Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Freunde und ich haben den Eindruck, daß dieser Gesetzentwurf kein legales Kind der derzeitigen Wirtschaftspolitik ist.
Wir sind vielmehr der Meinung, daß wir die soziale Marktwirtschaft hier auf einem Seitensprung ertappt haben.
Wenn wir uns darüber freuen, so geschieht das
nicht etwa aus Gründen der Amoral, sondern deshalb, weil wir die allerdings schwache Hoffnung hegen, daß dieser und noch einige weitere schon angekündigte Seitensprünge die soziale Marktwirtschaft vielleicht doch noch auf den richtigen Weg führen.
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz über die Handwerksordnung entspringt einer Notwendigkeit; denn der Zustand, der dadurch eingetreten ist, daß vor allem in der amerikanischen Zone die fast völlige Gewerbefreiheit eingeführt worden ist, ist im Hinblick auf die dadurch hervorgerufene Rechtszersplitterung absolut unerträglich geworden, und das Gefälle in der Zulassung von solchen Betrieben, die in der englischen und französischen Zone nicht zugelassen werden können, in der amerikanischen Zone aber ohne weiteres ihren Betrieb eröffnen können, ist so unnatürlich geworden, daß etwas geschehen muß.
Wir möchten nur hoffen, daß die Hohe Kommission den Willen des Bundestages diesmal respektieren wird und nicht in ähnlicher Weise verfahren wird, wie es die amerikanische Militärregierung getan hat, die über die einheitliche Willenskundgebung beispielsweise der Landtage von Hessen und von Württemberg-Baden mit einem Federstrich hinweggegangen ist und dadurch der Demokratie weiß Gott keinen guten Dienst erwiesen hat.
Denn man konnte sich hier nicht etwa darauf berufen, daß Erfordernisse der Sicherheit der Besatzungsmächte oder Grundsätze der Politik der Besatzungsmächte in Frage stehen. Die Tatsache, daß sowohl die englische wie die französische Besatzungsmacht am Althergebrachten festgehalten haben, beweist, daß es sich hier nur um Eigenwilligkeiten der amerikanischen Besatzungsmacht gehandelt hat, die uns partout die Regelung, die sich in Amerika bewährt haben mag, aufoktroyieren wollte. Das unterschiedliche Recht, das bei uns durch die lange Entwicklung erklärlich ist, während man in Amerika von dem Lizenzierungssystem ausgeht, zeigt sich am deutlichsten an dem uns seinerzeit vorgelegten komischen Katalog der Betriebe, die noch einer Zulassungsgenehmigung bedürfen, in dem der Rechtsanwalt neben dem Hühneraugenoperateur aufgezählt war und der private Kraftfahrer ebenfalls eine Rolle gespielt hat. Nach unserer Auffassung kann es sich bei diesem Gesetz nur um die selbständigen gewerblichen Betriebe handeln.
Wir möchten auch der Version entgegentreten, daß es sich hier um eine Bekämpfung von wirtschaftlichen Machtstellungen handelt. Das Handwerkergesetz und die Handwerksordnung haben weiß Gott nichts mit der Kartellgesetzgebung zu tun. Wir wehren uns dagegen, daß es auf diesen Karren abgeladen wird, wenn man uns hier eine landfremde Diktion aufoktroyieren will.
Infolge der Kürze der Zeit, die seit Vorliegen des Gesetzentwurfes vergangen ist, ist es natürlich nicht möglich, zu allen Einzelheiten Stellung zu nehmen. Ich bitte, die Bemerkungen, die ich zu machen habe, nicht als abschließend und vollzählig anzusehen.
Das Kernstück dieses Gesetzentwurfes ist die Wiedereinführung bzw. in der englischen und französischen Zone die Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises. Hier handelt es sich nicht um eine Forderung aus dem Geiste des National-
sozialismus, sondern hier handelt es sich um eine Forderung, die schon lange, bevor der Nationalsozialismus bei uns zur Macht gekommen ist, von den Handwerkern vertreten worden ist, und es ist eigentlich nur ein Zufall, daß man unter dem nationalsozialistischen Regime mit dieser Forderung zum Zuge gekommen ist.
Es werden erhebliche Bedenken laut — und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß auch in unserer Fraktion Bedenken laut geworden sind —, ob man wieder zum großen Befähigungsnachweis zurückkehren soll. Die Bedenken gehen dahin, daß mit dem großen Befähigungsnachweis vielleicht Mißbrauch im Sinne zünftlerischer, die Konkurrenz einengender Bestrebungen getrieben werden könnte. Wir stellen diese Bedenken zurück und bekennen uns zu der Einführung bzw. Aufrechterhaltung des großen Befähigungsnachweises, weil wir die Bedeutung des Handwerks für unser Volk und für unsere Volkswirtschaft erkennen. Das Handwerk muß durch die Erhaltung von Arbeits- und Produktionsstätten geschützt werden, in denen die Verbindung von Kapital und Arbeit in einer Person gegen die Entwicklungstendenzen des Kapitalismus erhalten geblieben ist. Zum anderen soll das Handwerk für die Zukunft geschützt werden, weil wir sehen, daß in ihm Funktionen erfüllt werden, die die Erziehung unseres Volkes und unserer handwerklich tätigen Menschen zur Qualitätsarbeit gewährleisten,
Funktionen, denen wir ja die Entstehung unserer Industrie und die hervorragenden Leistungen unserer Industrie zu verdanken haben. Schließlich sehen wir in der Erhaltung des Handwerkerstandes, dessen zahlenmäßige Bedeutung schon einer meiner Herren Vorredner erwähnt hat, die gesunde Strukturierung unserer Volkswirtschaft gewährleistet. Diese Erhaltung ist nach unserer Auffassung nur möglich, wenn der Zwang zur Lehre in der Gesetzgebung festgelegt ist und die Befähigung, diesen Gewerbezweig auszuüben, durch Prüfung nachgewiesen werden muß.
Wir müssen allerdings dafür sorgen — das wird der Ausschußberatung vorbehalten bleiben —, daß Mißbräuche vermieden werden. Der Katalog der handwerksmäßig zu betreibenden Gewerbe muß sich nach unserer Auffassung auf die Fälle beschränken, in denen das Interesse der Allgemeinheit die Aufrechterhaltung eines hohen Leistungsstandards erfordert. Beim Handwerk haben sich eine ganze Reihe von unternehmerischen Tätigkeiten angesammelt, die dort nicht hingehören und die durch dieses Gesetz zu schützen keineswegs im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Prüfungen dürfen auch nicht mißbraucht werden, um auf diesem Umwege die Frage des Bedürfnisses zum Tragen zu bringen. Ich glaube, wir werden uns im Ausschuß sehr darüber unterhalten müssen, ob wir nicht bei der Prüfungstätigkeit den Staat in stärkerem Maße, als es in diesem Gesetz vorgesehen ist, einschalten müssen, beispielsweise dadurch, daß ein Staatskommissar bei den Prüfungen zugegen sein muß. Es muß auch dafür gesorgt werden, daß auch Unbemittelte diese Prüfungen ablegen können. Wir hören allerorts die Klage, daß eine Reihe von Leuten die Prüfung einfach nicht ablegen können, weil sie einmal nicht die Mittel haben, sich dem Prüfungskurs zu unterziehen, und nachher nicht die Mittel haben, um die Materialien für das Meisterstück zu bezahlen. Auch hier muß geholfen werden, damit die Ablegung der Meisterprüfung nicht das Privileg einer bestimmten Schicht wird.
In § 28 Abs. 2 ist eine merkwürdige Simultanzulassung vorgesehen. Es heißt dort, daß einer, der die Befähigung für e i n Handwerk nachgewiesen hat, sich nun auch in anderen Handwerken betätigen darf. Ich halte das für einen unverständlichen Bruch der Konzeption, die überhaupt nur durch den großen Befähigungsnachweis zum Tragen gebracht werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum ein Konditormeister das Recht haben soll, nun auch noch einen Schuhmacherbetrieb nebenher zu führen, obgleich er nicht das Mindeste davon versteht. Wenn man das konzediert, muß man die völlige Gewerbefreiheit einführen. Vielleicht handelt es sich hier aber auch nur um einen redaktionellen Fehler.
In § 30 sind die Ausnahmebestimmungen enthalten, wonach die Staatsbehörde Ausnahmen von dem großen Befähigungsnachweis bewilligen darf. Wir sind der Meinung, daß das Gesetz selbst Anweisungen enthalten sollte, für welche Gruppen im besonderen und bevorzugt diese Ausnahmen angewandt werden sollten. Es ist dabei an die große Gruppe der Heimatvertriebenen zu denken, an die Gruppe der Spätheimkehrer, aber auch an die Gruppe derer, die sich lange Jahre in der Branche zur Zufriedenheit betätigt haben, langjährige Gesellen oder andere, die in der Industrie als Arbeiter in dieser Branche tätig waren und dadurch die Fähigkeit, diesen Beruf auszuüben, nachgewiesen haben.
Die im Gesetz vorgesehene Regelung über die inzwischen — und zwar in der amerikanischen Zone — zugelassenen Gewerbetreibenden ist nicht ganz befriedigend. Es ist vorgesehen, daß sie in die Handwerksrolle eingetragen werden müssen und damit auch die Berechtigung haben, Lehrlinge auszubilden. Ich glaube, man sollte hier einer etwas strengeren Maßstab anlegen und ihnen auferlegen, eine Prüfung nachträglich abzulegen, oder sie im Wege der Ausnahmebestimmungen zulassen, weil sich gerade bei uns in der amerikanischen Zone auf Grund dieses Ausnahmerechts doch mancher niedergelassen hat, der nach unserer Auffassung zumindest nicht das Recht bekommen sollte, Lehrlinge auszubilden.
Sehr bedenklich ist die Bestimmung über die handwerklichen Hilfs- und Nebenbetriebe der öffentlichen Hand. Es ist vorgesehen, die handwerklichen Hilfs- und Nebenbetriebe der öffentlichen Hand genehmigungspflichtig zu machen, und zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes auch die Betriebe, die bereits bestehen. Nach der Begründung zu § 39 — „zur Förderung der Selbständigmachung und zur Vermeidung der Aufsaugung des Handwerks durch wirtschaftliche Großunternehmungen und durch wirtschaftlich Stärkere" — müßte man logischerweise fordern, daß diese handwerklichen Nebenbetriebe auch in den privaten Großbetrieben verboten oder genehmigungspflichtig gemacht würden, ein Schritt, vor dem man sich offensichtlich gescheut hat. Wir haben große Bedenken, dieser Bestimmung zuzustimmen, weil nach unserer Auffassung diese handwerklichen Nebenbetriebe zu einem erheblichen Teil einfach unentbehrlich sind und ihre Zulassung vielleicht auch eine ganz gute preisregulierende Maßnahme darstellt.
Nun noch — meine Redezeit ist abgelaufen — ein kurzes Wort zu der Frage der Organisation. Die Zusammensetzung der Handwerkskammern aus Gesellen und Meistern, mit einem Drittel Gesellen und zwei Dritteln Meistern, entspricht nicht unserem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1229; darüber wird im Ausschuß noch zu reden sein. Das Gesetz enthält auch keine Bestimmung darüber, in welchem Umfange sichergestellt wird, daß die Gesellen auch am Präsidium der Handwerkskammern beteiligt sind. Darauf müssen wir im Hinblick auf die frühere gesetzliche Regelung Wert legen. Auch bei den anderen Organisationen, den Innungen, Handwerkstagen und Kreishandwerkschaften ist keine Vorsorge dafür getroffen, daß Arbeitnehmer diesen Organisationen angehören und damit die Rechte der Arbeitnehmer auch im Handwerk sichergestellt werden. Auch hier wird eine Verbesserung des Gesetzes notwendig werden.
Nun noch ein letztes Wort, meine Damen und Herren. Das Gesetz allein wird es nicht schaffen, das Handwerk wieder zu der Blüte zu bringen, die wir ihm wünschen. Wir möchten durch organisatorische Maßnahmen erreichen, daß das Handwerk im Bundeswirtschaftsministerium stärker als bisher vertreten ist, nicht nur durch ein Referat, sondern durch eine Abteilung, damit das Handwerk bei der Zuteilung von Krediten und vielleicht auch bei der Zuteilung von Rohstoffen, wenn das einmal wieder notwendig werden sollte, besser als jetzt und in der Vergangenheit berücksichtigt wird.
Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Trotz erheblicher Bedenken und erheblicher Abänderungswünsche stimmen wir der Vorlage im Grundsatz zu, nicht etwa, um einen Berufsstand als solchen besonders hervorzuheben und zu schützen, sondern deshalb und soweit, als dadurch Interessen der Allgemeinheit gewahrt werden.