Streitkräfte muß die deutschen Wiederbe-


    (Fröhlich)

    waffnung gesichert werden. Erst unter diesen Voraussetzungen erscheint uns der Zeitpunkt für gegeben, über einen deutschen Beitrag an der Verteidigung Europas zu verhandeln.
    'Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Abgeordneter Dr. Schäfer.