Rede von
Willy
Brandt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion schlägt vor, die zweite Lesung dieses Gesetzentwurfs von der Tagesordnung abzusetzen und den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Jugendfürsorge zurückzuverweisen und ihn außerdem an den Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen. An den letztgenannten Ausschuß darum, weil diesem Auschuß Gelegenheit gegeben werden soll, zu dem Gegenstand vom Standpunkt der bestehenden Gesetze und Verordnungen, vor allem der Länder, Stellung zu nehmen.
Mit dem § 15 dieses Entwurfes würde die Polizeiverordnung aus dem Jahre 1943 aufgehoben. In einem anderen Paragraphen werden Länder- und Kommunalbehörden bestimmte Befugnisse übertragen. Nun ist erstens die Himmlersche Verordnung aus dem Jahre 1943 in ihrem Rechtsbestand zweifelhaft und in einigen Fällen durch landesgesetzliche Regelung abgelöst worden, und zweitens erscheint es allgemein sinnvoll, festzustellen, was sonst noch an Landes- und reichsgesetzlichen Regelungen vorhanden ist. Diese Prüfung erscheint uns um so zweckmäßiger, als es ja gemeinsames Bestreben sein müßte, Schwierigkeiten mit dem Bundesrat vorzubeugen, da der Gegenstand nach Art. 74 des Grundgesetzes zum Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung gehört.
Wir möchten aber auch die Zurückverweisung an den Jugendausschuß beantragen, um den Jugendausschuß zu bitten, sich zu überlegen, ob die sachlich erforderlichen Bestimmungen dieses Gesetzes nicht besser in das zu überarbeitende Jugendwohlfahrtsgesetz eingebaut werden können. Ich bitte, doch zu bedenken, daß es sich hier um das erste Gesetz für die deutsche Jugend handeln würde.
— Das ist die Begründung dafür, warum wir die Rückverweisung beantragen.
Da es sich um das erste Gesetz für die deutsche Jugend handeln würde, das von einem Großteil dieser Jugend — ich lasse dahingestellt, ob mit oder ohne Recht — als ein Gesetz gegen die Jugend aufgefaßt werden könnte, bitten wir Sie sehr, zu prüfen, ob die notwendigen restriktiven Maßnahmen von diesem Hohen Hause nicht zusammen mit den positiven jugendpflegerischen, jugendfürsorgerischen und den übrigen Jugendmaßnahmen für die schwerbedrängte Jugend in unserem Lande erörtert werden können.
Darum bitten wir Sie, dem Antrag auf Rückverweisung an den Jugendausschuß und auf Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung zuzustimmen.