Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wenn es noch weiterer Beweise für die tödliche Gefahr, die droht,
bedurft hätte, dann hat die heutige Diskussion diese Beweise geliefert.
Das deutsche Volk ist wirklich in großer Sorge um die politische Entwicklung in Westdeutschland und ganz besonders
über die Maßnahmen, die bereits — gemeinsam mit den Feinden des deutschen Volkes, den amerikanischen Imperialisten —
von der Adenauer-Regierung über die Remilitarisierung getroffen wurden, d. h. über das Schicksal der deutschen Jugend, die gezwungen werden soll, ihr Blut
für die fremden Herren, die unser Vaterland besetzt halten, herzugeben.
Diese Bedrohung und diese Sorge wurden auch durch die heutige Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers keineswegs gemildert, sondern noch einmal in aller Deutlichkeit unterstrichen. Die Diskussionsredner der Parteien taten ein übriges, um das Wiederaufstreben der gefährlichsten Macht in der Geschichte der letzten 30 Jahre in Europa, nämlich das Wiederaufstreben des aggressiven deutschen Imperialismus, der ganzen friedliebenden Welt zu demonstrieren. Obwohl Deutschland im Jahre 1945 mit dieser verhängnisvollen Politik restlos bankrott machte, sind die Sprößlinge des Herrn Adenauer heute wieder ins Kraut geschossen,
d. h. die Sprößlinge des deutschen Imperialismus, die unser Volk bedrohen.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede faktisch von vollendeten Tatsachen gesprochen. Er hat so gesprochen, als ob die Remilitarisierung für unser deutsches Volk und insbesondere für die deutsche Jugend über Nacht zur Tatsache werden kann. Er hat lediglich in Aussicht gestellt, daß er sich die bereits durch die Außenminister der imperialistischen Mächte mit Unterstützung der Adenauer-Regierung geschaffenen vollendeten Tatsachen durch eine einfache Mehrheit dieses Hauses höchstens noch bestätigen lassen will. Seine Erklärung kann man schließlich nur so deuten: er will es nicht zulassen, daß die deutsche Beteiligung an der sogenannten Abwehrfront — wir hörten dieses Wort sehr oft — verhindert wird. Das, meine Damen und Herren — auch unser deutsches Volk wird es nur so verstehen können —, ist die offene Zustimmung zu den Befehlen der New-Yorker Konferenz über die Remilitarisierung Deutschlands und die Schaffung einer westdeutschen Söldnerarmee.
Der Herr Bundeskanzler sprach hier — wie übrigens auch der Herr Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Dr. Schumacher — von
den Bedingungen eines deutschen Beitrags zum aggressiven Nordatlantikpakt. Das deutsche Volk weiß, daß diese Bedingungen festliegen. und zwar sind sie im Kommuniqué der Außenminister der New-Yorker Konferenz enthalten. Alles andere ist eine bewußte Irreführung des deutschen Volkes, wie dies sich so oft durch die Politik, die in tien letzten Jahren in Westdeutschland getrieben wurde, erwiesen hat. Die Präjudizierung
ist im Grunde genommen von der New-Yorker Außenministerkonferenz vorgenommen worden; und der Herr Bundeskanzler hat in seiner Begrüßung der Führung des sogenannten Abwehrblocks durch die amerikanischen Imperialisten faktisch zu verstehen gegeben, daß er mit den Bedingungen der New-Yorker Außenministerkonferenz vollinhaltlich einverstanden ist.
Der Bundeskanzler hat eingangs seiner Rede mit einer Aufzählung angeblicher Aggressionsakte der Sowjetunion auch den Beweis für die Notwendigkeit dieser, wie er sagt, Abwehrfront gegen den Osten erbringen wollen. Meine Damen und Herren, das deutsche Volk wird es wiederum verstehen: diese Argumentation ist 'durchaus nicht originell und keinesfalls neu. Es gab vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eine ähnliche Argumentation von solchen Politikern, deren Sprößlinge heute hier wieder zum Verderben 'des ganzen deutschen Volkes sprechen dürfen.
Die Tatsachen sind derart, daß die Völker in den Ländern, denen durch die Befreiungskämpfe der Roten Armee ihre nationale Selbständigkeit,
ihre nationale Kultur gerettet wurde,
heute ein Faktor in der Weltpolitik sind, an dem auch der Herr Bundeskanzler keinesfalls vorübergehen kann, er hat das mit seiner „Argumentation" gegen die Beschlüsse der Außenminister von Prag bewiesen. Die Abwehrfront, die Herr Dr. Adenauer hier in Westdeutschland mit Hilfe der amerikanischen Feinde des deutschen Volkes errichten will,
soll der Verteidigung der abendländischen Kultur dienen. Das deutsche Volk hat in den letzten Monaten durch die amerikanischen Imperialisten auf dem Kriegsschauplatz in Korea deutliche Beweise, abschreckende Beweise für die Wirksamkeit dieser abendländischen Kultur erhalten. Die amerikanischen Bomben machen keinen Unterschied zwischen den Nord- und Südkoreanern.
Sie fallen unbarmherzig auf ein Volk, das nichts anderes als die Freiheit will.
Dieses Freiheitsstreben des koreanischen Volkes war der Hauptanlaß dafür, daß die amerikanischen Imperialisten unter der Flagge der UN dort ihren Aggressionskrieg führen, wobei es darum geht, eine günstige Absprungbasis für einen weiteren
Aggressionsakt gegen die Sowjetunion und gegen die Volksrepublik China zu bekommen.
Meine Damen und Herren! Sie können dem deutschen Volk keinerlei Aussichten mehr auf eine Entwicklung zum Guten eröffnen, die man ihm unter dem Deckmantel des Schlagworts von der „Verteidigung der abendländischen Kultur" vorgaukelt. Das deutsche Volk hat den amerikanischen Imperialismus in Aktion erkannt, in Aktion auf westdeutschem Boden und in Aktion in Korea und an anderen Punkten der Erde. Das Ziel des amerikanischen Imperialismus lautet statt „Amerika den Amerikanern" einfach und brutal: „den Amerikanern die ganze Welt"!
Der amerikanische Imperialismus versucht heute, sich in anderen Ländern Rohstoffquellen zunutze zu machen, und die amerikanischen Imperialisten sehen in den westdeutschen Menschen sozusagen hr „Infanterievorkommen" für die Kriege, die sie von Deutschland aus gegen den fortschrittlichen Osten zu führen gedenken.
Dies ist auch der Geist, der aus den Maßnahmen der Tagung der Außenminister in New York spricht.
Die kürzlich gefaßten Beschlüsse der Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreichs in New York über die Aufstellung einer westdeutschen Söldnerarmee und die Wiederaufrüstung Westdeutschlands haben nicht nur tief in die Lebensfragen des deutschen Volkes, sondern in die Lebensfragen aller Völker Europas und der Welt eingegriffen. Diese Beschlüsse gefährden in Wirklichkeit den Frieden und müssen daher vom deutschen Volk richtig bewertet werden. Die bedeutendste Frage, die auf der New-Yorker Konferenz der imperialistischen Staaten behandelt wurde, betraf die Wiederaufrüstung und die Schaffung einer deutschen Armee, also die heute diskutierte Frage der Remilitarisierung. Die Außenminister der drei Mächte einigten sich, über die in Westdeutschland ereits bestehenden Polizeikräfte hinaus die Aufstellung mobiler Polizeikräfte zu genehmigen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit einer 'deutschen Beteiligung an einer „internationalen Streitmacht" erörtert, d. h. faktisch die Aufstellung einer deutschen Armee. Mit dem fadenscheinigen Argument einer angeblichen Bedrohung durch die Volkspolizei wurden bereits mehr als 450 000 Mann in Militärformationen der westlichen Interventionsarmeen und in den Polizeieinheiten zur Niederhaltung der westdeutschen Werktätigen für die Interessen der amerikanischen Imperialisten zusammengefaßt.
Dr. Adenauer hat heute von dieser Stelle erklärt, bisher hätten die Westmächte noch keinen deutschen Beitrag zu einer sogenannten Verteidigung des Westens gefordert. Dies stimmt mit den Tatsachen nicht überein. Der aus der Bonner Regierung zurückgetretene Innenminister Heinemann hat in der „Stuttgarter Zeitung" vom 19. Oktober 1950 die Gründe seines Rücktritts klargelegt und ist dabei auch auf den Anteil der Bonner Regierung unter Adenauers Führung an der Remilitarisierung zu sprechen gekommen. Adenauer hatte am 18. August in der „New York Times" in einem Interview von der Notwendigkeit starker deutscher
Verteidigungskräfte gesprochen. Während dieser Zeit wurde aber unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger Nazi-Generale das sogenannte Sicherheitsmemorandum ausgearbeitet, das auch heute schon eine Rolle spielte. Wie Heinemann weiter mitteilte, wurde dieses sogenannte Sicherheitsmemorandum am 29. August durch Adenauer der Hohen Kommission übergeben, damit es noch auf der New Yorker Außenministerkonferenz rechtzeitig beraten werden konnte. Hier zeigt sich, in welch hohem Maße führende westdeutsche Politiker den amerikanischen Interessen an der Aufstellung deutscher Söldnertrupp en hervorragende Hilfestellung leisten.
Entspricht dies nun den Interessen des deutschen Volkes? Ich denke, dies entspricht keinesfalls den Interessen des deutschen Volkes.
Jeder Deutsche wird sagen, dies entspricht nicht den Interessen des deutschen Volkes, sondern richtet sich vielmehr gegen die ureigensten Interessen des deutschen Volkes. Denn das deutsche Volk will den Frieden und nichts als den Frieden.
Es besteht kein Zweifel, daß die Adenauer-Regierung den Amerikanern bei ihren Maßnahmen zur Aufstellung einer deutschen Söldnerarmee hervorragende Hilfestellung geleistet hat. Die New Yorker Beschlüsse über die Aufstellung einer deutschen Söldnerarmee gefährden somit den Frieden Deutschlands und den Frieden der Welt. Sie stehen auch im Widerspruch zu den Friedenswünschen des ganzen deutschen Volkes, das sich täglich auf alle erdenkliche Weise gegen die Remilitarisierung wendet. Ich erinnere hier an die vielen Resolutionen, ich erinnere an die Abstimmungen in den Betrieben und Orten, ich erinnere an die Befragungen der einzelnen Presseorgane, ich erinnere an die Tausende und. aber Tausende von Einsendungen einfacher deutscher Menschen, die nichts anderes als den Frieden wollen und sich gegen die Remilitarisierung wenden, wie sie von den Amerikanern von Bonn aus betrieben wird.
Im übrigen wurde im Kommuniqué von New York erklärt, daß die früheren Beschlüsse über die verbotenen Zweige der deutschen Wirtschaft überprüft werden sollen, wobei künftig keine Einschränkungen in bezug auf die Unzulässigkeit der Wiedererstellung der deutschen Kriegsindustrie gemacht werden sollen. Auch dieser Passus in den Beschlüssen der drei imperialistischen Außenminister bedarf hier in diesem Hause einer eingehenden Deutung.
Der Herr Bundeskanzler hat es sich versagt, zu dem Inhalt des New Yorker Kommuniqués zu sprechen. Es besteht darum die Pflicht, unsererseits einiges hierzu zu sagen. Nach diesen Bestimmungen bleibt die Stahlerzeugung für den Friedensbedarf weiterhin beschränkt, dagegen soll der Anteil der Stahlproduktion für die Rüstung wachsen. Der Hohe Britische Kommissar in Westdeutschland, Sir Kirkpatrick, hat die Eingliederung der westdeutschen Wirtschaft in die Aufrüstungspläne der amerikanischen Imperialisten in einer Pressekonferenz in Bonn am 27. September 1950 unumwunden zugegeben. Gestatten Sie mir, daß ich wegen der großen Bedeutung der Erklärung des
britischen Hochkommissars aus seinen Äußerungen zitiere. Auf Fragen deutscher und ausländischer Korrespondenten über die Höhe der westdeutschen Stahlkapazität erklärte er:
Im Augenblick dürfen sie
— d. h. die westdeutschen Stahlherren —
nicht ihre Kapazität erhöhen, aber innerhalb
der bestehenden Kapazität besteht ein großer
Spielraum zur Erhöhung ihrer Produktion. Es
handelt sich dabei um Millionen von Tonnen. Der britische Hochkommissar sprach dann auch offen aus, zu welchem Zweck dieser grobe Spielraum in der Stahlproduktion gewährt wurde. Auf die Quote von 11,1 Millionen Tonnen, die Westdeutschland nach einem früheren Abkommen zugebilligt wurde, soll solcher Stahl nicht angerechnet werden, der exportiert oder sonstwie für Zwecke der Verteidigung verwendet wird. Stahl für den Bau von Kasernen für die neuen Truppen, die nach Westdeutschland geschickt werden, und diejenigen Exporte, die für die westdeutsche Verteidigung bestimmt sind, sollen nicht auf die Kapazität von 11,1 Millionen Tonnen angerechnet werden. Es handelt sich also offensichtlich um eine Regelung zur Stärkung des amerikanischen Rüstungspotentials zur Vorbereitung des dritten Weltkrieges.
Diese Anweisung der Hohen Kommission zur Durchführung der Rüstungsproduktion hat bereits zu zahlreichen Betriebsumstellungen auf Rüstungsproduktion in Westdeutschland geführt. Seit Ausbruch des amerikanischen Krieges in Korea äußert sich diese Kriegspolitik der Amerikaner in der westdeutschen Wirtschaft in dem steigenden Anteil der Stahlindustrie an der Ausfuhr. Die Auftragseingänge für Walzwerkerzeugnisse stiegen von 675 000 Tonnen im April auf 1,6 Millionen Tonnen im August 1950. War das Ausland im April mit 150 000 Tonnen beteiligt, so stieg der Anteil im Juli auf 443 000 Tonnen. Diese wenigen Zahlen zeigen, in welchem Tempo die amerikanischen Kriegstreiber die in der Zwangsjacke des Marshall-plans steckende westdeutsche Wirtschaft, die durch Ruhr- und Besatzungsstatut geknebelt ist, in die internationalen Rüstungspläne einzubeziehen. Die rücksichtslose Eingliederung der westdeutschen Wirtschaft in die Rüstungspläne der Amerikaner zeigt auch schon ihre erste Auswirkung. Sie zeigt sich in der Verteuerung der Lebensmittel und Bedarfsgüter, in der Verknappung der Rohstoffe für die Friedenswirtschaft, besonders in der Verbrauchsgüterindustrie und in der Bauwirtschaft.
Ein Sprecher der amerikanischen Hohen Kommission hat nun am 2. November das Maß voll gemacht, indem er in zynischer Weise über die von den imperialistischen Mächten erwarteten Kostenbeiträge des deutschen Volkes für die sogenannte Verteidigung Europas sprach. Der amerikanische Sprecher hatte dabei folgende unmißverständliche Forderungen an die Bonner Wirtschaftspolitik gestellt: Erstens: Westdeutschland soll wie die anderen Länder bis 10 % und mehr seines mit rund 100 Milliarden DM veranschlagten Sozialprodukts für die Verteidigung der imperalistischen Interessen der Vereinigten Staaten aufbringen, wobei es gleichgültig ist, ob man diese Ausgaben „Besatzungs-" oder „Schutz-" oder „Verteidigungskosten" nennt; zweitens: diese Mittel soll Westdeutschland nicht allein aus Steuern, sondern auch aus sogenannten innerdeutschen Anleihen aufbringen, und ferner wies der amerikanische Sprecher darauf hin, daß drittens die Bundesrepublik nun damit beginnen müsse, ihre Auslands-
schulden zu bezahlen. Ganz beiläufig machte dieser Sprecher amerikanischer Interessen in Westdeutschland noch die hohnvolle Bemerkung für alle Arbeiter, Angestellten, Mittelständler und Fabrikanten, die Steuern in Deutschland seien nach amerikanischer Ansicht nicht zu hoch.
Eine weitere Bemerkung des amerikanischen Sprechers der Hohen Kommission wird dabei von vielen westdeutschen Politikern ganz bewußt schamhaft verschwiegen. Die grobe nordwestdeutsche Zeitung „Die Welt", ein Organ, das der britischen Militarregierung nahesteht, brachte in der Ausgabe vom 3. November diese Äußerung in einer vorsichtigen Umschreibung. Diese Außerung lautet folgendermaßen:
Amerikanische Kreise weisen darauf hin, daß der Wunsch nach Verstärkung alliierter Truppen in Deutschland von deutscher Seite ausgegangen sei. Wer mehr haben wolle, müsse auch mehr zahlen.
Leider ist es Tatsache, daß westdeutsche Politiker, wie der ehemalige Innenminister der Regierung nachwies, sich dafür einsetzten, daß amerikanische englische und französische Truppenverstärkungen nach Westdeutschland kommen sollen.
Dr. Adenauer und Dr. Schumacher haben beide mit fast den gleichen Worten eine Verstärkung der Besatzungstruppen gefordert. Und Dr. Schumacher war es, der den Amerikanern sogar den Vorschlag machte, amerikanische Soldaten nicht in Texas, sondern in der Lüneburger Heide und in Grafenwöhr auszubilden. Dies führte ferner zur Ankündigung von 14 neuen Divisionen, die in Westdeutschland kaserniert werden sollen. Uns kann es daher auch nicht überraschen, daß Herr Dr. Schumacher trotz seiner sehr langen Rede heute in Wirklichkeit keinerlei prinzipielle Meinungsverschiedenheiten mit der Adenauer - Regierung in der Frage der Wiederbewaffnung zum Ausdruck brachte.
Selbst seine Bemerkungen zur Pleven-Regierung, selbst die Bemerkungen zum Schuman-Plan können nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in Wirklichkeit genau wie Dr. Adenauer und eine kleine Clique anderer Politiker und Wirtschaftler darauf hinstrebt, gemeinsam mit den Amerikanern die amerikanischen Interessen nicht nur in Deutschland, sondern über die Grenzen Deutschlands hinaus zu verteidigen.
Er war es, der in seiner Stuttgarter Rede davon sprach, wir müßten wieder Gewehre tragen; er war es schließlich, der davon sprach, daß man die Verteidigung an der Weichsel und am Njemen vornehmen müsse.
Sie sehen, meine Damen und Herren, welch großer Bedrohung unser deutsches Volk durch
diese Politik von Bonn ausgesetzt wird. Sie sehen, daß keine großen Unterschiede bei den leitenden Politikern Westdeutschlands bestehen, weil sie alle darauf abgerichtet sind, mit den Amerikanern gemeinsam — gegen die deutschen Interessen —die deutsche Jugend auf die neuen Schlachtfelder zu führen.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Pläne nicht so ohne weiteres durchgeführt werden können. Herr Dr. Schumacher hat schon davon gesprochen, daß sich in der Arbeiterschaft und in den übrigen Schichten der Werktätigen eine breite Bewegung gegen die Remilitarisierung, für die Schaffung einer starken Aktionseinheit für Frieden, Freiheit und soziale Interessen anbahnt. Diese starke Aktionseinheit wird auch alle jene Bestrebungen auf Wiederbewaffnung, Remilitarisierung und alle Bestrebungen der amerikanischen Imperialisten auf westdeutschem Boden zunichte machen.
Unser deutsches Volk kann es sich heute schon ausrechnen, was es faktisch bedeutet, wenn 14 weitere Divisionen in unser friedliebendes Land einbrechen und wenn sie nach den Wünschen von Dr. Adenauer und Dr. Schumacher die abendländische Kultur verteidigen sollen. Die 10 %, die Westdeutschland vom Sozialprodukt für ,die Verteidigung Amerikas auf westdeutschem Boden aufbringen soll, machen die runde Summe von 10 Milliarden DM aus. Hinzu kommen schließlich noch weitere Milliarden D-Mark für ,den Aufbau ,der deutschen Polizei und einer deutschen Söldnerarmee.
Die Aufbringung dieser Mittel aus Steuern oder aus innerdeutschen Anleihen, das heißt aus solchen Anleihen, die bisher den kleinen Leuten, den Geschäftsleuten, nicht gewährt wurden, bedeutet faktisch die Stillegung des sozialen Wohnungsbaues, die Erhöhung des sogenannten Notopfers Berlin um ein Viertel, Erhöhung der Benzinpreise, Autobahnsteuer, Steigerung der Frachtkosten um 20 %, Erhöhung ,der Personentarife und der Tarife der Arbeiterrückfahrt- und Wochenkarten usw. um 15
bis 20 %, Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 3,5 %. Allein die Erhöhung ,der Umsatzsteuer würde eine erneute Belastung der Verbraucher bis zu 600 und 700 Millionen DM bedeuten.
Das also sind heute schon die sichtbaren Kosten des amerikanischen Krieges. Das sind
faktisch die Kosten der Remilitarisierung und der Umstellung ,der westdeutschen Wirtschaft auf Rüstungsproduktion, und das alles, meine Damen und Herren, unter der alten Devise: Kanonen statt Butter! Schließlich müssen wir für die Verteidigung der amerikanischen Interessen auf westdeutschem Boden noch die Auslandsschulden bezahlen, die sich, wie die Westberliner Zeitung „Der Tag" mitteilt, per ultimo im August 1950 auf etwa 50 Milliarden beliefen. Fürwahr, alles in allem eine traurige Bilanz der gegenwärtigen Lage in Westdeutschland, eine traurige Bilanz der amerikanischen Politik der Remilitarisierung und Unterjochung auf westdeutschem Boden.
Aus ,dieser Lage, meine Damen und Herren, suchen nun die deutschen Menschen, besonders die deutsche Jugend, einen Ausweg, und zwar einen Ausweg in Frieden und in Ehre. In meinen Darlegungen über die Beschlüsse von New York gab ich eine Übersicht über die bereits sichtbaren Auswirkungen der Kriegsmaßnahmen. Es zeigt sich, daß sie eine brutale Mißachtung der Interessen des deutschen Volkes bedeuten. Dagegen unterstützen die von den acht Außenministern in Prag gefaßten Beschlüsse den Friedenswillen des deutschen Volkes
und stellen einen bedeutungsvollen konstruktiven Beitrag zur baldigen Verwirklichung der Einheit Deutschlands und damit zur Sicherung des Friedens in Europa ;dar. Ich möchte sagen, dieses Dokument von Prag ist das wichtigste politische Dokument zur deutschen Lage seit 1945.
Die Prager Konferenz zeigt die Lösung des deutschen Problems, und 'zwar die friedliche Lösung. In New York gab es keinerlei Lösung für Deutschland. Das Besatzungsstatut bleibt, und obwohl eine angebliche Beendigung des Kriegszustandes versprochen wurde, bekommt das deutsche Volk keinen Friedensvertrag und auch nicht die Zusicherung des Abzugs der Besatzungstruppen.
Besonders wichtig, ich möchte sagen lebensnotwendig für unser Volk sind die vier Punkte der Schlußfolgerung in der Prager Erklärung. Sie fordert im ersten Punkt die Abgabe einer Erklärung der Regierungen der USA, Englands, Frankreichs und der Sowjetunion, 'daß sie die Remilitarisierung Deutschlands nicht zulassen und konsequent 'die Potsdamer Beschlüsse zur Sicherung der Bedingungen über die Herstellung eines einheitlichen, friedliebenden, demokratischen Ideutschen Staates aufrechterhalten.
Wer 'diesen Passus der Schlußfolgerung von Prag richtig würdigt, muß zu der Erkenntnis kommen, daß die ganze Lage heute eine andere wäre, daß die ganze Entwicklung der letzten Jahre anders verlaufen wäre, wenn sich die Westmächte an die Verpflichtungen von Potsdam gehalten hätten, die sie durch Unterzeichnung der Potsdamer Beschlüsse auch feierlich übernommen haben.
Es kann also keinen Zweifel darüber geben, daß eine solche Erklärung aller vier Regierungen den Interessen des gesamten deutschen Volkes in all seinen Schichten entspricht.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nun, daß ich im Namen der Fraktion der Kommunistischen Partei und auch im Namen meines Fraktionskollegen Max Reimann, der wegen der Verfolgungen seitens der imperialistischen Besatzungsmächte seine verfassungmäßigen Rechte in diesem Hause nicht mehr wahrnehmen kann,
eine Erklärung zu ,der heutigen Debatte abgebe.