Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag der Sozialdemokratischen Partei wird ein Problem angesprochen, daß uns im Arbeitsministerium schon seit einem Jahr größte Sorgen macht. Bei uns handelt es sich nicht in erster Linie darum, für die beiden Versicherungsträger unbedingt gleiche Grundlagen herbeizuführen, sondern vielmehr darum, daß man den Invaliden und den Alten mehr geben kann, als das seither möglich war. Wir wissen nur zu gut, daß wir in sehr kurzer Zeit zu einer Neuordnung der Renten kommen müssen, wenn die Not in diesen Bevölkerungsschichten auch nur annähernd gemildert werden soll. Wir dürfen dabei eins nicht vergessen: die Versicherungsträger im Bundesgebiet haben durch die beiden Weltkriege ungefähr 12 Milliarden Mark an Finanzgrundlagen verloren. Es ist seither noch kein Weg gefunden worden, diese verlorengegangene Kapitalgrundlage für die alten Renten irgendwie aus öffentlichen Mitteln zu ersetzen. Wir haben deshalb vom Arbeitsministerium aus den Antrag gestellt, daß vor allem jetzt bei der Regelung des Lastenausgleichs der Kapitalverlust der Sozialversicherungsträger mitgeregelt werden soll. Aber darüber hinaus werden wir nicht daran vorbeikommen, vom Finanzminister, d. h. vom Bund, zumindest einen Kapital- und Zinsendienst für die verlorengegangenen Kapitalien zu beanspruchen. Nur so werden wir in die Lage versetzt, auch nur einigermaßen gerechte Grundlagen für die zukünftigen Renten zu bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem gestellten Antrag soll die Grundrente in der Invalidenversicherung der in der Angestelltenversicherung gezahlten gleichgestellt werden. Hierbei darf man eins nicht übersehen: daß die Grundrente in der Invalidenversicherung als Staatszuschuß aus öffentlichen Mitteln gezahlt wird, während in der Angestelltenversicherung auch die Grundrente aus den Beitragseingängen gedeckt werden muß. Wenn die Antragsteller ihren Antrag so verstehen, daß der Staat die Grundrente in der Invalidenversicherung aus Steuermitteln von 156 Mark im Jahr auf 444 Mark erhöhen soll, dann ist damit gesagt, daß der Invalidenversicherung in Zukunft aus Steuermitteln ein Mehr von 645 Millionen Mark jährlich gegeben werden soll. Ich kann mir vorstellen, daß man sich im Ausschuß noch über diese Dinge unterhält.
Wie die Frau Antragstellerin ganz richtig gesagt hat, ist das Verhältnis bei den Steigerungssätzen umgekehrt. Diese sind auf Grund versicherungsmathematischer Berechnungen nur auf die eingehenden Beiträge aufgebaut. Sie betragen in der Angestelltenversicherung 0,7 % von dem, was als Jahreseinkommen durch Beiträge gedeckt worden ist. Soll hier die Erhöhung von 0,7 % auf 1,2 % eintreten, dann bedingt das für die Angestelltenversicherung eine notwendige Mehreinnahme von 185 Millionen Mark. Da wir in der Angestelltenversicherung Staatszuschüsse irgendwelcher Art nicht kennen, müßten diese Gelder durch erhöhte Beiträge aufgebracht werden, oder es müßte beschlossen werden, daß der Staat aus Steuermitteln auch diese Beträge zu übernehmen hätte. Der Gesamtantrag wird dann eine weitere Belastung unseres Bundeshaushalts um 830 Millionen DM bringen.
Ich glaubte, dem Hohen Hause einmal einen derartigen Überblick geben zu müssen. Sie dürfen mir glauben, daß dieses ganze Problem mir mindestens ebensoviel Sorgen macht wie den einzelnen Abgeordneten und den Parteien dieses Hauses. Sie ersehen aus dem von mir Dargelegten, daß wir vor ungeheuer schweren Problemen stehen. Sie wissen, daß im Wirtschaftsrat zu Frankfurt bereits der Antrag gestellt und angenommen wurde, die versicherungsmathematischen Errechnungen für eine völlige Neugestaltung auf gesunder Grundlage für die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu beschaffen. Unsere versicherungsmathematische Abteilung ist tatsächlich in der ganzen Zeit auf diesem Gebiet tätig gewesen, und ich sage Ihnen, daß, wenn wir Er-
höhungen in der hier vorgesehenen Form durch erhöhte Beiträge erreichen wollen, wir den Beitrag, der zur Zeit 10 % beträgt, auf annähernd 16 % steigern müßten. Daraus ersehen Sie die Schwierigkeiten des gesamten Problems. Ich bin der Meinung, daß wir in der nächsten Zeit alles tun sollten, um dahin zu kommen, daß wir zum mindesten aus Steuermitteln erst einmal eine Sicherstellung des Kapitaldienstes und des Zinsendienstes für die 12 Milliarden erreichen. Dann wären, glaube ich, die ersten Grundlagen für eine wirkliche Gesundung unserer Sozialversicherung, insbesondere der Rentenversicherungen, gegeben. Wir könnten dann die heute ganz bestimmt unzureichenden Renten wenigstens in etwa erhöhen.