Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident: Meine Herren und Damen! Erst die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kohl haben mich veranlaßt, mich zum Wort zu melden und zu dieser Vorlage der SPD noch einige Bemerkungen zu machen. Ich glaube, daß all das, was hier über die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft und über die Lehrstellenverhältnisse, den Mangel einerseits und den Überschuß andererseits, gesagt worden ist, durch die Arbeitslosenversicherung und ihre Neuordnung bzw. Änderung in keiner Weise berührt wird. Ich glaube auch nicht, daß wir mehr wirklich wertvolle Arbeitskräfte durch eine Änderung der Arbeitslosenversicherung in den Arbeitsprozeß bekommen, ebensowenig wie man durch eine Änderung charakterlich durchaus nicht wertvolle Arbeitskräfte dadurch anregen oder etwa bessern
kann. Die Argumente gehen nach meiner Auffassung an den Grundfragen vorbei.
Einer meiner Herren Vorredner hat von dem Versicherungsprinzip gesprochen. Es kommt mir grausam vor, dieses Wort „Versicherungsprinzip" im Zusammenhang mit der Arbeitslosenversicherung — die zwar noch so heißt — zu hören. Denn jeder, der die Arbeitslosenversicherung einigermaßen kennt, weiß, daß dieses Versicherungsprinzip in der Vergangenheit viele Male durchbrochen worden ist. Wir haben uns im Ausschuß meines Erachtens über die Frage zu unterhalten, ob man sich überhaupt darüber klar ist, daß man gegen Arbeitslosigkeit nicht versichern kann. Dabei kommen wir auch zu jenem Argument, das in Art. 6 des SPD-Entwurfes zum Ausdruck kommt: Soll der Arbeitgeber oder der Staat die Beiträge, durch die wir gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit versichern könnten, tragen oder nicht? Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß man gegen dieses Risiko der Arbeitslosigkeit nicht versichern kann. Wir sind auch der Auffassung, daß es nicht gut wäre, den Personenkreis der Arbeitslosenversicherung zu erweitern, ehe nicht die Grundlagen der Arbeitslosenversicherung oder der Arbeitslosenfürsorge, wie sie einmal aussehen soll, wiederhergestellt sind.
Als ich noch Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses des Zonenbeirats war, jenes ersten Beratungsorgans der britischen Zone, wurden wir im tiefen Winter schnell nach Hamburg gerufen, weil die britische Militärregierung verlangte, daß die Bundesanstalt für Arbeitslosenversicherung errichtet werden solle. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie nachts die Arbeitsminister der Länder sich ins Auto setzen und im Schneegestöber nach Hamburg kommen mußten, weil angeblich in ganz wenigen Stunden die Unterschrift geleistet werden sollte. Inzwischen sind viele Jahre ins Land gegangen, und meine Freunde und ich bedauern sehr, daß diese Frage der einheitlichen Kontrolle über die Mittel der Arbeitslosenversicherung, nämlich die Beiträge der Arbeiter, Angestellten und Betriebsführer, noch nicht gelöst ist.
Viel wichtiger erscheint es mir, festzustellen, wo diese Mittel geblieben sind, und weiter durch die Errichtung einer einheitlichen Anstalt, die uns nun schon so lange versprochen ist, zu erreichen, daß zunächst einmal die Grundlage einer sauberen Kontrolle des Eingangs und der Verwertung der Beiträge geschaffen wird, damit wir uns dann später über die grundsätzliche Frage der Neuordnung unterhalten können.
Meine Fraktion hat nichts gegen eine Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß. Sie hofft allerdings, daß das Bundesarbeitsministerium initiativ werden wird und diese Unterlagen schnellstens dem Sozialpolitischen Ausschuß für seine Diskussion zur Verfügung stellt. Sie erwartet von der Fraktion der SPD und von dem Vorsitzenden des' Sozialpolitischen Ausschusses, :laß beide aus ihrer Erfahrung heraus darauf achten, daß diese Gesetzesvorlage erst dann behandelt wird, wenn die übrigen Grundlagen gegeben sind.