Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich habe gegen den Entwurf Bedenken. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemals praktisch werden kann. Man hat ihn aus der jetzt etwas verstaubten Kiste des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes herausgeholt. Dort spielte er eine Rolle für die Staatliche Erfassungsgesellschaft, die STEG. Man wollte die Haftung der Abgeordneten des Wirtschaftsrats, die in die Verwaltungsorgane der STEG entsandt worden waren, beschränken. Ich kann mir nicht denken, daß sich ein solcher Fall für den Bundestag wiederholt. Es ist kaum vorstellbar, daß Abgeordnete des Bundestages in Aufsichtsräte oder in den Vorstand öffentlicher oder privater Aktiengesellschaften entsandt werden; aber das kann dahingestellt bleiben.
Auf jeden Fall paßt dieser Entwurf nicht in die Struktur unseres bürgerlichen Rechts und unseres Handelsrechts.
Das Aktienrecht hat besonders scharfe Haftungsbestimmungen für die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates begründet. Man hat gesagt, daß der gehobenen Stellung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates auch eine erhöhte Verantwortlichkeit entsprechen muß. In diesem Entwurf will man den entgegengesetzten Weg gehen. Wer ein Amt übernimmt, muß es ausfüllen; das ist doch eine selbstverständliche Pflicht. Ich möchte fast sagen: wer es ehrenamtlich übernimmt, hat eine gesteigerte Verpflichtung, seine Pflicht zu tun. Es ist doch pädagogisch falsch, jemanden in ein Organ zu schicken und ihm von vornherein zu sagen: haften wirst Du nur - na, wenn Du kriminell wirst, wenn Du vorsätzlich Deine Pflichten verletzt.
Das paßt auch nicht zu der Haftung, die wir für die Beamten, beispielsweise im Beamtengesetz, aufgestellt haben. Jeder Beamte hat Regreßansprüche zu erwarten, es sei denn, daß er sich lediglich fahrlässig verhalten hat. Hat er grob fahrlässig, hat er vorsätzlich gehandelt, dann muß er dafür einstehen. Der Grundbuchrichter haftet für den Schaden, den er anrichtet, und zwar für jeden Schaden.
Ich halte es also nicht für möglich, daß man eine derartige Privilegierung der Abgeordneten durchführt, wie sie hier in dem Gesetz vorgesehen ist. Zumindest müßte von der Freistellung auch grob fahrlässiges Verhalten ausgenommen werden. Wenn Sie die Bestimmung für erforderlich halten, dann möchte ich vorschlagen, in dem letzten Halbsatz nach „vorsätzlich" die Worte „oder grob fahrlässig" einzufügen, und technisch möchte ich vor-
schlagen, nicht von „den Abgeordneten" zu sprechen, sondern von „einem Abgeordneten", also den § 1 so zu fassen:
Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, der im Auftrage oder auf Vorschlag des Deutschen Bundestages als Mitglied des Aufsichtsrats oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft des privaten oder öffentlichen Rechts tätig wird, hat, sofern er aus dieser Tätigkeit haftbar gemacht wird, gegen die Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf Ersatz des ihm daraus entstehenden Schadens, es sei denn, daß er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.