Rede von
Dr.
Hermann
Höpker-Aschoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 vom 23. Juni 1950 ist bis zum 30. September dieses Jahres befristet. Man hat es befristet in der Hoffnung, daß bis zu diesem Termin der Haushaltsplan verabschiedet sein würde. Da diese Hoffnung sich nicht verwirklicht hat, ist eine Verlängerung dieses Gesetzes notwendig.
Die Regierung hat vorgeschlagen, das Gesetz bis zum Ende dieses Jahres zu verlängern. Der Haushaltsausschuß, dem dieses Gesetz zur Beratung
überwiesen war, hat der Verlängerung des Gesetzentwurfs zugestimmt. Im Ausschuß ist die Frage erörtert worden, ob das Gesetz nicht noch weiter verlängert werden sollte, nämlich bis zum 31. Januar 1951, da die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen sei, daß es nicht gelingen würde, den Haushaltsplan noch im Laufe des Kalenderjahres zu verabschieden, wodurch eine weitere Verlängerung dieses Gesetzes notwendig werden würde. Der Haushaltsausschuß hat indessen in seiner Mehrheit eine weitere Verlängerung des Gesetzes abgelehnt. Die Mehrheit des Ausschusses möchte an der Hoffnung festhalten, daß es doch noch gelingen werde, den Haushaltsplan im Laufe dieses Kalenderjahres zu verabschieden. Man war weiter der Meinung, daß die Befristung dieses Gesetzes bis zum Ende des Kalenderjahres vielleicht einen heilsamen Druck zur schnellen Beratung des Haushaltsplans auslösen könnte.
Dann ein zweites. Nach § 3 des Gesetzes vom 23. 6. 1950, also des Gesetzes, um dessen Verlängerung es sich handelt, ist die Zustimmung des Haushaltsausschusses erforderlich, wenn Sachausgaben für neue Aufgaben im Betrage von mehr als 300 000 DM geleistet werden sollen. Der Regierungsentwurf schlägt vor, diese Summe auf 500 000 DM zu erhöhen. Der Haushaltsausschuß hat diese Erhöhung abgelehnt und schlägt Ihnen vor, es bei der bisherigen Regelung zu belassen.
Zum dritten — das ist vielleicht der wichtigste Punkt dieses Verlängerungsgesetzes —: es wird von der Regierung eine Erhöhung der Kreditermächtigung von bisher 1,5 Milliarden auf 2 Milliarden erbeten. Meine Damen und Herren! Es ist hier darauf hinzuweisen, daß die Höhe dieser Kreditermächtigung und der sogenannte Kredit- q plafond, der dem Finanzministerium bei der Bank deutscher Länder zur Verfügung steht, zwei verschiedene Dinge sind. Wenn wir, da der Kreditplafond bei der Bank deutscher Länder zur Zeit 1,5 Milliarden beträgt, dem Finanzminister eine Kreditermächtigung geben, die über 1,5 Milliarden hinausgeht, so kann das gleichwohl einen guten Sinn haben. Denn der Finanzminister kann seinen Kredit nicht nur bei der Bank deutscher Länder aufnehmen, sondern er kann sich unter Umständen Kassenkredite auch am Geldmarkt beschaffen. Das ist in der Vergangenheit bereits geschehen. Im Haushaltsausschuß ist die Frage eingehend erörtert worden, ob es zweckmäßig oder notwendig sei, die sehr erhebliche Kreditermächtigung von 1,5 Milliarden noch um weitere 500 Millionen DM zu erhöhen.
Ich darf auf einige Zahlen hinweisen. Bis Ende August hatte der Finanzminister von dieser Kreditermächtigung in folgendem Umfang Gebrauch gemacht. Es waren Schatzwechselkredite in Anspruch genommen in Höhe von 431,3 Millionen DM; es waren Kassenkredite bei der Bank deutscher Länder in Anspruch genommen in Höhe von 799,8 Millionen DM, und es war endlich ein kurzfristiger Kassenkredit bei dem Ausgleichsfonds in Höhe von 200 Millionen DM aufgenommen worden, insgesamt also 1431,1 Millionen DM. Ende August war also die Spanne, die dem Finanzminister zur Verfügung stand, nicht mehr allzugroß.
Nun bedürfen, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang — denn die Frage ist ja von einiger Bedeutung — noch zwei besondere Manipulationen, die im Juni und Juli vorgenom-
men worden sind, der besonderen Erwähnung. Ober die eben erwähnten Kredite hinaus hat der Finanzminister im Juni dieses Jahres noch einen Lombardkredit von 147 Millionen DM bei den Landeszentralbanken in Anspruch genommen, indem er zum ERP-Vermögen gehörende Schuldverschreibungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die dem ERP-Vermögen dadurch zugefallen waren, daß 200 Millionen DM Gegenwerte der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Verfügung gestellt waren, lombardierte. Es wurde darauf hingewiesen, daß auch eine solche Kreditaufnahme nur im Rahmen der gesetzlichen Kreditermächtigung zulässig sei. Diese Voraussetzung war im Juni gegeben. Der Kredit ist inzwischen abgedeckt worden.
Dann aber noch eine zweite Manipulation. Der Herr Bundesfinanzminister hat, da sein Geldbedarf im Juni außergewöhnlich groß war, zum ERP-Vermögen gehörige 360 Millionen DM Bundesanleihe, die dem ERP-Vermögen dadurch zugefallen waren, daß 360 Millionen DM Gegenwerte der Bundesbahn zur Verfügung gestellt waren, an die Bank deutscher Länder verkauft. Inzwischen sind im Juli 100 Millionen DM zurückgekauft worden. Diese Geldbeschaffung überschritt damals die gesetzliche Kreditermächtigung von 1,5 Milliarden. Der Haushaltsausschuß hat das gleichwohl nicht beanstandet, weil der Geldbedarf im wesentlichen dadurch ausgelöst wurde, daß die Bundesrepublik aus dem bilateralen Abkommen von 1948 resultierende alte Verpflichtungen gemäß dem bilateralen Abkommen von 1949 und seinen Zusatzverträgen erfüllen mußte und daher kaum etwas dagegen einzuwenden ist, wenn diese
Verpflichtungen mit Mitteln des ERP-Vermögens abgedeckt werden.
Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit wurde aber im Ausschuß noch einmal grundsätzlich ,darauf hingewiesen, wie notwendig es sei, bei der künftigen Verabschiedung des Haushaltsplans die anfallenden DM-Gegenwerte als Einnahmen in den Außerordentlichen Haushalt einzustellen, was bisher der Herr Bundesfinanzminister anscheinend nicht getan hat, um dem Parlament die erforderliche Kontrolle über die Verwendung dieser DM-Gegenwerte zu sichern und insbesondere auch eine Nachprüfung der mit der Verwaltung des ERP-Vermögens zusammenhängenden Manipulationen durch den Haushaltsausschuß zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, ich kehre zu meinem Ausgangspunkt zurück. Ende August eine Inanspruchnahme des Kassenkredits in Höhe von 1431 Millionen! Woraus erklärt sich dieser außergewöhnlich hohe Kassenbedarf? Die Hauptgründe sind folgende. Aus der Umstellung, dem Übergang der Einnahmen von den Ländern auf den Bund, haben sich eine Reihe von Umstellungsschwierigkeiten ergeben. Die Länder sind mit ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bund im Rückstand. Die 240 Millionen, die die Länder schon im Rechnungsjahr 1949 als Beitrag an den Bund zu zahlen hatten, sind bisher nicht gezahlt worden. Die Länder haben auch die Interessenquoten, die sie gemäß dem Überleitungsgesetz zu zahlen haben, in den ersten Monaten dieses Jahres nicht geleistet. Außergewöhnlich hohe Anforderungen der ECA-Verwaltung aus den bilateralen Abkommen von 1948 und 1949 sind an den Bundesfinanzminister herangetreten. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß der Bundesfinanzminister bei den GARIOA-Lieferungen und ERP-Lieferungen für Zahlung einzustehen hat, während die DM-Gegenwerte selbst mit Verspätung eingehen, nämlich dann, wenn die Importe an die deutschen Importeure weitergegeben werden.
Inzwischen ist eine gewisse Beruhigung eingetreten. Uns wurde im Finanz- und Steuerausschuß gesagt, daß die Inanspruchnahme des Kassenkredits bis Ende September auf 1365 Millionen zurückgegangen sei. Immerhin ist auch das, 1365 Millionen gegenüber einer Kreditermächtigung von 1,5 Milliarden, ein außerordentlich geringer Spielraum, der dem Bundesfinanzminister noch zur Verfügung steht. Die Bundesregierung hat darauf hingewiesen, daß eine Erweiterung des Spielraums aus folgenden Gründen eine unbedingte Notwendigkeit sei. Einmal ist mit weiteren Anforderungen der ECA-Verwaltung zu rechnen. Außerdem muß eine Getreidereserve aus GARIOA- und ERP-Lieferungen aufgebaut werden. Drittens — und das ist ein besonders bedenklicher Punkt — haben wir in der nächsten Zeit mit erheblichen kassenmäßigen Mehranforderungen für Besatzungskosten zu rechnen, die damit zusammenhängen, daß die Besatzungstruppen in Westdeutschland verstärkt werden. Diese Anforderungen machen sich schon heute kassenmäßig bemerkbar. Es ist darüber hinaus auch von den Hohen Kommissaren angekündigt worden, daß uns ein Nachtragshaushalt, der eine Erhöhung der Besatzungskosten vorsieht, vorgelegt werden wird.
Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hat sich diesen Gründen nicht verschlossen und daher grundsätzlich einer Erhöhung der Kreditermächtigung zugestimmt. Sie war aber der Meinung, daß das Parlament die Kontrolle nicht aus der Hand geben sollte. Der Ausschuß schlägt Ihnen infolgedessen in dieser Hinsicht vor, die Kreditermächtigung nicht schlechthin zu erhöhen, wohl aber dem Finanzminister die Möglichkeit zu geben, die Kreditermächtigung von heute 1,5 Milliarden um 500 Millionen mit Zustimmung des Haushaltsausschusses zu überschreiten, der dann jederzeit zu einer Nachprüfung des Kassenbedarfs in der Lage ist.
Mit diesen vorgetragenen Änderungen schlägt Ihnen der Haushaltsausschuß die Annahme der Regierungvorlage vor.