Rede von
Rudolf
Eickhoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf befaßt sich mit der Neuordnung auf dem Gebiete des Handwerks. Es ist schon öfter auf die Unmöglichkeit hingewiesen worden, daß bei uns im Bundesgebiet in den verschiedenen Besatzungszonen noch länger verschiedene Handwerksgesetze Gültigkeit haben. Eine einheitliche für das ganze Bundesgebiet anwendbare Handwerksordnung, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, ist eine dringende Notwendigkeit. In dem Gesetz sollen erstens der Befähigungsnachweis und zweitens die öffentlich-rechtliche Stellung unserer Handwerkskammern verankert werden. Mit meinen politischen Freunden bin ich der Meinung, daß möglichst bald auch die Gewerbezulassung für die einzelnen Wirtschaftszweige bundesgesetzlich geregelt werden muß. Es ist für das Handwerk auf die Dauer unerträglich, daß innerhalb der Bundesrepublik auf diesem wichtigen Gebiet völlig unterschiedliche gesetzliche Vorschriften bestehen. Ich denke in diesem Augenblick nur an Bremen, das z. B. als amerikanisches Besatzungsgebiet die totale Gewerbefreiheit hat, während Niedersachsen, von dem Bremen rings umgeben ist, die Gewerbezulassung den deutschen Verhältnissen gemäß wesentlich anders regelt.
Meine Damen und Herren! Veranlassung zu diesem Wirrwarr haben zweifellos die Befehle der amerikanischen Besatzungsmacht gegeben, durch die um die Jahreswende 1948/49 im wesentlichen für die amerikanische Zone die totale Gewerbefreiheit zwangsweise verordnet wurde. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß man damals auf die starken Bedenken nicht gehört hat, die man von allen maßgebenden deutschen Stellen gegen diesen unseres Erachtens völlig unnötigen Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse Westdeutschlands vorgebracht hat. Mit meinen politischen Freunden stehe ich auf dem Standpunkt, daß die Besatzungsmächte die Regelung derartiger innerdeutscher Fragen, die lediglich innerdeutsche Verhältnisse berühren, doch endlich den demokratischen Instanzen unserer jungen Bundesrepublik überlassen sollte. Auch wir sind selbstverständlich dafür, daß keine unnötigen Einschränkungen auf dem Gebiete der Gewerbezulassung bestehen; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß Deutschland für das Handwerk eine andere Art der Gewerbefreiheit braucht als zum Beispiel Amerika.
Wir begrüßen es, daß auch der Zentralverband des deutschen Handwerks als die Spitzenvertretung von 900 000 Handwerksbetrieben mit über 3 Millionen Beschäftigten jede Art von Bedürfnisprüfung, Kapitalnachweis usw. eindeutig ablehnt. Das Handwerk stellt sich damit auf den Boden der Gewerbefreiheit, allerdings im Sinne des Leistungswettbewerbs der Fachleute. Jeder, der ein Handwerk erlernt hat und seine Meisterprüfung ablegte, soll sich selbständig machen können, wo immer er will. Diese Regelung, die für die britische Zone im Einvernehmen mit der Besatzungsmacht bereits durch die Aufbauverordnung vom 6. Dezember° 1946 geschaffen wurde, hat sich bei uns in der britischen Zone bestens bewährt. Ich weiß auch, welche Schwierigkeiten sich in den Jahren 1945/46 in den Verhandlungen um diese Verordnung der englischen Besatzungsmacht ergeben haben. Die Struktur des deutschen Handwerks ist eben grundverschieden von der des englischen, und erst nachdem die Engländer sich im Laufe von 1 1/2 Jahren von der wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Handwerks überhaupt überzeugt hatten, haben sie dieser Regelung ihre Zustimmung gegeben.
Ich freue mich, daß diese Regelung auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Bei der Regelung des Zulassungsrechts kann eine Abschaffung des großen Befähigungsnachweises des Handwerks, d. h. eine Abschaffung der Vorschrift, daß grundsätzlich die Ablegung der Meisterprüfung Voraussetzung ist für die selbständige Ausübung eines Handwerks und für die Ausbildung von Lehrlingen, gar nicht in Frage kommen. Ich glaube, daß die Forderung des Handwerks nach dem großen Befähigungsnachweis heute wohl von allen Seiten anerkannt und unterstützt wird. Ich freue mich insbesondere, daß auch die Gewerkschaften zu dem Entschluß gekommen sind, für das Handwerk den großen Befähigungsnachweis zu fordern. Besonderen Verhältnissen kann durch Ausnahmebewilligung Rechnung getragen werden, wie dies anerkennenswerterweise heute schon durchweg in großzügiger Weise erfolgt. Aus meiner Praxis als Kreishandwerksmeister kann ich Ihnen sagen, daß Ausnahmebewilligungen für Kriegsbeschädigte, Spätheimkehrer, Flüchtlinge im Laufe der letzten Jahre in reichlichem Maße erteilt worden sind.
Für das Handwerk ist es aber auch von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Frage der Handwerksorganisation wieder einheitlich geregelt wird. Es ist unbedingt erforderlich, daß auch in der amerikanisch besetzten Zone unsere Handwerkskammern wieder Körperschaften mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen werden.