Meine Damen und Herren! Vielleicht wundert es Sie, daß ich auf merkwürdige Weise hier zu Worte komme.
Aber immerhin ist es doch im Zeitalter der Persönlichkeitsbetonung nicht ganz ohne Interesse, auch mal losgelöst von der Fraktion etwas sagen zu dürfen.
Das Entscheidende bleibt, daß ich mit der Deutschen Reichspartei, zu der ich zur Zeit gehöre,
in diesem Punkt nicht einverstanden bin und deshalb das Wort ergreife, weil ich es meinen Wählern
und auch meiner politischen Weltanschauung schuldig bin, hier einen Standpunkt klarzulegen, der in
weiten Kreisen des deutschen Volkes geteilt wird.
Ich tue das um so lieber, als ich nicht zu den Regierungsparteien gehöre und deshalb nicht in den Verdacht komme, etwas zu sagen, weil ich zu der Regierung gehöre. Vielleicht ist deshalb auch meine Auffassung etwas wertvoller als die der Stellen, die sich auf diese Zusammengehörigkeit berufen werden.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich von vornherein sagen, daß ich der Debatte von heute sehr aufmerksam gefolgt bin und häufig in Versuchung war, dazwischenzurufen: Gehört das zum Thema? Denn das ist ja doch schließlich die Hauptfrage in einer parlamentarischen Diskussion, daß man ein bestimmtes Thema verfolgt und zu diesem Thema spricht. Ich habe die Überzeugung, daß von einer Menge von Dingen gesprochen worden ist, die nicht zum Thema gehören, die sich lediglich aus dem Bedürfnis herausgestellt haben, irgendwie ein Ressentiment loszuwerden oder einen klassenkämpferischen Standpunkt darzustellen
oder aber sogar mit historischen Reminiszenzen zu prunken oder so etwas. Aber mag das nun sein, — —
— Ich weiß gar nicht, warum Sie dagegen sprechen. Fühlen Sie sich denn getroffen?
— Na also, lassen Sie mich doch ruhig reden.
Das Entscheidende bleibt also nun, die Dinge wieder zum Thema zurückzuführen.
Da stelle ich zunächst mal fest, daß es sich hier nicht darum dreht, einen neuen Krieg zu inszenieren, sondern wir sind uns ja wohl hier im Bundestag darüber einig, daß wir auf alle Fälle den Frieden erhalten wollen und daß alle Maßnahmen von diesem Gesichtspunkte aus geleitet werden müssen.
Nun stellen wir uns die Situation vor: Wir sind vom Osten angegriffen. Der Osten bedroht uns nach jeder Richtung hin.
Ich versage es mir, diese Behauptung im einzelnen zu begründen; denn sie ist so oft begründet worden, daß sie beinahe zu einem Gemeinplatz geworden ist. Unsere Freiheit ist vom Osten bedroht, und der Frieden ist ebenso vom Osten bedroht.
Und wenn wir jetzt hören, daß die Absicht besteht, ein europäisches Heer aufzustellen, das unter Umständen einen von Rußland ausgehenden Krieg zu verhindern in der Lage ist, dann müssen wir diese Bestrebung in jeder Weise unterstützen.
Wir müssen dafür sorgen, daß dieses Heer, das ja im wesentlichen von Amerikanern, Kanadiern, Franzosen und Engländern usw. aufgestellt wird, so stark ist, daß die Russen jede Angriffslust verlieren. Wenn dieses europäische Heer aufgestellt wird — ich muß schon sagen: Gott sei Dank, daß es aufgestellt wird —, dann müssen wir von Westdeutschland unseren Beitrag dazu leisten. Das ist eine ganz einfache Forderung der nationalen Selbständigkeit und des nationalen Freiheitsgefühls.
Meine Damen und Herren! Wir dürfen doch wirklich nicht in die Rolle verfallen, daß wir sagen: Die jungen Amerikaner und Engländer sollen uns von den Russen befreien, und unsere jungen Leute stellen sich dabei hin und rauchen eine Zigarette. Das geht doch nun mit dem besten Willen nicht.
Also wir müssen auf alle Fälle unseren Beitrag zu der Befreiung Europas stellen, wenn ein großes schlagkräftiges Heer aufgestellt wird, das die Russen von einem Angriff abhält. Das ist für einen nationaldenkenden Mann — und ich nehme an, daß außer den Kommunisten hier alle, die im Saale sind, national denken — eine so große Selbstverständlichkeit, daß man eigentlich gar nicht mehr darüber zu sprechen braucht.
Wer die Freiheit liebt, wer sein Vaterland liebt und wer sein Volk liebt, der muß es auch gegen Bedrohungen verteidigen.
Er muß bei allen Bedrohungen dabei sein. Das nationale Gefühl muß uns eben entscheidend beeinflussen, diese Beteiligung an einem westeuropäischen Heer nicht abzulehnen.
Worum dreht es sich denn? — Es dreht sich doch in letzter Linie nicht bloß um unsere Freiheit und um unser Vaterland; es dreht sich auch um die gesamte abendländische Kultur, zu der wir gehören und für die wir dann unsere Zugehörigkeit auch in irgendeiner Form bekräftigen müssen. Daß diese Beteiligung an einem westeuropäischen Heer, wenn es zustande kommt — es ist ja noch nicht da, es wird ja erst beabsichtigt —, nur unter einem Gesichtspunkt selbstverständlich erfolgen kann, nämlich dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung unseres Heereseinsatzes mit den Heereseinsätzen aller anderen Staaten, versteht sich auch von selbst.
Aber ich habe heute im Laufe der Diskussion gelegentlich das Gefühl gehabt, als ob wir hier in einem Generalstab säßen und hier die kriegerischen Erörterungen nach taktischen und strategischen Gesichtspunkten pflegen wollten. So weit sind wir ja noch nicht.
Das Entscheidende ist ja doch die Tatsache, daß wir unter vollständiger Wahrung unserer Gleichberechtigung an diesem europäischen Heer teilnehmen. Das erfordert unser nationales Empfinden. Das ist nicht bloß ein Recht von uns, sondern das ist auch eine Pflicht von uns. Infolgedessen erkläre ich Ihnen auf Grund dieser meiner kurzen Darlegungen, daß ich mit den Ausführungen, die der Herr Bundeskanzler gemacht hat, von meinem Standpunkt aus vollständig einverstanden bin.
Ich glaube, daß doch auch dieses Bekenntnis, wenn es von mir als einem einzelnen kommt, seine Bedeutung hat.
Ich glaube auch, daß das, wenn ich es persönlich meine, wenn ich frei einer Sache zustimme, immerhin wertvoll ist.
Mögen Sie das nun jetzt als Überheblichkeit nehmen oder nicht,
ich betrachte es als den Ausfluß einer Persönlichkeit und als den Ausfluß einer Auffassung, die jeder einzelne hier haben sollte.
Ich habe nur bedauert, daß der Herr Bundeskanzler die Resolution, die die Regierung gefaßt hat, hier nicht zur Abstimmung gestellt hat. Ich habe ihm das auch ausdrücklich gesagt. Ich weiß nun nicht, ob es geschieht. Jedenfalls würde ich unbedingt dafür eintreten, daß diese Resolution in vollem Umfang angenommen wird.