Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als vor mehr als 150 Jahren nach der Französischen Revolution
die alte Zunftordnung aufgelöst und die absolute, völlige Gewerbefreiheit auch in Deutschland verwirklicht wurde, ist das Handwerk einen bedauerlichen Weg gegangen. Erst vor 100 Jahren, als Adolf Kolping dem Handwerk Mut einflößte und dafür sorgte, daß ein anderer Geist in das Handwerk hineingetragen wurde, sind in Verfolg dieser Aufmunterung neue Kräfte mobil geworden. Erst in den neunziger Jahren hat man sich gesagt, daß es so nicht weitergehen könne, daß Handwerkerschutzgesetze geschaffen werden müßten. Dann hat sich in den neunziger Jahren der damalige Reichstag mit diesen Dingen beschäftigt, und es war kein anderer als der Schüler Kolpings, Schreinermeister Jakob Euler aus Köln, der damals im Reichstag für das erste Handwerkerschutzgesetz eingetreten ist.
Dieses erste Handwerkerschutzgesetz hatte eine ganze Reihe Novellen zur Folge. Zunächst wurden im Jahre 1900 die Handwerkskammern gegründet, die in diesem Jahre ihre Fünfzigjahrfeier begingen. Dann wurden das Lehrlingswesen und der Meistertitel gesetzlich fundiert. Der kleine Befähigungsnach weis wurde eingeführt. Auch später, in der Weimarer Zeit, wurden Handwerkergesetze geschaffen und die Eintragung in die Handwerksrolle zur Pflicht gemacht. Erst 1935 kam dann der große
der vom Handwerk schon immer gefordert wurde. Wenn nicht die seinerzeitigen politischen Umstände mit den vielen Reichstagsauflösungen und der Umsturz gekommen wären, wäre der große Befähigungsnachweis schon vom alten Reichstag verabschiedet worden.
Was uns der heutige Entwurf bietet oder bieten soll, ist für die britische Zone an und für sich nichts Neues, nichts Besonderes, und auch in weiten Kreisen der französischen Zone materiell keine Besserstellung. Der Entwurf will lediglich das Chaos beseitigen, das sich seit der amerikanischen Anordnung aus dem Jahre 1949 in der US-Zone breitmacht. Ich glaube, man ist überall der Auffassung, daß ein Handwerkerschutzgesetz oder ein Handwerkergesetz auf Bundesebene geschaffen werden muß; darüber besteht wohl in fast allen Parteien eine gewisse Einmütigkeit. Der Beweis dafür war ja auch die Verabschiedung des Gewerbezulassungsgesetzes im Wirtschaftsrat, wo sich alle maßgebenden Parteien fast einstimmig für den großen Befähigungsnachweis und für dieses Gesetz eingesetzt haben. Die Notwendigkeit einer solchen Gesetzgebung ist also den meisten bekannt. Sie alle wissen, daß der hohe Leistungsstand in unserem deutschen Vaterland zum Teil nur darauf zurückzuführen war, daß wir in Deutschland eben noch eine festgefugte Handwerksordnung kannten, die Spitzenleistungen im Gewerbe außerordentlich förderte. Es ist immerhin interessant, daß deutsche Facharbeiter mit Meisterprüfung in Amerika und anderen Ländern, in denen es kein Handwerksrecht und keine Handwerksordnung gibt, begünstigt wurden und daß ihnen die Einreise in früheren Jahren immer erleichtert wurde.
Ich möchte wünschen, daß Sie alle diesem vorgelegten Gesetzentwurf Ihre Zustimmung geben. Gewiß mag an den einzelnen Paragraphen kritisiert werden können, man mag auch Abänderungsanträge stellen, aber heute bei der ersten Lesung dreht es sich ja nicht um einen festgefugten Entwurf, sondern es geht darum, diesen Entwurf in den Ausschüssen zu bearbeiten und zu beraten und, wo es notwendig ist, eventuell zu verfeinern.
Das Handwerk hat an den Staat kaum materielle Forderungen wie andere Stände, die zum Teil Subventionen usw. erhalten haben, gestellt. Im Gegenteil, das Handwerk hat dem Staat allerhand Kosten erspart und dem Staat im Laufe der Jahrzehnte durch seine billigen Ausbildungsmöglichkeiten viel gegeben. Wenn man bedenkt, daß ein Lehrling, der in irgendeiner Werkstätte ausgebildet wird, beispielsweise bei der Eisenbahn oder sonstwie in einem Großbetrieb, immerhin einen Zuschuß von jährlich rund 800 DM benötigt, dann kann man ermessen, welch wirksame Kraft im Handwerk vorhanden ist. Immerhin gehen mehr als 70 % der Lehrlinge, die ausgebildet werden, durch das Handwerk.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen denen, die sich für Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises eingesetzt haben, unseren herzlichsten Dank aussprechen. Vor allen Dingen möchte ich als führender Mann im Handwerk diesen Dank gegenüber unserem Bundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister Erhard zum Ausdruck bringen, der anläßlich der vielen Kundgebungen bei der Fünfzigjahrfeier des Handwerks immer wieder betont hat, daß für das Handwerk gesetzlich eine Sonderregelung kommen muß und daß die Regierung sich dafür einsetzen wird. Wir haben es nicht verstanden, daß die Militärregierung im Jahre 1949 für die US-Zone eine Sonderregelung getroffen und die völlige Gewerbefreiheit eingeführt hat. Ich möchte aber auch betonen, daß gerade die CDU sich stärkstens für die mittelständischen Kreise, vor allen Dingen für das Handwerk einsetzt und den vorliegenden Entwurf auf das herzlichste begrüßt. Sie wird ihm auch die Zustimmung geben. Was besonders für die US-Zone neu ist, ist soeben bereits in der Begründung gesagt worden, nämlich daß bei der Organisation auch die Gesellenbeteiligung verankert ist und daß die Handwerkskammern zu einem Drittel aus Gesellen bestehen, was immerhin nach dem Kriege eine fortschrittliche Erscheinung ist und was sich in der britischen Zone — ich kann das aus eigener Erfahrung in dem Kölner Handwerkskammergebiet sagen — auch bestens bewährt hat.
Somit, meine Damen und Herren, möchte ich Sie bitten: geben Sie diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung, ohne sich dahin festzulegen, daß Sie in allen Punkten mit diesem Entwurf einig gehen. Ich hoffe aber, daß, wenn dieser Entwurf in Kürze endgültig verabschiedet wird, das Gesetz sich zum Wohle des Handwerks und zum Wohle des deutschen Volkes auswirken wird.