Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits die ersten, jetzt vorliegenden Ergebnisse der amtlichen Handwerks-
zählung vom 1. Oktober 1949 zeigen den imponierenden Anteil des Handwerks an der Gesamtwirtschaft in den Ländern des Bundesgebiets. In nahezu 900 000 Betrieben und Unternehmungen beschäftigt es weit mehr als 3 Millionen Menschen. Die Stellung des Handwerks darf nicht gemindert und seine Leistungen können nicht entbehrt werden, wenn anders nicht großer Schaden für die Gesamtheit entstehen soll. Auch für die Aufrechterhaltung, Entwicklung und Steigerung einer hochwertigen industriellen Fertigungsarbeit kann auf das Handwerk nicht verzichtet werden. Es ist der klassische Träger des Ausgleichs und des berufsgemeinschaftlichen Gedankens. Es ist Mittler zwischen Kapital und Arbeit. In ihm vollzieht sich unauffällig und unaufhörlich der Aufstieg der sozial und wirtschaftlich Unselbständigen zu wirtschaftlich selbständigen Existenzen. Es ist aus der deutschen Welt nicht wegzudenken.
Die Zerstörung der in Jahrhunderten entwickelten und gewachsenen bewährten berufsständischen Grundlagen der Organisation wie des beharrlichen Leistungs- und Ausbildungsstrebens des Handwerks in großen Bereichen des Bundesgebiets durch eine Besatzungsmacht hat nicht nur die unmittelbar betroffenen Teile des Handwerks schwer beeinträchtigt und gefährdet, sondern das gesamte Handwerk in Mitleidenschaft gezogen und die Gefahr heraufbeschworen, daß es seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle und Aufgabe nicht in der bisherigen Weise spielen und erfüllen kann.
Die Bayernpartei, die jede klassenkämpferische — sei es hochkapitalistische, sei es proletarische — Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ablehnt und in einer bürgerlich-mittelständischen Gestaltung des Lebens, die auch den Arbeiter als Mitarbeiter einbezieht, die Voraussetzung für eine Beruhigung der bestehenden Spannungszustände und Schwierigkeiten erblickt, begrüßt und unterstützt mit Nachdruck jede Initiative, welche die rasche Wiederherstellung der Grundlagen der bewährten Lebens- und Arbeitsordnung des Handwerks zum Gegenstand und zum Ziele hat. Daher auch hat die Fraktion der Bayernpartei am 6. Juni dieses Jahres die in den Drucksachen Nrn. 1016 und 1017 enthaltenen Anträge gestellt.
Die Verwirklichung der Grundgedanken einer Handwerksordnung durch die Bundesgesetzgebung muß sich auf das Notwendige beschränken, dem föderalistischen Prinzip des Grundgesetzes Rechnung tragen und die Regelung der Einzelheiten nach Maßgabe der in den verschiedenen Ländern besonders gelagerten Verhältnisse der Gesetzgebung der Länder überlassen.