Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Eigentlich dürfte sich wohl die Öffentlichkeit über die Spiegelfechterei wundern, die hier zwischen dem Vertreter der sogenannten Opposition und dem Vertreter der Regierung in der Gestalt des Herrn Innenministers vorgeführt worden ist. Die Öffentlichkeit hat aber durch die Ausführungen des letzten Redners ein klares Bild darüber bekommen, was der Sinn und der Zweck der ganzen Debatte über die Polizeifrage ist. Da- bei überlasse ich es dem Herrn Abgeordneten Becker, inwieweit er mit Dokumenten oder Unterlagen, die von irgendeiner Fälscherzentrale zusammengestellt worden sind, einen Beweis für seine Wahrheitsliebe anzutreten beabsichtigt.
Das ist eine Angelegenheit, die Herr Abgeordneter Becker mit sich selbst und vor der Öffentlichkeit ausmachen soll.
Wichtiger und entscheidender scheint mir aber zu sein, daß im Prinzip zwischen dem Vertreter der sogenannten Opposition, dem Herrn Kollegen Dr. Menzel, und dem Herrn Innenminister, dem früheren Parteigänger Hugenbergs und derzeitigen Innenminister
in den Grundfragen absolute Übereinstimmung besteht, nämlich in der Frage der Konzentration der Polizei im Bundesgebiet für Aufgaben, die nicht nur innerpolitischer Art sind. Ich glaube, es wäre richtiger gewesen, wenn von beiden Seiten, die sich in diesen Grundfragen einig sind, auf die Tatsache hingewiesen würde — das hole ich hiermit nach —, daß die Basis für die gemeinsame Haltung in dieser Frage nicht hier in Bonn bestimmt worden ist, sondern daß die Entscheidung über diese Frage am 19. September auf der Außenministerkonferenz der drei westlichen Mächte in New York gefällt worden ist.
Auf dieser Außenministerkonferenz wurde ein dritter Entwicklungsabschnitt in der Frage der strategischen Aufgabe Westdeutschlands im Rahmen des amerikanischen Imperialismus gelegt.
Am 19. September wurde in New York neben anderen Fragen, über die morgen zu sprechen sein wird, festgelegt, daß eine Polizeitruppe von 30 000 Mann aufzustellen ist, die zu kasernieren ist, eine Polizeitruppe, die, wiederum nach den Äußerungen maßgebender Herren vom Petersberg, mit folgenden Waffen ausgerüstet werden soll: mit schweren und leichten Maschinengewehren, Granatwerfern, automatischen Handfeuerwaffen, leichten Straßenpanzern und bewaffneten Fahrzeugen.
Es ist ganz klar, daß die Ausrüstung einer Polizeitruppe mit diesen Waffen keinesfalls nur innerpolitischen Aufgaben dienen soll und dienen kann,
sondern daß das eine Aufgabe ist — das hat ja der Herr Vertreter der sogenannten Freien Demokraten hier sehr eindeutig gesagt —, die ein viel weiter gestecktes Ziel hat.
Die Aufgabe, die in dieser Konferenz mit der
Schaffung der Polizeitruppe gestellt worden ist, ist
eindeutig. Ich glaube, auch der Herr Kollege Dr. Menzel dürfte sich darüber im klaren Ich sein, daß
diese Aufgabe eindeutig in der Linie der Remilitarisierung liegt; das ist die entscheidende Frage.
— Daß Sie mit dieser Linie einverstanden sind, ist klar. Die Aufgabe dieser Polizeitruppe soll sein, Sie selbst, d. h. die Herrschaft der Reichen zu schützen. Entscheidend ist ferner, daß mit der Schaffung einer solchen Polizeitruppe zugleich eine Bürgerkriegsarmee geschaffen werden soll.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat geglaubt, sich gegenüber Pressemeldungen und Äußerungen der Gewerkschaft durch die abschwächende Bemerkung verteidigen zu können, daß er keinesfalls die Polizei gegen die Gewerkschaften einsetzen wolle. Vielleicht äußert sich der Herr Bundesinnenminister über die Formulierung seiner Worte, daß gegen „aus unberechtigten Forderungen der Gewerkschaften sich entwickelnde Streikunruhen" seine Polizei eingesetzt werden soll. Ich glaube, das ist eine entscheidende Frage, und wir haben in den letzten Tagen erst einige Tatsachen zu verzeichnen, die in dieser Richtung liegen. Es wird Ihnen wohl nicht unbekannt sein, was sich auf der Zeche Nordstern abspielt, wo die Belegschaft in Verteidigung ihrer demokratischen Rechte in den Streik getreten ist. Die Antwort war die Einsetzung der Polizei. Wir haben diese Fälle nicht nur hier. Ich erinnere nur daran, daß — und das ist ja der Sinn dieser Polizei — am 10. September in Frankfurt/Main die Polizei von dem dortigen Polizeikommandeur eingesetzt wurde, um gegen jene, die den Gedenktag der Opfer des Nazismus begingen, vorzugehen. Diese Leute sind von der Polizei zusammengeknüppelt worden. Hier zeigt sich der Charakter der Polizei, die geschaffen werden soll, der Polizei, die die einzige Funktion hat, dieses System der Reichen zu schützen und gegen das Volk vorzugehen.
Dafür bürgt auch der Herr Bundesinnenminister bzw. das Kabinett Adenauer.
Ich glaube, die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion dürften sich darüber im klaren sein,
daß sie praktisch mit ihrem Gesetzesantrag die
Polizei in die Hände der Adenauer-Regierung
spielt. Damit ist ein klarer Bruch in der Haltung
der SPD gegenüber der Zeit vor 1933 eingetreten,
wo sie sich noch für die Dezentralisierung einsetzte. Ich darf in diesem Zusammenhang nur erwähnen, daß eine Reihe von sozialdemokratischen Bürgermeistern sich auf ihren Tagungen mit aller Entschiedenheit gegen die durch dieses Gesetz beabsichtigte Remilitarisierung und gegen die Zentralisierung der Polizei gewandt haben und dagegen, daß damit noch ein weiterer Teil der Selbstverwaltung zerschlagen werden soll.
Ich glaube, eines wird aber Herrn Dr. Adenauer noch besondere Veranlassung gegeben haben, mit aller Konsequenz die Macht der Polizei zu zentralisieren und zu versuchen, sie in seine Hände zu bekommen. Ich kann vollkommen nachfühlen, daß sich in der Versammlung in Stuttgart Menschen, die sich gegen die Remilitarisierung wenden und sich zum Frieden bekennen — —
— Ja, daß Sie sich nicht zum Frieden bekennen, meine Herren, brauchen Sie mir nicht erst durch Zurufe zu beweisen; das wissen wir.
Es ist verständlich, daß diese Menschen dort in der Versammlung auftraten; sie taten nichts anderes, als sich gegen einen Mann zu wehren, der die Remilitarisierung auf die Tagesordnung gesetzt und von den westlichen Mächten gefordert hat.
Daß Herr Dr. Adenauer nun mit dem Auftreten der Polizeibeamten in Stuttgart, die ja auch wissen, worum es geht,
nicht einverstanden ist, können wir ihm schon nachfühlen, und ich glaube, wenn sich das Kabinett nicht schon jetzt damit beschäftigt hat, dann wird es sich sehr bald — nach den Presseveröffentlichungen — damit beschäftigen. Wir werden erleben, daß in Württemberg alle diejenigen Polizeibeamten, die sich in ihrer gesamten Haltung der Remilitarisierung widersetzen und sich gegen den Einsatz gegen das Volk zur Wehr setzen — nicht nur Kommunisten, sondern auch Sozialdemokraten —,
auf dem Wege über die sogenannten Hexenprozesse sehr schnell aus der Polizei entfernt werden. Das wird, Herr Kollege Dr. Menzel, auch das Ergebnis Ihres Hineinspielens der Polizeigewalt in die Hände Dr. Adenauers und seines Innenministers sein.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ein kleines Beispiel dafür bringen, in welcher Art diese Hexenprozesse durchgeführt werden und welches ihre Folgeerscheinungen sind.
In Detmold wurden vor einigen Wochen einige Polizeibeamte mit folgender Begründung fristlos entlassen: bei einer Haussuchung im dortigen Kreisbüro der Kommunistischen Partei sei eine Liste gefunden worden,
die Namen von Polizeibeamten enthalten haben soll, die entweder Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen sein oder mit der Kommunistischen Partei sympathisiert haben sollen. Diese Beamten wurden entlassen.
Tatsache ist, daß solch eine Liste nie existiert hat.
Aber nicht nur das; ich glaube, daß einige Erscheinungen gerade unter den Polizeibeamten sehr deutlich sichtbar machen, daß sie mit dieser Entwicklung nicht einverstanden sind. In Hagen hat eine Versammlung von Polizeibeamten stattgefunden. In dieser Versammlung haben sich alle anwesenden Polizeibeamten gegen die Remilitarisierung ausgesprochen. Daß man dafür nun andere, zuverlässige Leute hineinschleusen will, das beweist ein vertrauliches Rundschreiben — und Herr Dr. Adenauer wie auch sein Innenminister haben ja die entsprechenden weitreichenden Hände —, ein vertrauliches Schreiben des Domkapitulars Dr. Philipp Weindel aus Speyer vom 28. September, das dieser unter Bezugnahme auf ein Rundschreiben des Bundestagsabgeordneten Dr. Orth an alle Pfarrämter gerichtet hat. Damit bei dem Neuaufbau die rechten Leute zum Zuge kommen und da die andere Seite bereits bei der Arbeit sei, richtet der Herr Domkapitular in diesem Schreiben an die Pfarrämter die Bitte, zu überlegen, ob nicht charaktervolle, zuverlässige junge Leute vorhanden wären, die für den Einsatz in der Polizei geeignet wären.
— Jawohl, die militante Kirche!
Ich denke also, daß diese Entwicklung darauf hinsteuert — das hat Herr Dr. Becker hier ganz eindeutig gesagt, und ich möchte es noch einmal wiederholen —: zur Schaffung einer Bürgerkriegsarmee, und zwar nicht nur zum Einsatz nach außen, sondern ebenso zum Einsatz nach innen. Das soll diese Polizei werden im Gegensatz
— jawohl, meine Damen und Herren, zur Volkspolizei!
Ich glaube, Herr Kollege Dr. Menzel, vielleicht würden sich bei der Entwicklung, wie wir sie jetzt in Westdeutschland sehen, bei dem einen oder anderen Ihrer Kollegen doch einige Erwägungen bemerkbar machen. Wie wäre es z. B. geworden, wenn vor 1933 am 1. Mai die Polizei des Herrn Severing nicht gegen die Demonstranten eingesetzt worden wäre, sondern so, wie es heute in der Deutschen Demokratischen Republik der Fall ist, wo die Volkspolizei mit den Massen und für die Massen marschiert?
— Wenn das der Fall gewesen wäre, wäre Ihnen das Lachen wahrscheinlich längst vergangen.
— Sie wissen ja genau, daß Ihr Lachen absolut für sich selbst spricht und nicht überzeugend wirkt.
Ich glaube, wenn heute im Zuge der Remilitarisierung die Frage der Schaffung dieser Polizeiarmee
entsteht,
dann werden die Polizeibeamten wissen, worum es sich handelt: mit dem Volk zu marschieren für den Frieden, gegen die Reichen und gegen die Kriegstreiber.