Rede von
Johannes
Degener
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Bestimmung der Ihnen vorliegenden Gesetzesvorlage ist bei der Beratung im Ausschuß für Sozialpolitik so umstritten gewesen wie die, die eben Herr Abgeordneter Kollege Richter mit der von ihm im Ausschuß geübten Zähigkeit und mit dem gleichen Temperament behandelt hat. Die von ihm vertretene Meinung ist in den Ausschußberatungen unterlegen, weil sich doch zeigte, daß grundsätzliche Gegensätze bestanden; und ich hoffe, daß es allgemein zu den Tugenden gezählt wird, ehrenvoll unterliegen zu können.
— Bis jetzt ist die Debatte sachlich verlaufen, und ich möchte hoffen, daß sie auch weiterhin sachlich verläuft. Ich glaube nämlich, daß wir schneller zur Erkenntnis des Notwendigen kommen, wenn wir auf den geschichtlichen Rückblick verzichten und uns klarmachen, vor welchen Aufgaben wir auf dem Gebiete der Sozialversicherung zukünftig stehen. Wenn wir uns klarmachen, ob es gut ist, angesichts dieser zukünftigen Aufgaben die Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen in eine hoffnungslose Minderheit zu bringen, sie aus der Verantwortung im Aufgabengebiet der Sozialversicherung schlechthin zu entlassen
— ich glaube, das ist das Wesentliche —, wenn man sie nur mit einem Drittel in den Organen beteiligt, dann kann man sie auch ebenso gut herauslassen.
Der Herr Kollege Richter selbst hat ja heute bei einem anderen Punkt der Tagesordnung auf die Not derjenigen hingewiesen, für die die Sozialversicherung, in diesem Fall die Rentenversicherung, sorgen soll; er hat auf die unverhältnismäßig niedrige Höhe der Invalidenrenten usw. hingewiesen, und er hat geglaubt, man könne das Problem dadurch lösen, daß man bei beiden Rentenversicherungseinrichtungen — da die Beiträge gleich sind — auch die Leistungen gleichsetzt; er hat das als außerordentlich einfach geschildert. Ja, wenn man von dem Grundgedanken der Versicherung und den Wesensmerkmalen einer Versicherung vollkommen abweicht und lediglich den gegenwärtigen anormalen Zustand zugrunde legt, daß das, was bei der Deckung des Risikos fehlt, vom Staat, von der Allgemeinheit übernommen wird, dann kann man wohl zu einem solchen Standpunkt kommen. Aber wir haben uns, glaube ich, bei dem Aufbau der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung von ganz anderen Grundsätzen leiten zu lassen. Es muß doch mindestens das Ziel sein, durch den Einsatz der Selbstverwaltungsorgane den Versicherungsgedanken wiederum zum Tragen zu bringen. Wenn wir das wollen, dann haben wir uns eben von dem Grundgedanken leiten zu lassen: Ich versichere mich gegen ein Risiko, ich habe für die Deckung zu sorgen.
Welche Aufgabe hat denn die Sozialversicherung schlechthin? — Sie hat die einzige Aufgabe, denen, die sich nicht durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft ihren Lebensunterhalt sichern können, nun auf dem Wege dieser Versicherung den Lebensunterhalt zu schaffen. Das ist aber eine Gemeinschaftsaufgabe der Wirtschaft.
Wenn wir das anerkennen, dann kommen wir zum Prinzip der Sozialpartnerschaft, und wenn wir dabei sind, wissen wir auch, daß wir den Grundsatz der Parität anzuwenden haben. Es hat gar nicht viel Wert, darüber zu streiten, ob der Arbeitgeberbeitragsanteil in der Versicherung so oder so hoch ist und ob er tatsächlich nichts anderes ist als ein einbehaltener Lohn- oder Gehaltsanteil. Nennen wir die Dinge doch einfach so: die Summe, die von Arbeitgeberseite für Sozialversicherungszwecke eingesetzt wird, kommt aus dem Betriebsergebnis, und das Betriebsergebnis kommt ja erst durch das Zusammenwirken beider Faktoren zustande. Wenn wir so folgern, dann können wir die Nebenargumente über die Beitragshöhe, über das Herkommen des Lohnes völlig beiseitelassen. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich eben auf den Standpunkt gestellt: Hier liegt eine wichtige Gemeinschaftsarbeit beider Teile in der Wirtschaft vor; deshalb muß und soll die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane paritätisch erfolgen.
Ein Wort zu der Befragung durch die Gewerkschaften. Wenn ich jemandem, der da vor der Tatsache steht, daß er möglicherweise nur einen halben Mitwirkungsgrad erhält, die Frage vorlege: Möchtest du lieber den ganzen?, dann ist es mir ziemlich klar, Herr Kollege Richter, daß die Antwort lautet: Natürlich will ich die alleinige Entscheidung.
— Nein. Ich will nur auf folgendes hinaus: Hätte man Gelegenheit genommen, den hier Beteiligten, den Befragten auch die Argumente der Gegenseite klarzumachen, ihnen zu sagen, warum die Parität sein soll, dann, glaube ich, wäre das Ergebnis doch ein etwas anderes gewesen. Mir sind aber sogar einige Fragebogen vorgelegt worden, in denen die Behauptung aufgestellt war, wir hätten in der Vergangenheit bei der Rentenversicherung die Zusammensetzung zwei Drittel zu einem Drittel gehabt. Das stimmt ja gar nicht. Wir haben in der Rentenversicherung zu allen Zeiten die Parität gehabt. Auch hier könnte man ja sagen, daß die Befragten bei der Beantwortung von zum Teil falschen Voraussetzungen ausgegangen sind. Das will ich gar nicht. Mir lag nur daran, dem Hohen Hause klarzumachen, daß wir auf Grund der Kriegsfolgen mit unserer ganzen Sozialversicherung in eine eminent schwierige Zeit hinein-
kommen, in der es darauf ankommt, den Weg zum Versicherungscharakter zurückzufinden und in seinem Rahmen soweit als irgend möglich die Aufgaben in gemeinsamer Arbeit mit den Arbeitgebern zu lösen. Wenn wir diesen Arbeitgeberteil herauslassen, ihn an dieser wichtigen Aufgabe desinteressieren, dann, glaube ich, handeln wir nicht gemäß unserer Verantwortung für die zukünftige Versorgung der in der Sozialversicherung Versicherten.
Ich bitte Sie daher, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen und damit die Parität in den Selbstverwaltungsorganen zu sichern.