Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß sich der Kollege Richter recht sarkastisch vorgekommen ist, als er aus den Protokollen unserer früheren Verhandlungen Ausführungen von mir vorgelesen hat. Ich habe kein Wort von dem zurückzunehmen, was ich seinerzeit bei einer Debatte über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Loritz gesagt habe. Ich würde in einem ähnlichen Falle das alles genau so wieder sagen.
— Der heutige Fall ist aber dem nicht gleich, den wir einst verhandelten. Im Falle Loritz hat es sich darum gehandelt, daß dem Abgeordneten der Vorwurf gemacht wurde, er habe den bayerischen Staat durch seine Äußerung über die Zustände im Gefängnis Stadelheim beleidigt. Immerhin bestand da die Möglichkeit, daß bei der Anklage und all dem, was mit dem Verfahren zusammenhing, politische Motive eine Rolle gespielt haben könnten. Ich sage nicht, daß sie eine Rolle gespielt haben. In einem solchen Fall ist es die Pflicht des Parlaments, besonders streng zu prüfen, ob das eingeleitete Verfahren nicht als Waffe im politischen Kampf gemeint ist. Meines Erachtens darf die Immunität, wenn auch nur die Vermutung bestehen kann, daß bei der Anklageerhebung Politisches im Spiele ist, von dem Parlament nicht aufgehoben werden. Hier aber handelt es sich um etwas wesentlich anderes. Wenn die Beschuldigung gegen den Abgeordneten Goetzendorff zuträfe — ich sage nicht, daß sie es tut, ich habe keiner Beweisaufnahme beigewohnt, ich weiß nicht, was die Zeugen sagen —, aber wenn
sie zuträfe, dann wäre der Abgeordnete Goetzendorff ein gemeiner Verbrecher.
Damit aber besteht ein Interesse des Hauses daran, alles zu tun, was den Vorwurf ausschließt, daß es sich zum Teil aus gemeinen Verbrechern zusammensetzt!
Aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff — auch was die Erweiterung der Anklage anbelangt — aufgehoben werden sollte. Im übrigen wundert es mich, daß der Abgeordnete Goetzendorff nicht von dem Privileg Gebrauch macht, das Haus zu bitten, ihm durch Aufhebung der Immunität Gelegenheit zu geben, sich von jedem Verdacht reinigen zu können.