Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie auf folgendes hinweisen. Ich habe für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Frühwald, Schmitt , Agatz, Revenstorff, Dr. Orth, Dr. Weber (Koblenz); für vier Tage den Abgeordneten Dr. Köhler, Erler, Löfflad, Loritz; für sechs Tage dem Abgeordneten Margulies.
Für längere Zeit suchen um Urlaub nach die Abgeordneten Morgenthaler und Dr. Gülich für 10 Tage wegen Krankheit; die Abgeordneten Aumer, Graf, Schuler, Leonhard für 14 Tage wegen Krankheit; die Abgeordneten Grundmann, Fischer und Vesper für vier Wochen wegen Krankheit. — Ein Widerspruch aus dem Hause erfolgt nicht; der Urlaub ist insofern erteilt.
Im übrigen sind heute entschuldigt die Abgeordneten Dr. Herde, von Knoeringen, Wirths, Gokkeln, Dr. Dorls, Brandt, Frau Nadig, Kalbfell, Mayer , Meyer (Bremen), Giencke, Frau Thiele, Niebergall, Rische, Dr. Reif, Neumann, Wittenburg, Frau Schroeder (Berlin), Dr. Veit, Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren, ich nehme die Tatsache, daß heute durch Krankheit und aus anderem Grunde 42 Abgeordnete entschuldigt sind, zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß der Ältestenrat sich gestern mit dieser Frage befaßt und den Standpunkt vertreten hat, daß die Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages die vornehmste Pflicht eines Abgeordneten des Bundestages ist
und daß es höchst erwünscht wäre, wenn die Herren Abgeordneten — auch die Damen selbstverständlich — sich ernsthaft überlegen würden, ob die von ihnen als triftig angesehenen Gründe auch von der Gesamtheit des Bundestages als triftig angesehen werden können. Ich habe nicht die Absicht, sofort Bestimmungen anzuwenden, wie sie etwa im früheren Reichstag üblich waren. Damals wurde — Herr Präsident Löbe hat uns das ausdrücklich mitgeteilt, ich habe auch seine Verfügung vor mir — auch eine Entschuldigung wegen Krankheit nur dann als triftig angesehen, wenn ein ärztliches Attest vorgelegt wurde. Meine Damen und Herren, ich darf zunächst an Sie appellieren, daß Sie die Entschuldigungen von den Sitzungen des Bundestages auch bei den als dringlich anzusehenden Anlässen auf das geringste Maß beschränken,
damit wir keine weiteren Erwägungen über die Triftigkeit von Entschuldigungsgründen anzustellen brauchen. Ich glaube, die Gesamtheit des Bundestages hat den Wunsch, daß die Arbeit dieses Parlamentes vor vollbesetztem Hause stattfindet.
Ich rufe die allein übrigbleibenden Punkte der Tagesordnung auf:
1 a. Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Polizei ;
b. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Parlamentarischer Beirat für den Aufbau der Polizei ;
c. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 .
Es sind für die Einbringungszeit 60 Minuten und für die Aussprachezeit 180 Minuten vorgesehen.
Wer wird für die Antragsteller die Anträge begründen und die Interpellation einbringen? — Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Dr. Menzel , Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Debatte möchten wir die Bundesregierung veranlassen, endlich einmal Farbe zu bekennen, was sie auf dem Gebiet der Polizei vorhat und welchen Weg sie zu gehen gedenkt. Es würde uns auch interessieren zu erfahren, warum der Herr Bundeskanzler nicht schon lange das Bedürfnis gefühlt hat, vor dem Parlament einmal zu sagen, welches seine Absichten auf dem Gebiet der künftigen Polizei sind. Schließlich würde es uns auch interessieren zu hören, warum man die Frage einer Vermehrung und einer Umorganisation der Polizei zur Stärkung der inneren — ich lege Wert auf die Betonung „inneren" — Sicherheit so unglücklich mit dem Problem der Remilitarisierung verknüpft hat und warum nichts getan worden ist, beide Probleme von Anfang an sorgfältig und fein säuberlich zu trennen.
Wie stark die Gefahr des Abgleitens einer Diskussion über die Polizei in eine Debatte über eine etwaige Remilitarisierung ist, das beweisen uns die Verlautbarungen und die Artikel in der Presse der letzten Monate. Dabei möchte ich ausdrücklich hervorheben, daß hieran die Presse selbst kaum eine Schuld trifft; daran ist vielmehr die sehr unklare Haltung der dafür verantwortlichen Instanzen der Bundesregierung
und der bundesamtlichen Pressestelle schuld.
Da wird zum Beispiel vor Monaten von einem Gehirntrust des Herrn Bundeskanzlers auf dem Gebiet der neuen Polizei gesprochen. Dabei fiel auf, daß als Mitglieder dieses Gehirntrustes fast nur — nein, sogar ausschließlich — ehemalige Generale genannt wurden.
Dann wurde im September von bundesamtlicher Seite erklärt, es werde auf jeden Fall eine Bundespolizei aufgebaut werden, und anders lautende Nachrichten, die ebenfalls aus den Regierungslagern gekommen seien, wären falsch. Kurz vorher hatte aber der Pressechef der Bundesregierung, Herr Dr. Brand, die Öffentlichkeit wissen lassen, man stehe vor der Schaffung einer starken und schlagkräftigen Schutzmacht, die aber hinwiederum keinerlei polizeiliche Befugnisse haben solle. Einige Zeit später konnte die Presse mitteilen, daß man in Bonn die Bildung von sogenannten demokratischen Ortsausschüssen zum Schutze der demokratischen Bundesrepublik beabsichtige. Dann hieß es wieder, man wolle eine Art Sicherheitstruppe schaffen, die über das Büro des militärischen Beraters des Herrn Bundeskanzlers organisiert werden solle. Der Herr Bundeskanzler selbst deutete schließlich bei einem Presseinterview an, daß über eine Beteiligung eines deutschen Kontingents an einer etwaigen europäischen Armee zwar noch keine Klarheit bestünde, daß aber, wie er sagte, die Verstärkung der deutschen Polizei um 30 000 Mann sofort in Angriff genommen werden müsse. Hier wird also auch von der höchsten Stelle unserer Bundesrepublik in einem Satz eine klare, von uns sehr bedauerte Vermengung der Fragen Polizei und Remilitarisierung vorgenommen.
Ich glaube, daß man sich durch ein solches Versteckspielen gegenüber dem deutschen Volk zumindest der Mißdeutung aussetzt, man sage zwar Polizei, meine aber Militär, und man wolle auf dem Umweg über die Polizei praktisch zur Bildung neuer militärischer Kaders kommen. Zwar haben nun der Herr Bundeskanzler und der Herr Innenminister des Bundes in einer Pressekonferenz vom 21. Oktober dieses Jahres versucht, aufklärend und beruhigend zu wirken. Das kam übrigens reichlich spät. Wenn aber in dieser Verlautbarung der Versuch unternommen wird, die Fragen der Polizei von denen der Remilitarisierung zu trennen, so ist dieser Versuch gründlich mißglückt. Einige Tage später nämlich. unter dem 24. Oktober dieses Jahres, bekam die Presse darüber Mitteilung, daß — hier darf ich etwas wörtlich verlesen — ,frühere Stabsoffiziere und Leutnante zu einer Art Ausleseschule oder Wachkompanie zusammengefaßt werden sollen, die dann als Kader und für die Führung von Hundertschaften zur Verfügung stünden, und daß aus diesen Kreisen auch die Einheitsführer für die Bereitschaftspolizei hervorgehen könnten". Es wurde dann weiter mitgeteilt, daß auch das Innenministerium in Bonn eine Truppenführerschule einrichte und beide Schulen unter der gemeinsamen Verwaltung des Bundesinnenministers stehen sollten.
Meine Damen und Herren, das war am 24. Oktober dieses Jahres. Es fällt' uns auf, daß man zu dieser Erklärung bisher keinerlei bundesamtlichen Kommentar bekommen hat, daß wir nicht einmal haben hören können, ob diese Erklärung aus Regierungskreisen wahr ist und was in Wirklichkeit dahinter steckt. Also mit diesen letzten Verlautbarungen vom 21. und 24. Oktober ist die Sache nur noch verworrener geworden. Erfreulich war für uns wenigstens die eine Tatsache, die sich aus diesen Erklärungen ergab, nämlich die Klarstellung, daß nach monatelangen Bemühungen der Herr Bundeskanzler inzwischen auch eingesehen zu haben scheint, daß alle Fragen der künftigen Polizei nicht in sein Ressort, sondern in das typische Polizeiministerium, nämlich ins Innenministerium gehören. Wir begrüßen diese Klarstellung, um von vornherein keine Mißverständnisse, keine Verschleierung zu ermöglichen, daß es sich wirklich um eine Polizei handelt.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte hier auch an den Herrn Finanzminister die Frage
richten, aus welchen Mitteln denn alle diese vorbereitenden Maßnahmen, die von dem Herrn Bundeskanzler herangeholten Personen, die bereits im Anlaufen begriffenen Einrichtungen — falls die Pressemeldungen stimmen — bezahlt worden sind.
Unser Mißtrauen, daß hier Polizei gesagt, aber etwas völlig anderes gemeint war, wurde begreiflicherweise — und nicht nur unseres, sondern auch das der breiten Öffentlichkeit — durch die Namen verstärkt, die man im Zusammenhang mit dieser Debatte hören konnte. Da waren zunächst einige sogenannte Notgemeinschaften, deren Zweck wohl ursprünglich nur darin bestand — berechtigter- und verständlicherweise —, bestimmte Berufsinteressen ehemaliger Wehrmachtsangehöriger wahrzunehmen, die aber plötzlich anläßlich dieser Remilitarisierungs- und Polizeidebatte mit Rundschreiben in Form von Fragebogen, wie man sie früher beim Militär kannte, auf den Plan traten. Das ging sogar so weit, daß einer der Absender, um nur nicht den Anschluß an seine militärische Gedankenwelt zu verpassen, darüberschrieb: Geheime Kommandosache!
Es fiel uns auch auf, daß bei dem so schnell einberufenen Kursus für Polizeibeamte in Traunstein nicht weniger als 25 ehemalige Militärs auftraten, die noch keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiete des Polizeiwesens nachweisen konnten.
Wenn ich nur einen jener Lehrer, die etwas Erfahrungen auf dem Gebiet der Polizei zu haben behaupten, Herrn Kreutzer, nenne, so deshalb, weil wir Herrn Kreutzer aus der Hitler-Polizei sehr gut kennen. Er war nämlich derjenige, der sich auf den Standpunkt stellte, daß es keine Polizeibeamten, sondern nur Polizeisoldaten gäbe und daß sich der Polizeisoldat besonders dadurch auszeichne, daß er sich durch straffe Disziplin, straffe Haltung und durch eine besonders gute Augendisziplin hervorhebe.
Sie können daher verstehen, daß wir gegen solche Lehrkräfte, die unseren polizeilichen Nachwuchs unter diesem Gesichtspunkt schulen würden, außerordentlich zurückhaltend und skeptisch sein müssen. Was wir dort überhaupt wieder an neu auftauchenden Lehrern erlebten, erinnert uns sehr lebhaft an den rechtsradikalen Polizeioffizierskreis eines früheren Dillenburger,
der ja mit dazu beigetragen hat, daß ein Teil des preußischen Polizeioffizierskorps vor 1933 unterhöhlt wurde. Seinen Geist treffen wir hier in Traunstein wieder. Er war es, der am 31. Januar 1933 erklärte: „Ich bin stolz, daß ich nunmehr mein Ziel erreicht habe, daß meine Polizeioffiziere" — die seines Verbandes — „an unserem Führer vorbeidefilieren können." Dieser Geist wird dort wieder zu erwecken versucht.
Meine Damen und Herren, ich war etwas überrascht, als ich in einer Verlautbarung las, man habe sogar aus Stockholm einen Polizeifachmann herbeigeholt, um das deutsche Kriminalpolizeiwesen wiederaufzubauen. Nun gewiß, ich habe nichts dagegen, daß wir uns auch ausländischer Erfahrungen bedienen. Aber es sollte doch zumindest einmal der öffentlichen Debatte oder der Erörterung innerhalb und mit der Bundesregierung wert sein, ehe wir solche Kräfte heranziehen.
Diese Feststellung, meine Damen und Herren, veranlaßt uns zu der zusätzlichen Frage an die Bundesregierung: Welche Personen und welche Organisationen sind vom Herrn Bundeskanzler oder vorn Herrn. Bundesinnenminister mit sogenannten Rekrutierungsmaßnahmen beauftragt worden? Welche Personen sind von der Bundesregierung mit der Vorbereitung zur Aufstellung von Polizeieinheiten oder sonstigen waffentragenden Formationen betreut worden? Billigt die Bundesregierung, daß dritte Personen und Organisationen sich auf einen Auftrag der Bundesregierung berufen? Wenn nein, was gedenkt die Bundesregierung gegen solche Personen oder Organisationen zu unternehmen, damit sie nicht selbst in den Verdacht einer wohlwollenden Duldung derartiger Remilitarisierungsversuche gerät?
Der Hinweis auf die Namen, die ich gebracht habe, war um deswillen wichtig, weil mir scheint, daß bei diesem gesamten Komplex die Bundesregierung etwas Wichtiges übersehen hat: sie hat übersehen, daß Polizei nicht Militär ist. Sie hat die völlige Verschiedenheit des Einsatzes und des Zieles der Arbeit von Militär und Polizei übersehen. Während es das Militär im allgemeinen oder sagen wir, bei der modernen Kriegführung fast ausschließlich immer mit einem für den einzelnen Soldaten nicht sichtbaren Gegner zu tun haben wird, den es mit einer nur auf Fernziele eingerichteten Waffe bekämpfen soll, während das Militär davon ausgehen muß, den Gegner physisch zu vernichten, sind die Ziele der Polizei völlig anders. Der Polizeibeamte steht, wenn er eingesetzt wird, bei seinen Auseinandersetzungen unmittelbar dem Staatsbürger, das heißt einem Bürger seines Staates, einem Mann und einer Frau, die seine Sprache sprechen, gegenüber. Er hat und er darf nur Waffen haben, die genügen, den von dem Pfad der Tugend abgewichenen Staatsbürger wieder auf diesen Pfad zurückzuführen.
Ich glaube, daß diese klare Unterscheidung zwischen Militär und Polizei um unserer Polizeibeamten willen notwendig ist.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, darf ein Schreiben nicht übersehen werden, das der Herr Bundesfinanzminister vor einiger Zeit — es war Ende August dieses Jahres — an einige amtliche, aber auch an einige Stellen dieses Parlaments gerichtet hat. Darin sagte der Herr Bundesfinanzminister, es bestünde unter Umständen die Möglichkeit, durch Einsparungen auf dem Gebiete des zivilen Sektors der Besatzungsmächte einen Betrag von rund 2 Milliarden Mark zu gewinnen. Nun, eine solch erfreuliche Nachricht hätte uns der Herr Bundesfinanzminister nicht vorenthalten sollen, aber es ist auffallend — darum muß es hier verzeichnet werden —, daß der Herr Bundesfinanzminister sich in diesem Schreiben bereit erklärte, diesen Betrag von 2 Milliarden Mark für die Bildung einer neuen Polizei zur Verfügung zu stellen.
Sie wissen, daß ein Polizeibeamter durchschnittlich im Jahre ca. 10 000 DM kostet. Der Herr Bundesfinanzminister war also bereit, die Mittel, falls er sie bei den Besatzungskosten einsparen könnte, für eine Bundespolizei von nicht weniger als 200 000 Beamten zur Verfügung zu stellen. Daß das keine
)Polizei mehr gewesen wäre, liegt, glaube ich, auf der Hand.
Diese Tatsache bleibt aber um so mehr zu vermerken, als wir immer wieder die Zugeknöpftheit des Herrn Bundesfinanzministers festgestellt haben, wenn es sich um die Finanzierung sozialer Angelegenheiten handelte.
Ich würde dem Herrn Finanzminister empfehlen: Verwenden Sie diese 2 Milliarden Mark, wenn Sie sie eines Tages bekommen, lieber für soziale Zwecke, dann werden Sie die Bundesrepublik so anziehend gestalten und damit die Sicherheit so erhöhen, daß wir wahrscheinlich keinen zusätzlichen Polizeibeamten brauchen!
Warum, meine Damen und Herren, sind wir bei all diesen Dingen so skeptisch? Dazu gestatten Sie mir einen Hinweis auf gewisse Vorgänge im Parlamentarischen Rat vor ungefähr anderthalb Jahren. Damals war es die sozialdemokratische Fraktion, die in die Verfassung zugunsten des Bundes die Chance einbauen wollte, daß er über gewisse polizeiliche Exekutivrechte verfügen könnte. Es war ein Teil der heutigen Regierungsparteien, an der Spitze der heutige Herr Bundeskanzler, die diesen Antrag mit dem Hinweis abgelehnt haben, damit werde der föderative Charakter der Bundesrepublik gefährdet.
Man verweise jetzt zur Entschuldigung nicht darauf, daß die Dinge sich inzwischen anders entwickelt haben, daß wir heute Korea hätten. Wir hatten damals die Berliner Blockade, und ich glaube, für uns lag und liegt Berlin genau so nahe wie für andere Völker Korea.
Meine Damen und Herren! Die Ambition des Herrn Bundeskanzlers — ich spreche vor allem für die Zeit, in der der Herr Bundeskanzler die Polizei für sich in Anspruch nehmen, sie in sein Ressort haben wollte — auf eine eigne Polizei tauchte erstmalig auf, als anläßlich der Debatte über die Erhöhung der Benzinpreise die Inhaber der Last-und Personenkraftwagen eine Sternfahrt nach Bonn unternahmen. Der Herr Bundeskanzler hat später in mehrfachen Äußerungen geglaubt, darauf hinweisen zu sollen, daß die Polizei dieses Landes damals versagt habe.
Nun, meine Damen und Herren, um der Wahrheit die Ehre zu geben und um nicht die Schuld auf Polizeibeamte abzuwälzen, die die Schuld gar nicht tragen können, darf ich Ihnen mitteilen, daß die Maßnahmen, die damals von der Polizei in Bonn getroffen wurden, im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesinnenminister getroffen wurden, restlos seinen Wünschen entsprachen und daß die Anforderungen des Herrn Bundesinnenministers in keiner Weise weiter gegangen sind als das, was damals von der Polizei ausgeführt wurde, und daß nachträglich der Polizei der Dank ausgesprochen wurde.
Der Herr Bundeskanzler war auch etwas unangenehm berührt, als sich die Polizei Nordrhein-Westfalens und die damalige Landesregierung weigerte, gegen den bekannten Zug von Flüchtlingsvertretern, die zu Fuß von Niedersachsen hierher nach Bonn kamen, polizeiliche Mittel einzusetzen. Ich will nicht behaupten, daß der Herr Bundeskanzler geglaubt hat, dagegen mit polizeilicher Gewalt vorgehen zu können, denn ich glaube, aus dem Zeitalter, in dem man sagte: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten", sind wir auch in der Bundesrepublik heraus, aber daß überhaupt in der Vorstellungswelt eines verantwortlichen Politikers der Wunsch entstehen kann, gegen die Abordnungen der Flüchtlinge mit polizeilichen Mitteln vorzugehen, scheint mir doch ein außerordentlich beunruhigendes Zeichen.
Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzungen der letzten Wochen zwischen dem Bund und den Ländern drehten sich, soweit wir das aus der Presse sehen können, vor allem um den Art. 91 des Grundgesetzes. Art. 91 sieht zunächst in Abs. 1 vor, daß ein Land, das da glaubt, es könne Ruhe,. Ordnung und Sicherheit nicht mehr bei sich aufrechterhalten, nachbarliche Hilfe beanspruchen kann. Für unser e Frage ist aber der Abs. 2 entscheidend. Abs. 2 besagt: Wenn ein Land nicht in der Lage ist, in seinem Gebiet Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten, oder wenn es hierzu nicht gewillt ist, also wenn es droht, dadurch verfassungs- oder bundesuntreu zu werden, dann hat der Bund das Recht, die Polizeimacht der Länder an sich zu ziehen. Das heißt, daß nicht nur ein Teil der Polizei der Länder auf den Bund übergeht, sondern die gesamte Polizei in der derzeitigen Stärke von rund 90 000 Beamten.
Seit Wochen versucht nunmehr die Bundesregierung, diesen Art. 91 gummiartig auszudehnen und auszulegen. Sie möchte nämlich schon jetzt polizeiliche Befugnisse haben, aber dabei nicht den Weg der Verfassungsänderung gehen. Sie sucht daher einen Ausweg. Darauf einzugehen, ist notwendig, weil man an dieser Darlegung feststellen kann, wie verkehrt dieser Weg ist und wie notwendig es sein wird, hier klare verfassungsrechtliche Grundlagen zu schaffen.
Der erste Versuch einer, ich möchte fast sagen, illegalen Auslegung des Art. 91 Abs. 2, den die Bundesregierung unternommen hat, sind ihre Bemühungen, hier in Bonn eine Wachkompanie zu schaffen. Da wird einmal von 500, dann von 400 Beamten und schließlich — nach den letzten Länderentwürfen — endgültig von 1800 Polizeibeamten gesprochen, die hier in Bonn stationiert werden sollen. Es erhebt sich die Frage: warum ist das nötig? In einer bundesamtlichen Presseerklärung vom 21. Oktober wird auf das angebliche Beispiel der Weimarer Zeit mit der Behauptung hingewiesen, auch in Berlin habe es zum Schutz der Reichsorgane eine besondere Polizei gegeben. Es handelte sich in Berlin dabei lediglich um ein, zwei oder drei Bereitschaften, die jedoch dem Kommando des Berliner Polizeipräsidenten unterstanden und preußische Landespolizei, aber niemals Reichspolizei gewesen sind.
Überdies darf ich darauf hinweisen, daß in dem Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen, und zwar nicht nur dieses, sondern auch schon des vergangenen Jahres, ein Betrag von 500 000 DM ausgeworfen ist, der lediglich dazu dient, die Polizeikräfte für den Stadt- und Landkreisbezirk Bonn zu verstärken, um für die erhöhte Sicherheit der Bundesorgane zu sorgen. Es ist uns nicht bekannt geworden, daß diese Polizeikräfte bisher nicht ausgereicht oder in irgendeinem Falle versagt hätten. Ich bin gewiß, daß die Landesregierung von Nord-
rhein-Westfalen, die ja bis jetzt bereit war, sogar die Gesamtkosten dieser Sonderpolizei zu tragen, auch bereit wäre, diese Polizei zu verstärken. Es kann also nicht daran liegen, daß die Bundesregierung glaubt, das Land Nordrhein-Westfalen habe ihr bisher den erforderlichen Schutz versagt. Es würde uns interessieren, vom Herrn Bundeskanzler oder vom Herrn Bundesinnenminister zu hören, warum diese Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen nicht geklappt hat und warum wir uns die vielen Sonderkosten für eine Landespolizei von 1800 Mann allein für den Stadtkreis Bonn machen sollen. Im übrigen frage ich den Herrn Finanzminister: wer bezahlt das, und woher sind die Mittel genommen worden, um auch hier mit den ersten Maßnahmen zu beginnen?
Der zweite und nach unserer Auffassung viel ernstere Versuch einer verfassungswidrigen Handhabung des Art. 91 Abs. 2 liegt in der Auslegung der bekannten New Yorker Dokumente. Man hat seitens der Bundesregierung geglaubt, aus den New Yorker Dokumenten herauslesen zu können, daß auch die hohen Alliierten auf dem Standpunkt stünden, Ruhe und Ordnung seien in Deutschland derartig gefährdet, daß bereits die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 gegeben seien. Aber, meine Damen und Herren, wenn man sich einmal das Dokument, vor allem seine Ziffer 4, in Ruhe ansieht, dann wird man feststellen, daß es dort ausdrücklich heißt: Falls eines Tages Ruhe und Ordnung so gestört sind, daß Art. 91 Abs. 2 in Kraft treten soll, dann könne der Bund folgende Maßnahmen treffen. Es ist also nichts mit dem Versuch des Bundeskanzlers, die New Yorker Dokumente für seine Zwecke heranzuziehen. Es entsteht aber die sehr wichtige Frage: ist überhaupt der Art. 91 schon in Kraft? Sie wissen, daß die Alliierten bei der Genehmigung des Grundgesetzes u. a. auch den Art. 91 suspendiert und erklärt haben, daß sie, die Alliierten, für die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen würden und daß daher der Art. 91 noch nicht in Kraft gesetzt werden könne. Wir haben bisher keinerlei Mitteilung bekommen oder Verlautbarung gehört, daß die Alliierten die Suspension des Art. 91 aufgehoben hätten. Das aber ist entscheidend; denn sonst mühen sich Bund und Länder in langwierigen Verhandlungen vergeblich um einen Artikel ab, der überhaupt noch nicht in Kraft ist.
Meine Damen und Herren! Falls wir aber der Auskunft der Bundesregierung entnehmen sollten, der Art. 91 sei nicht mehr suspendiert, dann müssen wir trotzdem — falls die Bundesregierung ihrerseits daran festhält, die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 seien gegeben — um Auskunft bitten, welches Land oder welche Landesregierung denn nicht mehr in der Lage sei, die Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten, und in welchem Land denn die Polizei seit längerer Zeit — zumindest seit einer Woche — in Alarmbereitschaft stehe. Dieser Hinweis des Bundes und sein Versuch, dem Art. 91 eine falsche Auslegung zu geben, machen uns natürlich sehr mißtrauisch, und wir möchten als sozialdemokratische Fraktion hier in aller Öffentlichkeit feststellen: Wir gehen nicht den Weg mit, wenn versucht wird, aus dem jetzigen Art. 91 wieder einen Art. 48 der Weimarer Verfassung zu machen.
Wir sind für klare Lösungen und halten an unserer
Stellungnahme, wie wir sie bereits im Parlamentarischen Rat bei der Schaffung unserer Verfassung eingenommen haben, fest.
Meine Damen und Herren! Die Probleme der Polizei liegen gar nicht so schwierig, wenn man sich einmal auf ihre wirklichen Aufgaben besinnt, die darüber in den letzten Wochen künstlich gelegten Schleier wegzieht und sich von jeder Kriegspsychose freimacht. Die Frage ist die, wenn wir an die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden denken: wo fallen die Aufgaben an, die eine vernünftige und gute Polizei zu erledigen hat? Die Antwort hinsichtlich des großen Gebiets der Verwaltungspolizei ist klar. Sie gehört wie seither auch künftighin in die Verwaltung der Gemeinden als Selbstverwaltungs- oder Auftragsangelegenheiten. Sie haben also hier auszuscheiden.
Es bleibt für uns also die Lösung der Frage: wohin gehören rein funktionell nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit hin die Exekutivpolizei, sei es die uniformierte, sei es die Kriminalpolizei? Jahrhundertelang beschränkten sich die Störungen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit ganz zwangsläufig auf das enge Gebiet einer Gemeinde oder einer Stadt. Das ist natürlich in den letzten Jahrzehnten im Zuge der Industrialisierung, der Technisierung nicht nur der Wirtschaft, sondern auch unseres ganzen gesellschaftlichen Lebens völlig anders geworden. Die Störungen der öffentlichen Ruhe erstrecken sich in ihrer Auswirkung heute, wo wir im Zeichen des Radios, des Telefons, der Flugpost usw. stehen, nicht mehr auf das enge Gebiet einer Gemeinde, kaum noch auf das enge Gebiet der so klein gewordenen elf westdeutschen Länder. Sie ergreifen ganz zwangsläufig das gesamte Bundesgebiet. Der universale Zug, der in unserer Entwicklung liegt, läßt auch dieses Problem heute anders sehen als noch vor etwa 50 Jahren.
So erkennen wir, meine Damen und Herren, ein wirkliches Bedürfnis des Bundes an — und das nicht erst heute —, auf dem Gebiete der Polizeiexekutive eigene Rechte zu bekommen. Wir freuen uns, aus den Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesinnenministers zu sehen, daß man jetzt erkennt, im Parlamentarischen Rat vielleicht doch nicht sehr glücklich gehandelt zu haben, als man damals restlos alle solche Möglichkeiten von vornherein abschnitt und verschüttete.
Wir sollten daher in dieser Situation, in der wir uns alle hier in Mitteleuropa befinden, dem Bunde geben, was des Bundes sein muß. Aber gerade weil wir das wollen, haben wir Bedenken, wenn versucht wird, dieses Ziel durch sogenannte Länderverträge zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Es gibt keine verfassungsändernden Verträge, und was der Bund bisher von den Ländern an Zugeständnissen zu erhalten versucht hat, ist zu mehr als der Hälfte verfassungswidrig. Wenn sich zum Beispiel, wie in den Entwürfen vorgesehen ist, die Länder verpflichten sollen, wenigstens 30 000 Polizeibeamte einzustellen, wobei nicht gesagt wird, wer dafür haftet, wenn ein Land seine Quote nicht erfüllt, ob dann die anderen Länder auffüllen müssen, wenn sich die Länder bereit erklären müssen, schon jetzt bei völliger Ruhe in Deutschland ein Viertel dieser Bereitschaften unter die unmittelbare Kommandogewalt des Bundes zu bringen, so ist das
zweiter nichts als der Versuch einer absoluten Verfassungsumgehung. Dabei unterstelle ich natürlich subjektiv der Bundesregierung durchaus, daß sie nicht eine Verfassungsverletzung als solche will. Aber es muß klar gesagt werden: solche Verträge mit verfassungsänderndem Inhalt wären ungültig.
Noch unmöglicher ist der Versuch, in einem Vertrag festzulegen, daß er bereits dann gelte, sobald die Mehrheit der Länder zugestimmt hätte. Ich wende mich vor allem an die Föderalisten dieses Hauses: Wo kommen wir bei der notwendigen klaren Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern hin, wenn man die gesamten Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern dadurch verschieben kann, daß eine Mehrheit der Länder — nicht im Bundesrat, sondern vertreten durch ihre Bürokratie — sich bereit erklärt, Hoheitsrechte auf den Bund zu übertragen mit der Wirkung, daß auch die übrigen dabei nicht beteiligten und damit nicht einverstandenen Länder gezwungen werden, diesen Vertrag als für sich verbindlich anzuerkennen!
Auf diesem Gebiete sollte man auch aus einem andern Grunde mit Verträgen vorsichtig sein. Wir wissen, Verträge können gebrochen werden, und sie werden vor allem in Notzeiten sehr gern und leicht gebrochen. Was will der Bund mit Verträgen machen, die vielleicht gerade dann nicht funktionieren, wenn sie wirksam werden sollen, wenn also zum Beispiel ein Land im Augenblick der Bundesnot erklärt, es dächte gar nicht daran, sein Abkommen vom vorigen Jahr praktisch durchzuführen? Ich glaube, daß Sie hier einen Weg gehen. den Sie sich unabhängig ven der zur Zeit aktuellen Frage der Polizei reiflich überlegen sollten. Denn was Sie hier anfangen verfassungsrechtlich falsch zu lösen, das können Sie dann morgen auch auf einem anderen Gebiete zu tun gezwungen werden.
Wir haben als sozialdemokratische Fraktion keine Bedenken. wenn zur Durchführung des Art. 91 Abs. 2, aber n u r zu seiner Durchführung, die Länder mit dem Bund Vereinbarungen schließen. Das heißt, daß sich schon heute Bund und Länder einig werden, was für den Fall des Art. 91 Abs. 2 getan werden soll. Es wäre töricht, dieses Recht dem Bunde zu beschneiden; denn er kann nicht erst in dem Augenblick Vereinbarungen mit den Ländern treffen, in dem Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten sein sollten.
Daher, meine Damen und Herren, und aus diesen Überlegungen resultieren die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion, das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 zu ändern, und zwar zu ändern nicht etwa in Art. 91 — denn systematisch ist Art. 91 ein Ausschnitt aus dem Gebiet des sogenannten Bundeszwanges —, sondern zu ändern bei jenen Artikeln, die sich mit den eigenen Zuständigkeiten des Bundes befassen. Ob das dann der Art. 84 ist, wie einige meinen, oder Art. 87, mag in dem zuständigen Ausschuß für die innere Verwaltung geregelt werden. Aber wir glauben. daß die von uns vorgeschlagene Änderung des Art. 87 dem Bunde viel größere Möglichkeiten einräumt, als er sie jemals über einzelne Länderverträge bekommen könnte.
Wenn wir beantragen, einen Satz dahingehend aufzunehmen, daß die Länder verpflichtet sind, auf Anforderung des Bundesinnenministers ein Zehntel ihrer jeweiligen Polizeiexekutivkräfte für den Bund zur Verfügung zu halten, dann, glauben wir, bekommt der Bund soviel polizeiliche Macht, daß er es gar nicht mehr nötig haben wird, jemals auf Art. 91 Abs. 2 zurückzugreifen. Dann 10 000 Polizeibeamte unter der eigenen Kommandogewalt würden zusammen mit der jeweiligen Länderpolizei in der Lage sein, die Ruhe in jedem Lande wiederherzustellen. Sie bedeuteten eine so starke Exekutivmöglichkeit, daß man dann den Art. 91 Abs. 2 nicht mehr zu strapazieren brauchte.
Und nun, meine Damen und Herren, zu unserer Verfassungsänderung zum Art. 74. Wir hatten bereits im Parlamentarischen Rat beantragt, dem Bund bestimmte Gesetzgebungsbefugnisse auf dem Gebiete der Polizei zu gewähren. Ich sagte schon, daß wir damals unterlegen sind. Wenn wir jetzt beantragen, eine neue Ziffer in Art. 74 aufzunehmen, der sich mit der konkurrierenden Gesetzgebungsgewalt des Bundes befaßt, und zwar dahin, daß der Bund auch zuständig zum Erlaß von Gesetzen auf dem Gebiete der Einstellung, Beförderung, Versorgung, Ausbildung und Ausrüstung der Polizeibeamten sein solle, dann, meine Damen und Herren, gilt das nicht nur, weil wir der Auffassung sind: es ist falsch, und es ist etwas Irreales, wenn wir glauben, eine brauchbare Polizei zu besitzen, wenn sie in Schleswig-Holstein anders als in München oder Baden aussieht, sondern dann geschieht das auch deshalb, weil wir, wenn der Bund auf Art, 91 Abs. 2 zurückgreifen muß, es nicht erleben möchten, daß dann eine aus elf Ländern verschieden aufgebaute und zusammengewürfelte Polizei dem Bundesinnenminister zur Verfügung steht. Was soll denn dann ein Bundeskanzler, was soll denn dann ein Bundesinnenminister mit einer Polizeibeamtenschaft anfangen, die nach elf verschiedenen Gesichtspunkten ausgebildet und befördert ist, die nach verschiedenen wirtschaftlichen Bedingungen besoldet wird und die vor allem auch völlig verschieden ausgerüstet und eingekleidet ist? Ich glaube also, auch um dem Art. 91 Abs. 2 ein zuverlässiges Fundament zu geben, ist die von uns beantragte Verfassungsänderung zu Art. 74 erforderlich.
Meine Damen und Herren! In der Debatte hat neben dieser Frage der Zuständigkeitsverteilung auch die Erörterung über die Zahl der neu einzustellenden Beamten eine entscheidende Rolle gespielt. Die New Yorker Dokumente nennen die Zahl von 30 000. Aber es handelt sich dabei lediglich um eine Ermächtigung, nicht um einen Zwang. Denn, meine Damen und Herren, 1000 Beamte kosten den Staat 10 Millionen, wobei der Anteil des Gehalts bedauerlicherweise der allergeringste ist. 30 000 Beamte bedeuten also Ausgaben von 300 Millionen DM, und wir sollten es uns sehr überlegen, ehe wir solche Beträge ausgeben. Dabei entsteht zugleich die Frage, wie der Bund sich an diesen Kosten beteiligen will. Was wir bisher an Entwürfen zu Länderverträgen gesehen haben, bedeutet, daß die Länder fast 80 %, der Bund nur 20 % zu tragen haben, und ich glaube, daß nach der Senkung der Einkommensteuer, die allein zu Lasten der Länder ging, die Länder solche Summen einfach nicht mehr aufbringen können.
Laut Pressemeldungen haben die Länderinnenminister erklärt, sich vorerst mit einem zusätzlichen Kontingent von 10 000 Beamten zu begnügen. Wenn sogar der Innenminister und wenn sogar die Polizei selbst erklären, sie brauchten nicht mehr als 10 000 Beamte — nun, meine Damen und Herren welcher Ressortminister würde nicht gern seinen Machtbereich vergrößern? —, wenn also
diese zuständigen Ressortminister selbst erklären, sie brauchten nicht mehr, dann sollten wir uns auf diese Zahl wirklich verlassen können. Es wird also nicht von d e m Kontingent auszugehen sein, das man in New York genannt hat, sondern es wird von dem wirklichen Sicherheitsbedürfnis auszugehen sein. Natürlich haben die Länder bei ihren Entscheidungen auch das Sicherheitsbedürfnis des gesamten Bundes mit zu berücksichtigen und nicht nur ihre eigene Kirchturmspolitik zu betreiben. Aber ich glaube, es ist doch erfreulich, wenn wir feststellen können, daß die für die Ruhe, Ordnung und Sicherheit verantwortlichen Innenminister selbst auf eine Zahl von nur 10 000 Beamten gekommen sind. Man könnte — das ist eine Anregung an den Herrn Bundesinnenminister — die so ersparten Beträge von fast 200 Millionen, wenn auch nur zum kleinen Prozentsatz, dazu verwenden, um endlich einmal die Besoldung der Polizeibeamten etwas besser zu gestalten.
Meine Damen und Herren, in Verbindung damit ein Wort zu der Länderpolizei. Wir wissen, daß der Herr Bundeskanzler an den Hohen Kommissar der britischen Regierung, Herrn Kirkpatrick, einen Brief gesandt hat, in dem er mit allem Ernst darauf hinweist, daß die Polizei so, wie sie vor allem in der britischen Zone aufgezogen sei, unmöglich bestehen bleiben könne. Die Antwort würde uns interessieren. Wenn ich das hier erwähne, so hat das folgenden Grund. Wenn es endlich wieder dazu kommen würde, daß die Polizei in den Ländern nicht mehr in einzelne kleine Einheiten auf gesplittert bleibt, sondern unter das Weisungsrecht des Innenministers gestellt wird, dann könnten wir erhebliche Einsparungen bei den jetzigen Polizeieinheiten durchführen. Nehmen wir das für uns in Bonn naheliegende Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen. Wir haben in diesem Lande 26 Polizeieinheiten; jede Polizeieinheit hat eine eigene Besoldungsabteilung, eine eigene Etatsabteilung, eine eigene Wirtschaftsabteilung, eine eigene Beschaffungsstelle. Es ist ganz klar — und die Untersuchungen im Innenministerium dieses Landes haben das schon in etwa ergeben —, daß eine Zusammenfassung in einer Stelle unter dem Innenminister eine Ersparnis ermöglichen würde, die so groß wäre, daß man 2- bis 3000 junge Beamte für die Bereitschaftspolizei einstellen könnte.
— Die Einsparungen werden Sie, Herr Dr. Dresbach, in den anderen Ländern genau so machen können; denn es ist einfach eine Frage der rationellen Zusamenlegung der Polizei. Das war bisher nicht möglich und ist auch zur Zeit noch nicht möglich, weil es an dem Widerstand der britischen Regierung gescheitert ist. Darum wäre es sehr wichtig — und das ist unser ernstes Anliegen; es gilt in etwa auch für die amerikanische Zone
daß der Herr Bundesinnenminister auf dem Petersberg nochmals in aller Form vorstellig wird; nicht nur aus Ersparnisgründen, sondern auch aus dem Gesichtspunkt heraus, daß es schlecht ist, eine Bereitschaftspolizei auf ein in sich zersplittertes und brüchiges Polizeisystem aufzupfropfen. Sonst nützen die neuen Polizeibereitschaften gar nichts; denn wir müssen an dem Grundsatz festhalten: innerhalb eines Landes darf es keine wirtschaftlichen oder rechtlichen Differenzierungen „hie Einzeldienst, hie Bereitschaftsdienst" geben. Aber die Gleichstellung, die unbedingt notwendig ist, um eine zuverlässige Bereitschaftspolizei aufzubauen, setzt voraus, daß die Innenminister der Länder
wieder mehr als bisher das Heft in die Hände bekommen. Ich möchte daher bitten, daß der Herr Bundesinnenminister seine Aufmerksamkeit gerade auf diesen Gesichtspunkt richtet.
Meine Damen und Herren! Bei der Vielzahl der Probleme, die mit diesen Fragen verbunden sind, werden Sie es begreifen, daß wir den Antrag gestellt haben, einen besonderen parlamentarischen Beirat für alle Fragen der Polizei einzusetzen. Wir haben den Antrag auch aus einem politisch-psychologischen Grunde gestellt. Wir möchten verhüten, daß man draußen in der Welt, aber auch hier drinnen in der Bundesrepublik glaubt, man wolle über die Polizei zu einer Remilitarisierung kommen. Die angeführten Pressenachrichten und die von mir erwähnten Personalien sollten ein Warnungssignal für uns alle — ich sage ausdrücklich : für uns alle — sein, nicht noch einmal den Weg zu gehen, den wir nach 1918 gegangen sind. Auch die Regierung sollte ein Interesse daran haben, daß nirgends das Gefühl entstehen kann, als wollte man etwas verheimlichen.
So wollen wir durch diese drei Anträge erreichen, daß überall Klarheit, Sauberkeit und Wahrheit geschaffen wird. Das bezieht sich vor allem auch auf den Etat. Wir weigern uns auf das entschiedenste — wir meinen das sehr ernst —, von der Grundlage jedes freiheitlichen Staates, von dem rechtsstaatlichen Denken abzugehen.
Das sage ich noch einmal im Hinblick auf die Versuche, durch recht dürftige Ländervereinbarungen den Art. 91 des Grundgesetzes auszuhöhlen. Wir haben diese Verfassung alle beschworen und wir haben sie so gewollt, wie sie ist. Es mag sein, daß manche ihrer Bestimmungen uns nicht bequem sind; aber solange diese Bestimmungen — und das gilt auch für Art. 91 Abs. 2 — existieren, müssen wir sie auch respektieren, und zwar nicht nur formal, sondern aus der Einsicht heraus, daß nur so ein freier und demokratischer Staat leben kann. Wir Sozialdemokraten haben den Mut, diese Verpflichtung anzuerkennen. Wenn wir einsehen, daß eine Änderung eintreten muß, dann haben wir auch den Mut, eine solche Änderung vorzuschlagen. Nur so kommt — das sei zum Schluß gesagt — die Innenpolitik auf dem Gebiete der Polizei aus dem Zwielicht heraus, in das sie durch das Verschulden der Bundesregierung geraten ist.
An dieser Klärung, die wir herbeiführen wollen, ist vor allem auch die Jugend interessiert. Denn wir entscheiden damit über ein Stück ihrer Zukunft. Vor allem sind daran auch diejenigen Männer interessiert, die in die künftige Polizei eintreten wollen. Der Bundeskanzler hat — das ergaben das merkwürdige Durcheinander und der Wirrwarr in der Presse — bisher nicht bewiesen, daß er weiß, was er will. Vielleicht hat er sich auch gescheut, zu sagen, was er will. Dann soll uns der Herr Bundeskanzler oder der Herr Bundesminister des Innern wenigstens sagen, was er heute will. Jede Unschlüssigkeit auf diesem Gebiet wäre Wasser auf die Mühle der Feinde der Demokratie. Anstatt ihnen durch eine gute und verfassungstreue Polizei die Lust zu weiteren Wühlereien zu nehmen, werden ihnen durch eine Politik des Augenzwinkerns mit militärischen Ideen neue Chancen gegeben, im trüben Wasser bundesamtlicher Unentschlossenheit zu fischen. Es ist eine sehr ernste Angelegenheit des gesamten Volkes, die wir nun zu erledigen haben.