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ID0109801300

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    Deutscher Bundestag — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1950 3563 98. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. November 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3563B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung des Westens, Pleven-Plan und Vorschlag der Sowjetregierung zur Einberufung der Außenministerkonferenz der vier Großmächte) 3563C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3563D, 3621D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 3567B Dr. Schumacher ,(SPD) . . . 3567B, 3620C Frau Wessel (Z) 3576D Dr. Seelos (BP) 3582A von Thadden (DRP) 3587B Schuster (WAV) 3590C Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3591B Dr. Doris (parteilos) 3593A Rische (KPD) 3594A Dr. Leuchtgens (DRP) 3599C Clausen (SSW) 3600D Fröhlich (BHE) 3601B Dr. Schäfer (FDP) 3602A Dr. von Merkatz (DP) 3608D Dr. von Brentano (CDU) 3615A Nächste Sitzung 3622C Die Sitzung wird um 13 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Die Furcht Frankreichs entspringt auch dem Gedanken, daß es durch den Willen zur Rückeroberung der verlorenen deut-
    schen Gebiete in einen Krieg gegen den Osten durch Deutschland gezwungen werden könnte. Die Schweizer Zeitschrift „Die Tat" schreibt hierzu folgenden Satz:
    „Eine deutsche Armee, die zwangsläufig unter den Ostflüchtlingen rekrutiert würde, wäre eine Befreiungsarmee mit dem Ziel einer Rückgewinnung des Ostens."
    Tatsächlich wird es wohl erforderlich sein, darauf zu achten, daß nicht die Heimatvertriebenen ein Übergewicht in diesen deutschen Divisionen des Europa-Kontingents erhalten,

    (Heiterkeit)

    um nicht einer erneuten nationalistischen Tendenz die Zügel freizugeben.

    (Heiterkeit links.)

    Wenn wir oben die Voraussetzungen geschildert haben, unter denen eine Befriedung der Welt möglich erscheint — und sie erscheint nur möglich durch eine gleichberechtigte Einordnung Deutschlands und durch die Mobilisierung der Kraftreserven Deutschlands für die Verteidigung des Westens —, tun wir das nicht etwa in der Überzeugung, daß wir es uns in unserer Lage zwischen den zwei Weltmachtgruppen leisten können, Bedingungen zu stellen. Der bekannte maßgebliche Berater der amerikanischen Regierung in außenpolitischen Fragen, John Foster Dulles, hat in seinem im Mai dieses Jahres erschienenen Buch „Krieg und Frieden" über die Möglichkeiten Deutschlands folgendes ausgeführt:
    Niemals zuvor hat ein so zahlreiches — zwischen 60 und 70 Millionen — und potentiell so mächtiges Volk eine so einzigartige Gelegenheit gehabt, zwischen zwei entgegengesetzten Gruppen Vorteile auszuhandeln. Wenn die Deutschen wiederum mit dem sowjetrussischen Kommunismus zusammengehen würden, wie sie es Ende 1939 taten, würde diese Verbindung Europa hinwegfegen. Der Sieg einer sowjetisch-deutschen Allianz würde so sicher sein, daß es tatsächlich zweifelhaft wäre, ob hier irgendein organisierter Widerstand stattfinden würde. Das ist der Preis, den ein erstarktes nationales Deutschland Sowjetrußland bieten kann, zu einem bestimmten Preis.
    Ein erstarktes Deutschland könnte auch ein großer Gewinn für den Westen sein. Ein erstarktes nationales Deutschland hat dem Westen viel zu bieten, zu einem bestimmten Preis.
    Wir lehnen es ab, unsere Zwischenlage in solcher Weise auszuhandeln, weil es für uns ein Zusammengehen mit Sowjetrußland einfach nicht gibt. Man soll aber von seiten der Westmächte endlich aufhören, Deutschland in der Eigenschaft eines Siegers diktatorisch zu behandeln, es mit falschen Wirtschaftsmaßnahmen, mit fortgesetzten Demontagen auch heute noch weiter zu schwächen und es gleichzeitig stark machen zu wollen. New York ist praktisch die Fortsetzung der Demontagepolitik, aufs Politische übertragen einerseits: die politischen Hilfen, die wir bekommen, und andererseits: die Fortsetzung von Morgenthau's Politik, die wir noch immer feststellen können. Es ließe sich zu dem Problem noch mehr sagen; aber ich möchte mich darauf beschränken, das Grundsätzliche hier herauszugreifen.
    Erlauben Sie mir aber, noch einen Gedanken zu äußern, der mir für die bessere Zukunft des deutschen Volkes von entscheidender Bedeutung zu sein scheint. Mögen sich die Parteien gemäß


    (Dr. Seelos)

    ihren verschieden gearteten wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Interessen, hinsichtlich einer zentralistischen oder föderalistischen Gruppierung, einer Gruppierung von Heimatvertriebenen und Einheimischen usw. in verschiedenen Parteien organisieren und auseinandersetzen, — hinsichtlich unserer Außenpolitik sitzen wir doch nun einmal im selben Boot. Ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, ob Bayer oder Schleswiger, sie alle haben gleich zu leiden, wenn infolge unserer sichtbaren nationalen Uneinigkeit die noch immer bestehenden und gerade vom Ausland so sehr erkannten außenpolitischen Möglichkeiten nicht gemeinsam genutzt werden. Wenn der mächtigste Staat der Welt, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika es für richtig halten, in der Außenpolitik eine „bipartite", also eine Zweiparteienpolitik zu treiben und und bei internationalen Konferenzen auch der Opposition eine wesentliche Vertretung zuzubilligen, so muß es dem deutschen Volk und der Welt einfach unverständlich erscheinen, daß in außenpolitischen Fragen nicht eine enge Zusammenarbeit und eine einheitliche Linie nach außen erreichbar ist. Wenn man die Reden von Herrn Dr. Schumacher im Radio oder heute gehört hat, wenn man die Ausführungen des Herrn Bundeskanzler gehört hat, so muß man doch sagen: im Wesentlichen und Grundsätzlichen in außenpolitischen Fragen ist die Haltung doch nicht so verschieden, daß man nicht eine einheitliche Linie finden könnte, und ich appelliere nachdrücklich an die Bundesregierung und an die Opposition, in außenpolitischen Fragen zusammenzugehen und vor allen Dingen auch der Opposition die Informationen zu geben, so daß sie sich nicht immer überrumpelt fühlen muß. Das ist der größte Dienst, den man überhaupt dem deutschen Volk leisten kann. Dann wird die gleichberechtige Einordnung Deutschlands leichter und schneller vor sich gehen, und die noch immer prekäre wirtschaftliche und soziale Lage des deutschen Volkes wird sich rasch bessern, ebenso schnell sich auch die Einigung und die Integrierung Westeuropas erreichen lassen, die ja auch nach dem Herrn Bundeskanzler und nach dem Oppositionsführer das Ziel der deutschen Politik ist. Diese Integrierung Westeuropas wird sich dann in viel rascherem Tempo vollziehen, als es bisher bedauerlicher- und verhängnisvollerweise geschehen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der Bayernpartei.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.

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    Rede von Adolf von Thadden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)

    Meine Damen und Herren! Etwa vor einem Jahr fand in diesem Hause die Debatte um das Petersberg-Abkommen statt. Die Bundesregierung verzichtete damals freiwillig auf mancherlei Rechte, von denen wir meinen, sie hätte sie sich damals ertrotzen können,

    (Lachen bei den Regierungsparteien)

    und sie erklärte feierlich, „die Entmilitarisierung des Bundesgebietes aufrechtzuerhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern". Wenn wir an die heutige Debatte denken, möchten wir die Bundesregierung und den Kanzler insbesondere daran erinnern, daß in Nürnberg einmal ein Außenminister zum Tode verurteilt wurde, weil er Verträge brach. Wir wollen den Kanzler davor warnen, einen ähnlichen Weg zu beschreiten!

    (Lachen in der Mitte. — Abg. Kunze: Armer Junge!)

    In Art. 24 des Grundgesetzes wurde die Wehrhoheit ausdrücklich an die Alliierten abgetreten. Wir haben außer dem Besatzungsstatut auch noch ein alliiertes Sicherheitsamt. Seine Aufgabe ist es, das „Wiederaufleben militärischer Organisationen und militärischen Geistes zu verhindern". Wir möchten diese Institution einmal auf die amerikanischen Arbeitseinheiten hinweisen und auf den militärischen Ton und die militärischen Vorbereitungen, die dort bereits wieder herrschen. Das Abkommen vom Petersberg hat heute noch seine volle Gültigkeit. Die Bundesregierung hat es damals angenommen.
    Es hat sich aber in den letzten Jahren auch noch ein anderer Brauch herausgebildet: Nicht nur, daß der, der Verträge bricht, an den Galgen geht, sondern daß derjenige, der einen Krieg macht und ihn verliert, ebenfalls an den Galgen geht. Wir wollen unter gar keinen Umständen als rückfällige Kriegsverbrecher einer neuerlichen Bestrafung entgegengehen.
    Noch etwas anderes kommt hinzu. Deutschland hat am 8. 5. 1945 kapitulieren müssen, bedingungslos, auch vor der Sowjetunion. Wer nach der Kapitulation weiterkämpft, wird rite verurteilt. Dies geschah auch mit 21 Deutschen, die am 17. 1. 1947 in Schanghai verurteilt worden sind, und zwar deswegen, weil sie nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht weiter Krieg geführt haben, unter anderem gegen die Sowjetunion. Der Richter Jackson hat dieses Urteil vor dem Hohen USA-Gerichtshof auf das nachhaltigste verteidigt. Die Russen haben in diesem Urteil ein Präjudiz. Wir sollten uns vorsehen, daß wir, gestützt auf ein solches Urteil, eventuell auch herangekriegt werden können.
    Aus diesen paar Dingen sehen wir, daß, bevor man überhaupt in die Debatte um einen deutschen Beitrag eintreten kann, vom Westen her mancherlei Dinge ausgeräumt und beseitigt werden müssen.

    (Sehr richtig! rets.)

    Nach all unseren Erfahrungen müssen wir uns auf die ganz klare Basis des Rechtes stellen. Erst wenn diese da ist, dann sind wir in der Lage, uns über einen Beitrag zu unterhalten.
    Meine Damen und Herren! Dr. Schumacher sprach am 16. September in Stuttgart. Ich gestehe ganz offen, daß diese Rede — von einigen marxistischen Rückfällen abgesehen — das beste war,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    was in der letzten Zeit auf dem politischen Markt erschienen ist. Von seiten der Regierungskoalition haben wir derartige Worte leider Gottes bisher noch nicht gehört. Auf die militärischen Konzeptionen, die er dort brachte, komme ich noch. Er sagte in dieser Rede einen Satz, den ich ganz in dem Sinne verstehe, in dem er damals gesprochen wurde:
    Wenn es eine alliierte Mitschuld am zweiten Weltkriege gibt, und es gibt sie, dann gibt es auch eine Mitschuld der Alliierten an der heutigen Bedrohung der Weltdemokratie durch die Position Sowjetrußlands.
    Ich möchte dies dahingehend ergänzen, daß die heutige Position Sowjetrußlands nur deswegen existiert, weil es eine alliierte Alleinschuld an diesen Dingen gibt.
    In dieser selbst geschaffenen Situation möchte man auf uns zurückgreifen.

    (Abg. Kunze: So leicht ist das alles nicht!)

    Wenn wir uns heute weigern, das mitzumachen,
    was die Westmächte bzw. einige von uns wollen,
    dann wollen wir kein Gefeilsche um Zugständ-


    (von Thadden)

    nisse anfangen. Wir wollen auch keine Erpressungspolitik betreiben, wie man uns dieses heute unterschiebt. Wir wollen nichts anderes, als vor einer verhängnisvollen Fehlentwicklung warnen, bei der wir im wahrsten Sinne des Wortes in erster Linie die Leidtragenden wären. Entweder entschließt man sich, ganze Maßnahmen zu treffen, bei denen alle Völker gleichberechtigt mitmachen, oder man läßt die Finger davon. Was sollte man mit einer europäischen „Aufrüstung", deren Anblick den kriegserprobten Generalen der Sowjetunion bestenfalls ein Lächeln abnötigte! Darauf laufen die Dinge im Augenblick hinaus. Dafür haben wir auch keinen Pfennig Geld von unserem Sozialetat übrig.
    Meine Damen und Herren! Über die Entwicklung zu der heutigen Debatte haben die Vorredner einiges gesagt. Ich möchte auf folgendes hinweisen. Es wurde viel um das Memorandum geredet. Am Vormittag des 31. 8. — am Nachmittag fand eine Kabinettssitzung statt — veröffentlichte der Bundespressechef bereits eine Mitteilung des Inhalts, daß die Agentur Reuter berichtet hätte, das Memorandum befasse sich mit Vorschlägen für deutsche Kontingente in einer europäischen Armee. Ich möchte einmal wissen: Wie kommt die Agentur Reuter so frühzeitig auf die Dinge, die in dem Memorandum drinstanden, das sogar den Ministern des Kabinetts nur bruchstückweise vorgelesen worden ist?
    Der Herr Bundeskanzler will jetzt kein Angebot gemacht haben. Ich glaube, die klaren Formulierungen, die man in New York gefunden hat, deuten doch wohl darauf hin, daß er ein solches Angebot gemacht hat. Dort ist man etwas vorsichtiger mit den Worten, die man bringt, weil man nicht dauernd und alles und jedes dementiert, was ein-
    gesagt ist.
    Gleichberechtigung wird überall verlangt. Deutsche Gleichberechtigung bei der Verteidigung ist uns bereits zugesagt. Es genügt aber nicht, daß ein deutscher Bataillonskommandeur oder Korpskommandeur „gleichberechtigt" neben einen solchen des Westens gestellt wird. Es genügt auch nicht, ein deutsches Kontingent „gleichberechtigt" neben ein solches des Westens zu stellen. Zuerst kommt es darauf an, daß die völkerrechtliche Gleichberechtigung des deutschen Volkes, einer deutschen Regierung und eines Teiles des deutschen Staatsgebildes de facto und ganz Deutschlands de jure hergestellt ist. Damit erst wird die Legitimierung einer Regierung gegenüber dem eigenen Volke für eine derartig entscheidende Frage geschaffen. Ohne diese können in dieser Angelegenheit nicht die Impulse geweckt werden, deren wir bedürfen. Die Westmächte sollten doch einmal daran denken, daß, solange sich das deutsche Volk lediglich vor der Wahl zwischen zwei Übeln sieht, es in der unausweichlichen Krise vor dem jeweils mächtigeren Übel resignieren wird; und dies, statt sich für Ideen zu schlagen, von deren loyaler Anwendung auf eigene Belange es nicht überzeugt wurde, solange es noch Zeit dazu war.
    Die innere und sichtbare Opposition Deutschlands richtet sich aber gerade gegen die Tatsache, daß der Westen uns Rechte und Freiheiten vorenthält, die er selber als das non plus ultra der westlichen Welt beansprucht. Auf der anderen Seite werden wir aufgefordert, für die Erhaltung gerade dieser Rechte und Freiheiten aus einer mehr als bedenklichen Situation heraus Verpflichtungen zu übernehmen. Auf die moralischen Kräfte eines Volkes und auch des deutschen Volkes kann aber nur der rechnen, der im Kampf um die
    moralischen Prinzipien des Völkerlebens eine reine' Weste hat. E's muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Wenn die Bonner Regierung der inner-politische Kugelfang für die Alliierten Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam bleibt, wird sie im kritischen Augenblick ein Quislingschicksal erleiden. Davor wollen wir sie warnen.
    Die Alliierten erwarten eine proklamative Erklärung Bonns. Meine Damen und Herren, wenn das, was der Herr Bundeskanzler uns vorhin als Erklärung der Regierung vorgelesen hat, die vom Westen erwartete Sache ist, dann müssen wir hier doch etwas dazu sagen. Herr Bundeskanzler! Sie begrüßten den Pleven-Plan als einen wertvollen Beitrag zur europäischen Integration. Wir sind anderer Meinung.

    (Zurufe von den Regierungsparteien: Wer „wir"?)

    Wir glauben, daß der Pleven-Plan das Gegenteil dessen bedeutet, was die Bundesregierung in ihn hineinlegt, und ich glaube, daß das Verhältnis zwischen einigen Generalen in Amerika und Frankreich doch wohl besser ist, als es der französische Hohe Kommissar dem Bundeskanzler gegenüber sagt. Wir haben vor kurzem erst gehört, daß der General Eisenhower, der voraussichtliche Oberkommandierende der Westmächte, der in Deutschland einzog mit den Worten: „We come as conquerors", neulich einmal gesagt hat, daß er persönlich die „größtmögliche Wiederbewaffnung Westdeutschlands befürworte, soweit sie mit den französischen Befürchtungen zu vereinbaren sei."
    Die französischen Befürchtungen kennen wir; wir honorieren sie auch. Wir wissen, daß wir in den letzten 80 Jahren dreimal vor Paris gestanden haben und die Franzosen in den letzten 100 Jahren nur zweimal vor Berlin gestanden haben.

    (Unruhe und Zurufe.)

    Aber wir wollen hier keine Erörterungen über die Schuld oder Unschuld an den letzten Kriegen anstellen. Heute kann die französische Regierung doch wirklich nicht mehr um die Tatsache herumreden, daß wir alle von einer Gefahr bedroht sind und daß es nicht damit getan ist, sich mit Gedanken an ein Glacis herumzutragen, das in Deutschland liegt. Damit fängt die Sache falsch an, wenn sie ihrer Bevölkerung eine deutsche Aufrüstung schmackhaft machen möchte. Die französische Regierung sollte die Franzosen vielmehr mit der Tatsache vertraut machen, daß in einem modernen Krieg Paris ohne weiteres in drei Wochen zu erreichen ist, ja noch in kürzerer Frist zu erreichen ist, wenn man die Aufrüstung nicht anders aufbaut, als sie zur Zeit anläuft.
    Während der Straßburger Tagung sagte ein alter englischer Journalist und Globetrotter: „Die Politiker reden über Europa, die Wirtschaftler verhandeln über Europa, und die Generale werden Europa einigen". Darin liegt leider Gottes sehr viel Wahrheit. Im Zeitalter des großen Ideenkampfes gegen den Bolschewismus nützt es unserer Ansicht nach jedoch nur wenig, wenn Generale den Versuch machen, ein europäisches Heer aufzustellen, wenn nicht die Herzen der Europäer im gleichen Takt für dieses Heer mit schlagen.
    Bei uns Deutschen ist dies noch nicht so weit. Ich bin auch überzeugt, daß die apathisch abseits stehende junge Generation in Deutschland wieder zu begeistern ist, wenn man ihr einen gangbaren Weg aufzeigt. Unsere deutsche Jugend würde sich wohl zur Verfügung stellen, wenn sie wüßte, wofür. Wenn jemand Soldat sein soll, dann muß er sogar ganz genau wissen, wofür.


    (von Thadden)

    Der deutsche Frontsoldat im letzten Krieg hatte eine Ideologie, eine höchst einfache. Es war nicht die der Verteidigung des Nationalsozialismus. Der Rußlandsoldat dachte viel einfacher und viel wahrer, indem er sich bis Stalingrad sagte: der Bolschewismus ist bösartig, und deshalb muß er ausgerottet werden. Ab Stalingrad sagte er sich: weil wir wissen, wie bösartig der Bolschewismus ist, deshalb müssen wir ihn von Deutschland fernhalten. Seien Sie sicher: Wenn er diese Ideologie nicht gehabt hätte, wäre der Russe wahrscheinlich nicht in Thüringen, sondern noch etwas weiter.
    Sollen wir uns für Freiheiten einsetzen, die man uns vorenthält, für eine Gesellschaftsordnung, die gegenüber den Angriffen des Kreml in der letzten Zeit ihre innere Morschheit nur zu oft bewiesen hat? Sollen wir uns für einen Staat einsetzen, den die „New York Times" kürzlich wie folgt bezeichnete: „Bonn ist eine Kolonie, bestenfalls ein Protektorat mit beschränkter Selbstverwaltung"? Die „beschränkte Haftung" hat man vergessen. In diesem Protektorat sollen wir nur die Gurkhas oder Hiwis sein. Hat man sich überlegt, wer Soldat sein soll? Kürzlich ging durch die Presse die Meldung, daß ehemalige Nazis in die Bereitschaftspolizei nicht aufgenommen werden dürften. Ich möchte die Frage stellen, ob ehemalige Nazis auch in das neue Heer nicht aufgenommen werden dürfen. Ichglaube, gewisse französische Stellen und deutsche Zeitungen würden dies gern sehen. Wer soll denn dann Soldat spielen? Wollen etwa die Mitglieder des Bundestages mit gutem Beispiel vorangehen? Ich möchte meinen, daß man aus diesem Areopag erlesener Geister kaum eine kriegsstarke Gruppe wird zusammenstellen können.

    (Heiterkeit.)

    Um so mehr sollten diese Geister aber auch darauf bedacht sein, nicht über Menschen zu verfügen, die ,nicht so kriegerisch gesonnen sind, wie es hier scheinen möchte.
    Wenn ich mir die Zeitungen ansehe, wenn ich daran denke, wie sie jahrelang gegen alles Soldatische gehetzt haben, dann kann man heute nur staunen, wenn man an die geistige Umstellung denkt, die hier Platz gegriffen hat. Die Redaktionsstäbe der „Welt" und der „Neuen Zeitung" sollten als erste den Marsch auf die Kaserne antreten. In Ringelsöckchen mit Sambapuschen wären sie herrliche Verteidiger der Deutschen.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren! Der Abteilungsleiter für öffentliche Angelegenheiten beim amerikanischen Landeskommissariat für Hessen äußerte kürzlich:
    Es wäre manches anders gekommen, wenn wir 1945 das gewußt hätten, was wir heute wissen. Wir müssen zugeben, daß die Deutschen mit ihrer Warnung vor der aus dem Osten drohenden Gefahr und ihrem Wissen um die Verhältnisse uns weit voraus waren.
    Denken wir auch an den General Fuller, der kürzlich schrieb:
    Es ist charakteristisch für Churchill, nachdem er jahrelang gegen den Stalinismus gewettert hatte, daß er seine ganze kraftvolle Persönlichkeit und seine große Energie darauf konzentrierte, Stalins tödlichsten Feind zu vernichten, und dadurch, mit amerikanischer Hilfe, öffnete er die Tore Osteuropas für die russische Invasion.
    Mit der Lage, die hierdurch geschaffen worden ist, haben wir uns auseinanderzusetzen. Die amerikanische Einsicht kommt etwas reichlich spät. Europa wird bedroht, wenn wir uns die realen Verhältnisse einmal ansehen, von .einer Armee, die, was die Bodentruppen anlangt, die beste Ausrüstung der Welt ihr eigen nennt. Die Amerikaner haben in Korea ein bitteres Erwachen aus ihrem Schlaf erlebt, als sie dort Panzer vorfanden, die ihrer eigenen Qualität turmhoch überlegen waren, und Mengen, die weit über dem lagen, was man in den letzten fünf Jahren nach ganz Europa hineingebracht hat. Diese russische Armee kann in kürzester Zeit mehrere Hundert schlagkräftige Divisionen einsetzen. Der Westen faßte hiergegen bisher nur Resolutionen! Man kann gegen diese russische Bedrohung, hinter der auch im Gegensatz zum Westen eine fanatische Weltanschauung steht, eine europäische Armee aufbauen. Eine solche Armee wäre nur denkbar mit einem starken deutschen Kontingent. Churchill denkt in dieser Beziehung völlig folgerichtig. Sie müßte unter einem europäischen Oberkommando stehen, in dem alle vertreten sind. Sie müßte auch alle Waffen führen, die in einem modernen Krieg notwendig sind, und die Gedankengänge, die in Frankreich in dieser Richtung erörtert wurden, scheinen uns wirklich mehr als abwegig. Alle europäischen Staaten — das gilt es festzustellen, wenn wir uns die russische Stärke vor Augen halten — müßten bis an die Zähne aufrüsten. Das ganze pazifistische Gequakkele gewisser deutscher Parteien und deren Schwesterparteien im Ausland über das Recht der Kriegsdienstverweigerung müßte schlagartig verschwinden. Eine solche Armee wäre vielleicht imstande,

    (Abg. Dr. Schumacher: Rufen Sie nicht nach der Schlagartigkeit!)

    eine Verteidigung zu führen, indem sie, Herr Kollege Dr. Schumacher, so stark ist, daß sie den ersten Schlag führen kann. Hier folgen wir völlig Ihren Argumentationen, die wesentlich realer sind als die der Bundesregierung.
    Die deutsche Kriegsindustrie ist dank westlichem Weitblick völlig vernichtet. Ihr Wiederaufbau würde Jahre in Anspruch nehmen. Die amerikanische Industrie kann eine solche europäische Aufrüstung vorerst nicht in dem Maße durchführen, wie dies vielleicht notwendig wäre. Eine deutsche Truppe wäre, wenn sie jetzt bereits aufgestellt werden sollte, auf alle diese Imponderabilien angewiesen. Wir wären wahnsinnig, wenn wir nach allen Opfern und Entbehrungen, die wir gebracht haben, eine solche Entwicklung mitmachen würden. Für eine solche Aufrüstung bis an die Zähne — nur eine solche kann verlangt werden — ist unsere Zeit aber noch nicht gekommen.

    (Zurufe links: Aha!)

    Man macht einen Aufmarsch landläufig von hinten nach vorn, und man packt nicht vorn einige verlorene Haufen hin, um dann erst einmal weiterzusehen. Solange der Westen seinerseits nicht so stark ist, wie es der Russe heute ist — und bis dahin ist noch lange Zeit —, ist es unsinnig, daß wir uns mit einer Frage beschäftigen, die wir — machen wir uns doch bitte nichts vor - sowieso nicht entscheidend beeinflussen. Unsere Stärke war einmal. Sie ist heute nicht mehr da. Denken wir immer daran, an die Krüppel, an alle Opfer des letzten Krieges, und denken wir daran, in welchem physischem Zustand unsere junge Mannschaft im Augenblick ist. Wir wollen diese Dinge erst einmal reparieren. Solange der Westen nicht seinerseits etwas mehr tut, als er in den letzten fünf Jahren -getan hat, ist es nach unserer Ansicht


    (von Thadden)

    völlig falsch, wenn wir Deutschen den Weg einer partiellen Aufrüstung beschreiten wollen; und darauf laufen offenkundig die Pläne der Regierung hinaus, die zu nichts nutze wären und nur dazu beitragen könnten, den Franzosen Mut zu machen, hier in Deutschland Krieg zu spielen.
    Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, uns vom Westen Vorhaltungen machen zu lassen, wir seien nicht genug antibolschewistisch. Wir haben immer unsere Haltung gegenüber dem Osten, ob dieser bolschewistisch oder zaristisch war, vertreten, und wir haben nicht nur uns, nicht nur nationale Dinge verteidigt, sondern europäische Dinge schlechthin verteidigt. Wir müssen uns dagegen verwahren, daß die Bundesregierung Offerten macht, die sie nicht einlösen kann. Wir wollen auch an die Adresse Amerikas folgendes erklären: Wir sind bereit

    (Zurufe links: Wer? Wer ist „wir"?)

    — wir Deutschen —, unseren Beitrag zu leisten.

    (Stürmische Zurufe: Wer? Wer?)

    - Sie sind alle offenkundig bereits viel zu alt, als daß Sie sich in die Haut derer hineinversetzen können, die erlebt haben, wie der Russe ist. Er ist wesentlich anders, als Sie ihn sich vorstellen.

    (Zurufe von allen Seiten des Hauses. — Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Wir haben keine Angst vor dem Osten. Wir haben niemals Angst vor dem Osten gehabt. Aber wenn wir etwas gegen den Osten tun wollen, dann bitte mit dem Handwerkszeug, das man dazu braucht, und nicht à la Volksturm.

    (Zurufe links: Wir haben nur Angst vor Ihrem primitiven Denken!)

    Der Bolschewismus muß nivellieren und in den Völkern seiner Einflußsphäre jenes menschliche Laboratorium schaffen, das er braucht, um ohne Furcht vor Kritik und Opposition experimentieren zu können. Daran ändert kein Augenschließen etwas und kein verzweifelter Zweckoptimismus, wie er sich regt. Wir wollen nicht oder wir können nicht annehmen, daß dieser Kelch an uns vorübergeht, auch wenn die Beispiele Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Tschechei nicht wären. Er muß geleert und seine Wirkung muß überwunden werden. Wenn wir die innere Kraft dazu haben, ist noch nichts verloren; dann sind die Millionen im Osten nicht umsonst gefallen und können in ihren zerstörten und geschändeten Gräbern ruhig schlafen. Dann haben wir Deutschen das Unsere getan, um die Fehler von gestern auszumerzen. Hämmern wir es uns ein als ein ewiges Gesetz: Der Bolschewismus ist eines Volkes sicherer Tod; wer von ihm ißt, der stirbt. Der Westen aber, mag es das Frankreich Richelieus sein oder das England Churchills oder mögen es die machtvollen Vereinigten Staaten sein, sie sprechen unsere Sprache, denken unsere Gedanken trotz der zerbombten und zerstörten Städte auf beiden Seiten. Der europäische Bruderkrieg konnte die tausendjährige gemeinsame Vergangenheit nicht erschlagen. Der große marxistische Revolutionär Lenin sagte einmal: „Fehler sind da, damit man aus ihnen lernt". Lassen wir uns dieses Wort zu Herzen gehen und sagen wir es an die Adresse der Herren des Petersberges. Wer aus den Schrecken der letzten fünf blutigen Jahre hervorging und nichts gelernt und alles vergessen hat, dem gebührt, daß man ihn mit Knütteln totschlägt. Das deutsche Volk ist am 1. Mai 1945 nicht gestorben. Aus seinem Dasein erwächst aber auch uns, die heute Außenseiter des Lebens sind, eine große
    Pflicht, aber auch ein Recht. Denn wir sind keine Banditen und Mörder gewesen, sondern wir haben uns für Freiheiten eingesetzt, für deren Verteidigung die ganze Welt sich jetzt rüsten muß. Lassen wir die trügerische Romantik mit der falschen .Überheblichkeit im selben Maße sterben wie die verlogenen Selbstanklagen und die rückgratlose Feigheit. Leben wir dem Leben der realen Tatsachen!

    (Zuruf von der SPD: Rührt euch!)