Rede von
Adolf
von
Thadden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)
Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz sieht vor, daß der Bundeskanzler für die Politik der Regierung verantwortlich ist. Es sieht weiter vor, daß der Bundeskanzler dem Parlament für die Politik seiner Regierung verantwortlich ist. Wir haben — das ist schon von einem Vorredner ausgeführt werden — bisher nur selten Gelegenheit gehabt, dem Bundeskanzler die Meinung des Plenums dieses Hauses mitzuteilen. Ich möchte auf folgendes besonders hinweisen, und dies wurde von dem Herrn Kollegen Lütkens bereits hervorgehoben. Der Hauptfehler an diesen Äußerungen von Ministern — zu denen man im einzelnen sehr unterschiedlich stehen kann — ist doch wohl darin zu sehen, daß der Bundeskanzler seine Minister zu wenig anhält, eine offizielle Linie innezuhalten, und ihnen vielleicht auch zu wenig über die Linie sagt, die er einzuhalten gedenkt. Der Kanzler hat die bekannte Neigung, möglichst viel allein zu machen. An sich begrüßen wir eine Präsidial-Demokratie durchaus. Wir haben sie aber leider noch nicht.
Den Ministern werden wesentliche Dinge vorenthalten, und es kommen dann auf der anderen Seite Äußerungen von seiten des Kanzlers, die man nicht ganz begreifen kann, die man zumindest genau so wenig begreifen kann wie monierte Äußerungen von Ministern. Ich glaube, daß der Kanzler für deplacierte Äußerungen kausal verantwortlich ist, der zu wenig tut, um eine einheitliche Linie des Kabinetts durch eine wirkliche Kabinettstätigkeit zu gewährleisten. Ich möchte auf verschiedene böse Worte, die die Opposition in diesem Zusammenhang schon oft gebraucht hat, nicht noch besonders hinweisen. Die Interpellation der SPD müßte meines Erachtens sachlich dahingehend beantwortet werden, dem Kanzler die notwendige Informationspflicht über die von ihm
beabsichtigte Linie gegenüber dem Kabinett aufzuerlegen.
Ich glaube, daß man die Situation mit einer kleinen Abwandlung vielleicht mit dem früheren Kaisertum vergleichen kann. Damals gab der Kaiser seinem Kanzler die Richtlinien, die dieser dann in Wahrung der Loyalität als ausführendes Organ an seine Minister weiterleitete.
— Einen Moment! — Heute können wir an die Stelle des Kaisers das „oktroyierende politische Überwachungs-Triumvirat" setzen, und vielleicht sind es Gründe mangelnder Loyalität, die Bedenken entstehen lassen, diese alte Praxis fortzuführen. Wir wollen an den Kanzler die dringende Bitte richten, im Interesse eines geschlossenen Dastehens von Regierung und Parlament in Zukunft wesentlich mehr darauf zu achten, daß die Pläne, die er selber hat, seinen Ministern besser bekannt sind und auch von diesem Hause etwas mehr debattiert werden, als es bisher der Fall war. Das gilt gerade im Augenblick, wo es um weltpolitisch so wichtige Dinge geht. Damit kann auch nach außen die Einheit hergestellt werden, die wir heute notwendig haben.