Rede von
Dr.
Wilhelm
Hamacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DZP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DZP)
Meine Damen und Herren! Bei seiner Ansprache anläßlich des Einjahresjubiläums des Bundestags hat der Herr Bundeskanzler eine wohltuende und wohlwollende Wendung gegenüber der Opposition gebraucht. Er hat der Opposition auch seinen Dank für ihre gewissenhafte Mitarbeit ausgesprochen. Wir hätten uns alle gefreut, wenn eine solche Wendung auch bei der Verabschiedung des Europaratsgesetzes hier im Hause aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gekommen wäre. Dann würde nämlich nicht jene so scharfe Wendung aus dem Munde des Bundeskanzlers gekommen sein, die er in seinen jetzigen Ausführungen selber verurteilt hat. Er hat am Vortage der Wahl zum Landtag von Nordrhein-Westfalen im Nordwestdeutschen Rundfunk eine scharfe Rede gehalten. Er hat dabei gegenüber den Parteien der Opposition, zu denen auch das Zentrum gehört, die Wendung gebraucht: Zentrum und SPD haben sich gegen den Westen und für den Osten entschieden.
Es bot sich damals keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Heute ist zum ersten Mal die Gelegenheit vorhanden, dazu Stellung zu nehmen, da der Herr Bundeskanzler in unserer Mitte sitzt. Er hat in seiner Rede vorhin selber jene damals gemachte Wendung verurteilt, indem er sagte: bei parteipolitischen Reden sollen Fragen der auswärtigen Politik aus dem Spiele bleiben. Wir nehmen die jetzige Wendung mit Genugtuung zur Kenntnis; aber im Namen meiner politischen Freunde lege ich gegen die scharfe Äußerung, die am 16. Juni aus dem Munde des Kanzlers gekommen ist, schärfste Verwahrung ein.
Dem, was zur Methode der Außenpolitik gesagt worden ist, möchte ich einiges hinzufügen. Es ist mit Recht an dem Vorgehen der einzelnen Minister Kritik geübt worden, und es ist auch hier und da eine Kritik an dem Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers selbst in der Außenpolitik untergeflossen. Ich glaube, wenn Herr Bundeskanzler die Klaviatur des Bundestags etwas häufiger benutzt hätte, als es der Fall gewesen ist, würden wir weniger über solche Seitensprünge der Ressortminister zu klagen haben.
Zwei Beispiele mögen das zeigen. Anläßlich der Regierungserklärung beim Zusammentritt des Bundestags haben wir feststellen können, daß der Herr Bundeskanzler mit seinen Ausführungen über die Koalition nur selten Beifall fand. Als er aber die Außenpolitik ins Blickfeld rückte, fand er starken und einmütigen Beifall auf allen Seiten des Hauses.
Ein zweites beachtenswertes Beispiel ist folgendes: Bei der Saar-Debatte am 10. März hat Herr Bundeskanzler die Saarfrage nach der politischen, juristischen und wirtschaftlichen Seite behandelt und in ein solches Licht gestellt, daß er sogar in den Oppositionskreisen der SPD starken Beifall fand. Er löste eine Gegenrede des Herrn Dr. Schumacher aus, die frei von jeder Schärfe war und die Argumente des Bundeskanzlers unterstrich. Die Folge davon war, daß diese Rede auch in den Reihen der CDU mit einem sehr starken Beifall aufgenommen wurde.
Diese beiden Beispiele mögen genügen, um es dem Herrn Bundeskanzler nahezulegen, in Zukunft etwas häufiger das Instrument des Bundestags zu benutzen, um sich über außenpolitische Fragen zu äußern, und etwas weniger die Presse und das Mittel des Interviews in Anspruch zu nehmen.