Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die letzte Anregung des Herrn Präsidenten aufgreifen und um Ihre Zustimmung bitten, daß ich zunächst einmal die Interpellation beantworte und auf die übrigen Fragen, die mein Herr Vorredner aufgeworfen hat, Ihnen dann bei den nächsten beiden Punkten nacheinander Antwort gebe.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es, daß ihr mit der Beantwortung der Interpellation eine Gelegenheit gegeben wird,
zu einem Thema Stellung zu nehmen, welches die Öffentlichkeit seit langem bewegt und das infolge irreführender Pressenachrichten geeignet war,
über die Fragen der Polizei falsche Vorstellungen zu erwecken. Ich bitte um Ihre Erlaubnis, zu diesen irreführenden Pressenachrichten auch an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung einzuflechten. Vor einiger Zeit ging durch die Presse die Nachricht, daß ich bei irgendeiner Gelegenheit erklärt habe, die Polizei eventuell gegen die Gewerkschaften verwenden zu wollen.
Eine solche monströse Idee habe ich — weder im Wortlaut noch im weitesten Sinne des Wortes gefaßt — niemals geäußert. Ich würde es sogar sehr bedauern, wenn auch nur einen Tag die von mir erstrebte Zusammenarbeit bei den gegenwärtigen schweren Aufgaben gestört würde und gegen die Polizei eine Mißstimmung bei den Gewerkschaften entstehen könnte. Ich werde die Rückkehr von Herrn Dr. h. c. Böckler aus seinem Urlaub benutzen, um mich sofort mit ihm in Verbindung zu setzen.
Als ich mein Amt als Innenminister antrat, habe ich es für meine erste Aufgabe gehalten, auf diesem Gebiet sofort die nötige Klarheit zu schaffen und das in weiten Kreisen entstandene Mißtrauen zu beseitigen. Ich freue mich, feststellen zu können, daß ich von Anfang an mit voller Zustimmung des Herrn Bundeskanzlers gehandelt habe. Ich bin mit ihm insbesondere darüber einig, daß zwischen den polizeilichen Fragen, den Aufgaben der Polizei im weitesten Sinne des Wortes, und eventuellen militärischen Fragen eine klare Grenze gezogen werden sollte; und diese Grenze i s t gezogen. Militärische Fragen bedeuten in diesem Zusammenhang und in der Gegenwart nichts anderes als Fragen, die mit der Vermehrung alliierter Truppen zusammenhängen. Durch die inzwischen getroffenen Maßnahmen wird das Ziel der klaren Trennung zweifellos erreicht.
Nun möchte ich zu den einzelnen in der Interpellation aufgeworfenen Fragen übergehen, zunächst zu der Frage A 1) in der Drucksache Nr. 1498. Das Grundgesetz gewährt in Art. 91 Abs. 2 der Bundesregierung das Recht, unter gewissen Voraussetzungen bei Ausbruch eines Notstandes die Polizeikräfte in den Ländern ihren
Weisungen zu unterstellen. Nach einer Anordnung der Besatzungsmächte war diese wichtige Bestimmung bislang nicht in Kraft getreten. Angesichts der Zuspitzung der politischen Lage hat sich die Bundesregierung aber verpflichtet gefühlt, bei der Alliierten Hohen Kommission auf eine rasche Inkraftsetzung des Art. 91 zu drängen. Im Interesse eines wirksamen Einsatzes der Länderpolizeien hat sie es schon im Juli für nötig erklärt, daß die bestehende Zersplitterung der Polizeiorganisation in den Ländern beseitigt würde. Deshalb hat der Herr Bundeskanzler nach entsprechenden Beratungen mit den Ländern in einer Note vom 7. Oktober dieses Jahres an die Alliierte Hohe Kommission darum nachgesucht, daß erstens alle Beschränkungen des Rechtes der Länder, ihre Polizei zu organisieren, aufgehoben werden, zweitens einer Gesetzgebung der Länder, die ihren Innenministern ein Weisungsrecht gegenüber sämtlichen Polizeikräften in ihrem Lande einräumt, zugestimmt wird und daß drittens eine ausreichende Bewaffnung und Ausrüstung der vorhandenen Polizeikräfte der Länder genehmigt wird.
Ich bin mit meinem Herrn Vorredner, der ja selbst ein genauer Kenner von Praxis und Recht der Polizei ist, völlig darin einig, daß diese Reorganisation der Länderpolizeien und insbesondere die Schaffung eines klaren Weisungsrechts für die Innenminister und die von ihnen beauftragten Beamten unumgänglich nötig ist und auch Schritt halten muß mit der Vermehrung der polizeilichen Exekutivkräfte, auf die ich nachher im einzelnen zu sprechen komme. Mein Vorgänger hat es als unumgänglich bezeichnet, daß der Bundesregierung schon vor Ausbruch eines Notstandes ein gewisser Einfluß auf diese zusätzlichen Polizeikräfte, von denen ich eben sprach, eingeräumt wird. Eine praktische Handhabung des Art. 91, also des von Herrn Kollegen Menzel vorgetragenen Notstandsartikels der Bundesregierung, würde in der Tat ausgeschlossen sein, wenn nicht für eine gleichartige Personalauswahl, für eine gleichartige Ausbildung, Organisation und Ausrüstung rechtzeitig Vorsorge getroffen wird. Wenn der Notstand erst eingetreten ist, dann ist es zu spät, noch zu planen.
Die Besatzungsmächte haben nun ihrerseits auf der New Yorker Außenministerkonferenz vom September 1950 die alsbaldige Inkraftsetzung des Art. 91 GG und eine Vermehrung der bisher bestehenden Polizeikräfte unter entsprechenden Vollmachten der Bundesregierung gutgeheißen. Schon Ende Juli hat die Alliierte Hohe Kommission ihr Einverständnis mit einer Vermehrung der Länderpolizeikräfte zum Ausdruck gebracht und auch hierbei die Notwendigkeit gewisser Garantien für die Bundesregierung unterstrichen.
Nachdem die besatzungsseitige Beschränkung des Art. 91 nun einmal fortgefallen war, hat sich die Bundesregierung seit Anfang August in laufenden Besprechungen bemüht, mit den Ländern ein Verwaltungsabkommen über die Errichtung besonderer Bereitschaftspolizeien der Länder zu treffen. Meine Damen und Herren, hier kann ich dem Herrn Kollegen Menzel nicht beipflichten, wenn er meint, daß das ein falscher Weg sei. Solange diese Abkommen sich auf dem verfassungsmäßigen Boden bewegen, kann den Ländern nicht das Recht genommen werden, Verwaltungsabkommen entsprechend der ihnen zustehenden Kompetenz zu treffen.
Deutscher Bunde tag — 97. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. November 1950 3545
In den Besprechungen, die wir in der letzten Zeit gehabt haben, sind wir im wesentlichen einig geworden; ich komme nachher an anderer Stelle noch darauf zurück. Es sind jetzt acht Länder uneingeschränkt diesem Verwaltungsabkommen beigetreten. Von Nordrhein-Westfalen sind nachträglich einige Wünsche geltend gemacht worden, die auszuräumen ich mich in persönlichen Besprechungen bemüht habe. Ich hoffe, daß das gelungen ist. Im wesentlichen steht noch Niedersachsen aus, das sich gänzlich ablehnend verhält, obwohl gerade die Verhältnisse in Niedersachsen inzwischen so weit gediehen sind, daß etwa die Voraussetzungen des Art. 91 GG in manchen Grenzstrichen Niedersachsens in etwa als bestehend angenommen werden könnten.
Ferner stehen noch aus Hamburg und Bremen. Aber die Verhandlungen dort berühren Punkte, die mehr den örtlichen Gegebenheiten entsprechen und über die wir uns noch unterhalten müssen.
Auf der Bundesebene sind über das, was ich eben sagte, hinaus irgendwelche Maßnahmen zur Verstärkung der Polizei nicht getroffen worden. Innerhalb des Bundesinnenministeriums wurden lediglich im Rahmen dienstlicher Abordnungen, Werkoder Dienstverträge Hilfskräfte beschäftigt, die bei der Ausarbeitung der von den Ländern gewünschten finanziellen Unterlagen als Sachverständige tätig waren. Ihre Zahl beläuft sich auf sechs.
— Ich spreche zunächst einmal von der Polizei. Wir waren uns ja eben darüber einig, Polizei und Militär scharf zu trennen. — Ferner wurden im Interesse der Beschleunigung der ersten Ausbildungslehrgänge frühere Polizeioffiziere, die sich beim Bund um eine Einstellung in die Bereitschaftspolizei beworben hatten, auf die inzwischen eingerichteten Kurse der Länderschulen in Braunstein und Hannoversch-Münden entsandt. Das Bundesinnenministerium beabsichtigt, diese Lehrgangsteilnehmer, falls sie nach Abschluß des Kurses sich als geeignet erweisen sollten, im Rahmen des der Bundesregierung zustehenden Vorschlagsrechts den Länderregierungen für die Ernennung zu Polizeioffizieren vorzuschlagen. Irgendwelche Verpflichtungen sind namentlich seitens meines Ministeriums gegenüber diesen Bewerbern nicht eingegangen worden.
— Nein, es ist auch keine moralische Verpflichtung vorhanden!